Rotterdam tut alles, damit Covid beim ESC keine Gewinnchancen hat. Männer müssen sogar Ganzkörperanzüge tragen! Scherz.

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Island hat es gerade nicht einfach. Hätte der Eurovision Song Contest voriges Jahr stattgefunden, hätten Daði & Gagnamagnið mit ihrem Hit Think About Things, der im Netz schnell Kultstatus erlangte, ziemlich sicher gewonnen. Nun besagte aber die Regel, dass zwar dieselben Acts auch 2021 antreten dürfen, was auch 26 der 39 teilnehmenden Nationen taten, allerdings brauchten alle einen neuen Song.

Die neue isländische Nummer 10 Years ist zwar auch nicht übel – bei den Buchmachern steht Island immerhin auf Platz vier –, aber das Rennen wird zur Freude aller, die Spannung lieben, deutlich enger.

Island wurde von Corona aber nicht nur des hochwahrscheinlichen Sieges beraubt, jetzt wurde auch noch jemand aus der isländischen Delegation positiv auf das Virus getestet. Ob die Musik-Nerds Daði & Gagnamagnið also überhaupt live auftreten können, werden erst die PCR-Testergebnisse zeigen. Die Maltesen und die Polen – die im selben Hotel wie die Isländer residieren – haben dasselbe Problem. Hier muss die EU jetzt im Kleinen stark sein! Ein bissi wurscht ist es ja schon, zumindest aus Zuschauerperspektive.

Für alle Eventualitäten gerüstet

Denn die European Broadcasting Union, der diese Ausgabe des ESC sicherlich auch vorkommt, als arbeite sie bereits 10 Years daran, war auf alle Eventualitäten vorbereitet. So nahmen die Teilnehmernationen bereits Videos vorab auf, falls ein Liveauftritt nicht zustande kommen kann.

Die Ahoy Arena in Rotterdam wurde dieses Jahr also zu einem riesigen Safe Space gemacht, unbedingt sollte der ESC endlich stattfinden können und im besten Fall mit Publikum. Als erster richtiger Großevent in Pandemiezeiten soll "der Schas" gefälligst Vorbildfunktion haben. Tatsächlich arbeitet die niederländische Regierung mit Fieldlab Events, einer Initiative der dortigen Eventbranche, zusammen, die untersucht, wie größere Veranstaltungen sicher und verantwortungsbewusst mit Publikum stattfinden können. Es ist also auch ein ESC für die Wissenschaft! Das bereits 2019 für das Jahr 2020 ausgegebene Motto "Open Up" wurde beibehalten, endlich passt es jetzt auch mal.

So dürfen 3500 echte Menschen unter strengsten Testauflagen, dafür zumindest am eigenen Platz maskenfrei, jeweils bei den drei Liveshows anwesend sein, solange sie unter 70 Jahre alt sind. No country for old (wo)men, diese Niederlande. Eigentlich würde die Arena 16.000 enthusiasmierte Seelen fassen, die Gäste können sich beim Fahnenschwenken also wenigstens ausbreiten.

Frau mit Titel en français

Wer gewinnt? Statistisch gesehen wird es eine Frau sein, hat die APA ausgerechnet. Unter den bei den Buchmachern in Moment führenden fünf Titeln stammen drei von Interpretinnen. Die zypriotische Nummer El Diablo, Prädikat: hot, sorgte schon vorab für Stress mit der Kirche, die anderen zwei stehen ganz im Zeichen der weiblichen Selbstermächtigung.

Barbara Pravis Chanson Voilá – es geht wenig überraschend um den Beitrag aus Frankreich – dreht sich um die Entwicklung einer Frau vom Selbstzweifel bis zur Akzeptanz. Auch der Titel Je me casse der 18-jährigen Destiny aus Malta hat hohe Gewinnchancen. In der tanzbaren Popnummer mit Electro-Swing-Anleihen erteilt Destiny aufdringlichen Aufreißern eine Absage. Vielleicht wird’s aber doch das römische Rock-Quartett Måneskin. Oder die lustigen Isländer gewinnen doch noch. (Amira Ben Saoud, 18.5.2021)