Im Gastkommentar fordert Student Elias Weiss mehr Rechte für die ÖH und Mitbestimmung in der Bildungspolitik.

Von 18. bis 20. Mai wird an Österreichs Unis wieder gewählt.
Foto: APA / Herbert Neubauer

Die Gegner einer politischen Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) führen die niedrige Wahlbeteiligung wahlweise als Argument gegen das allgemeinpolitische Mandat, die verpflichtende Mitgliedschaft der Studierenden oder gleich gegen beides an. Dabei liegt diese auf dem inzwischen leider üblichen Niveau für die verschiedenen Kammern. Die ÖH ist zwar nicht so wie Arbeiterkammer (AK) und Wirtschaftskammer (WKO) über die Sozialpartnerschaft in der österreichischen Wirtschaftspolitik involviert, sollte aber eine ähnliche Aufgabe in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik einnehmen. Immerhin ist die ÖH die Interessenvertretung der Studierenden. Um Einfluss auf die Politik zu nehmen, benötigt es die Pflichtmitgliedschaft genauso wie das allgemeinpolitische Mandat.

Den Ursachen des allgemeinen Rückgangs der Wahlbeteiligung widmen sich ganze wissenschaftliche Disziplinen. Die ÖH ist dabei keine Ausnahme, aber auch kein Sonderfall. Die Wahlbeteiligung 2019 lag bei 26 Prozent, was auf den ersten Blick niedrig erscheint. Verglichen mit den Sozialpartnern befindet sie sich auf ähnlichem Niveau. Die AK wies zuletzt noch die höchste mit 38 Prozent aus, bei der WKO sind es 33 Prozent. Doch bei der ÖH-Wahl ist jede Person wahlberechtigt, die ihren ÖH-Beitrag von 20 Euro im Semester eingezahlt hat. 2019 gab es nur 268.300 prüfungsaktive Studierende, 70.000 weniger, als ihren ÖH-Beitrag gezahlt haben. Rechnet man diese inaktiven Studierenden heraus, gehen schon 31 Prozent zur Wahl.

Briefwahlkartenrekord

Darüber hinaus gibt es auch noch 10.000 Studierende, die über ein Mobilitätsprogramm zwar an einer österreichischen Einrichtung eingeschrieben sind, sich aber aktiv im Ausland befinden. Der ÖH-Beitrag muss in der Zeit aber weiterbezahlt werden, die Personen sind also wahlberechtigt. Heuer wurden 21.100 Wahlkarten ausgegeben, 2019 waren es nur rund 8.800, aber erreichen diese auch die Studierenden im Ausland?

Darüber hinaus gibt es 10.000 Studierende aus dem Ausland, die sich gerade an einer österreichischen Einrichtung befinden. Wurden diese über ihr Wahlrecht ausreichend informiert? Je nachdem also, ob man diese Personen unbedingt in die Basisrechnung miteinbeziehen will oder nicht, landet man bei 31 bis 33 Prozent Wahlbeteiligung, und das ist eben nicht weniger als bei der WKO und nur leicht weniger als die AK, diese beiden haben aber einen viel größeren politischen Einfluss – und natürlich auch ein weitaus höheres Budget.

Im Unterschied zu AK und WKO sieht sich die ÖH aber regelmäßig eben nicht nur den Attacken derjenigen, die sich ein autoritäreres politisches System wünschen und die vielen Ebenen der Mitbestimmung am liebsten abschaffen würden, ausgesetzt, sondern wurde in den letzten Jahrzehnten mehrmals in ihren Mitbestimmungsrechten beschnitten. Die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft würde ihr den Todesstoß verpassen, immerhin garantiert diese, genauso wie die GIS dem ORF oder den Sozialversicherungen die Pflichtbeiträge, eine finanzielle Unabhängigkeit von der Politik. Ohne diese wäre sie dem Wohlwollen von Spendern oder dem Finanzminister ausgeliefert. Das allgemeinpolitische Mandat sorgt dafür, dass niemand der ÖH vorschreiben kann, welche Belange Studierende zu interessieren haben und welche nicht – und wie sie sich für diese einsetzt.

Demoralisierende Gesetzesnovelle

Dass die Wahlbeteiligung in Interessenvertretungen in den letzten Jahrzehnten tendenziell sinkt, hängt mit der Depolitisierung der Gesellschaft zusammen. Das technokratische Dogma, das alle Bereiche der Gesellschaft erfasst hat und oft als Neoliberalismus bezeichnet wird, predigt die Existenz objektiver Lösungen auf politische Fragen und macht damit jegliche politische Auseinandersetzung innerhalb unserer Gesellschaft zunichte. Das neue Universitätsgesetz ist Ausdruck dieser Entwicklung: Anstatt die Mitbestimmungsrechte und damit die Möglichkeiten der Studierenden auszubauen – also dem demokratischen Grundprinzip der Verfassung zu entsprechen –, werden die letzten Reste abgebaut. Dass sich Studierende daher die Frage stellen, warum sie überhaupt wählen sollen, ist doch nur logisch. Dass der ÖH nur mehr der Kampf auf der Straße bleibt, genauso.

Wer etwas für die Wahlbeteiligung der ÖH tun will, sollte dieser wieder mehr Rechte innerhalb der Hochschulorganisationen geben und mehr Mitbestimmung in der Bildungspolitik ermöglichen, anstatt darauf herumzureiten wie niedrig sie nicht sei. Angesichts der aktuellen Situation wird sie nämlich sehr wahrscheinlich wieder sinken. (Elias Weiss, 17.5.2021)