Dušan Stefančič (94), ein Opfer, das sich nie als solches gefühlt hat.

Foto: Kerstin Scheller

Für die Republik nahmen am Sonntag die grünen Regierungsmitglieder Vizekanzler Werner Kogler (Mitte), Umweltministerin Leonore Gewessler (rechts) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (links) an der Befreiungsfeier im ehemaligen Vernichtungslager Mauthausen teil.

APA/WERNER KERSCHBAUMMAYR

Wenn Dušan Stefančič heute durch den kleinen Ort St. Georgen an der Gusen spaziert, erinnert kaum noch etwas an das unvorstellbare Grauen, das der 94-jährige Slowene hier erlebt oder vielmehr überlebt hat. Längst ist Gras über dieses dunkle Kapitel Ortsgeschichte gewachsen, und dort, wo einst die Konzentrationslager Gusen I und Gusen II waren, stehen heute Wohnsiedlungen. Neues Leben erfüllt jenen Ort, an dem für tausende Opfer der Nazi-Gräuel das Leben endete.

Rückkehr in den Stollen

"Wenn ich das heute so sehe, frage ich mich, ob das alles so passiert ist. Oder war es doch nur ein langer, schrecklicher Traum?" Stefančič, 1927 in Slowenien geboren, erlebt als 14-Jähriger den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht, erledigt Botengänge für den slowenischen Widerstand, wird verhaftet und deportiert. Über Dachau, Markirch, Natzweiler und Mauthausen gelangt er schließlich in das Konzentrationslager Gusen II: in die "Hölle der Höllen" wie das Lager unter den Häftlingen genannt wird. Der heutige Ehrenpräsident des Internationalen Mauthausen-Komitees wird zu körperlicher Schwerstarbeit, unter anderem im unterirdischen Flugzeugwerk "Bergkristall", gezwungen.

2010 kehrt der Slowene erstmals nach 65 Jahren zurück in den einstigen Todesstollen. Die Bilder im Kopf sind auch nach so langer Zeit sofort wieder da: "Es war still, aber ich habe den Lärm der Maschinen, gehört, die Schreie der Verletzten, die Befehle der SS-Wachen, dazu der Geruch nach Öl." Und doch hat Stefančič gelernt, mit diesen Bildern zu leben. "Man kann so etwas nicht vergessen. Ich habe aber nach meiner Befreiung ein glückliches Leben gelebt. Was wäre die Alternative gewesen? Jahrzehntelang nur weinen?", erinnert sich der 94-Jährige im STANDARD-Gespräch.

Er sei ein Opfer gewesen, aber: "Ich habe mich nie als Opfer gefühlt. Ich habe einfach überlebt." Nur zwei Wochen nach der Befreiung aus dem KZ geht Stefančič in Slowenien wieder zur Schule, studiert, heiratet und macht als Jurist Karriere: "Das Leben kann nur vorwärts gelebt werden."

"Würdiges Gedenken"

Über den Ankauf einstiger Lagerareale durch die Republik zeigt sich der Slowene erleichtert: "Es braucht endlich ein würdiges Gedenken im Sinne eines ,Niemals wieder‘." Natürlich müsse man auch respektieren, dass heute dort Menschen leben. Aber: "Ich muss und kann nicht alles verstehen. Wenn man im ehemaligen ,Jourhaus‘ wohnt, braucht man schon Nerven. Es war der Eingang zum Lager, und unzählige Menschen sind in diesem Haus gefoltert und umgebracht worden."

Gültiger Schwur

Unweit des ehemaligen Lagerkomplexes in Gusen gedachte das offizielle Österreich am Sonntag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen vor 76 Jahren. Der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees Österreich, Willi Mernyi, pochte bei dem Festakt, der unter dem Thema "Vernichtete Vielfalt" stand, auf die anhaltende Gültigkeit des Mauthausen-Schwurs, in dem der Aufbau einer gerechten, freien Welt gelobt wird. Der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer prangerte in einem Gottesdienst antisemitische Vorfälle an. Corona-bedingt fielen die Feierlichkeiten anlässlich der 76. Wiederkehr der Befreiung heuer weniger umfangreich aus als üblich. Nur vergleichsweise kleine Delegationen legten vor Ort Kränze nieder.

Das offizielle Österreich repräsentierten die grünen Regierungsmitglieder Vizekanzler Werner Kogler, Klimaministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sowie Vertreter der Landespolitik. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hatten ebenso wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bereits am Freitag einen Kranz niedergelegt.

Das offizielle Österreich gedachte der Opfer des Nationalsozialismus, tausende Zuseher aus über 20 Ländern waren virtuell dabei. (Markus Rohrhofer, 17.5.2021)