Zart und zugleich gefährliche Naturgewalt: Das Element Luft als Kostümentwurf von Ernst Fuchs für die Komposition "Il lutto dell’universo (Die Trauer des Weltalls)", 1977.
Foto: KHM-Museumsverband

Man möchte ja gar nicht laut sagen, dass das eine Corona-Ausstellung ist. Aber erst durch die andauernde Krise ist die Idee zur großen Frühjahrsschau im Kunsthistorischen Museum Wien entstanden. Ausgangspunkt dabei war eine Beobachtung aus dem ersten Lockdown: Menschen legten Blumen und Kerzen wie Votivgaben vor der Pestsäule in der Innenstadt ab. Zur Pilgerstätte mutiert, spendete der Ort Trost, Hoffnung und vielleicht auch überirdische Kraft. Zumindest entsprang daraus die Inspiration zur Schau Höhere Mächte, die am Dienstag eröffnet.

Das mag zugegeben etwas zäh klingen. Bitte nicht dieses Thema! Doch als Kind der Krise darf man diese Präsentation dennoch nicht abtun. Viel eher hat man die Chance genutzt, um Objekte aus allen Sammlungen des KHM-Museumsverbands für ein Thema zu kombinieren. Das kennt man zwar bereits, allerdings wurden Werke aus KHM, Theatermuseum und Weltmuseum selten in einer solchen Gleichwertigkeit präsentiert – sowie kuratiert. Ein ganzes Team rund um die Kuratorinnen Claudia Augustat (Weltmuseum), Gerlinde Gruber (KHM) und Rudi Risatti (Theatermuseum) hat ein überraschendes Zusammenspiel aus rund 100 Objekten sowie fünf Kontinenten arrangiert. Ein Facettenreichtum, bei dem zusammengestellt wird, was nicht zusammengehört. Das ist erfrischend, erschreckend, erklärend. Wo sind die höheren Mächte, wenn man sie braucht?

Bestückte Geister und brutale Gewitter

Das breite Spektrum zeigt sich gleich beim Betreten des ersten Saals, den die Natur mit ihren Gewalten und Elementen eingenommen hat, in prächtigem Kleid. Wortwörtlich wird man von einem hauchzarten blau-grauen Kostümentwurf (s. Bild) des Künstlers Ernst Fuchs begrüßt, der in der Komposition Il lutto dell’universo (Die Trauer des Weltalls) von Kaiser Leopold I. 1977 das Element der Luft darstellte. Von einem hohen Sockel blickt es herab und tritt mit einem gegenüberliegenden Sturmdämon der im brasilianischen Regenwald beheimateten Tikuna in Dialog.

Hat die Luft auch als Gewitterwolke noch eine freundliche Erscheinung, sieht es bei diesem braunen Maskenmännchen mit den baumelnden Hoden und dem riesigen Phallus anders aus. Für Epidemien und Zerstörung verantwortlich, fegt der Geist durch die Landschaft und rächt sich am Menschen. Jene gewalttätige Verwüstung setzt sich in der Gewitterlandschaft mit Jupiter, Merkur, Philemon und Baucis von Peter Paul Rubens fort: Wassermengen reißen alles mit sich, verwüsten die Landschaft, Bäume stürzen in den Abgrund.

Aufgeplustert: Ein seltener Papageienfederkopfschmuck, der am königlichen Hof Kongos getragen wurde. (19. Jahrhundert)
Foto: KHM-Museumsverband

Symbole der Macht mit Papagei

Umrundet man die massive, schräg in den Raum gestellte Wand, kommt man von der blauen Seite auf jene des Feuers, wo in einer Vitrine Überreste des 2018 abgebrannten Museu Nacional in Rio de Janeiro zu sehen sind und nur als Fragmente daran erinnern. Zwar wurde man vorgewarnt, dass hier einzelne Objekte mit Augenzwinkern zu verstehen sind. Darauf, dass hier aber ein T-Shirt mit der Aufschrift "Eyjafjallajökull cancelled my flight" (auf den isländischen Vulkan hindeutend) an einem Kleiderbügel hängt, hätte man auch verzichten können. Zu stark ist der Bruch mit der restlichen doch eher eleganten Präsentation.

Im zweiten Raum wandelt sich diese sogar ins Respekteinflößende: Ein Idealbildnis von Kaiser Karl des Großen nach Albrecht Dürer, ein Kupferstich mit Maria Theresia und eine monumentale Schlachtentapisserie Alexander des Großen stehen quasi einer Armee gegenüber: Entlang dunkler Wände reihen sich erhöhte Vitrinen streng aneinander. Unter dem Titel der irdischen Mächte werden hier Symbole der Herrschaft ausgestellt. Eine türkische Krone, ein äthiopisches Schild, ein koreanisches Kriegskleid, ein europäischer Tropenhelm. Dazwischen pludert sich eine aus unzähligen orangen Papageienfedern bestehende kongolesische Kopfbedeckung auf. Wo es Macht gibt, gibt es auch Machtlosigkeit.

Orgiastischer Tanz: Das "Venusfest" von Peter Paul Rubens von 1636/37.
Foto: KHM-Museumsverband

Glück, Gebet und Hausaltar

Das Finale (und auch Highlight) der Schau bildet das dritte Kapitel, das sich den höheren Mächten wohl im wahrsten Sinne widmet: der menschlichen Sehnsucht, mit ihnen in Verbindung zu treten. Auf einem altarähnlichen Plateau treten Objekte des Rituals, des Glaubens sowie der Magie auf. Das Gemälde des kränklichen und deshalb mit Amuletten versehenen Infanten Philipp Prosper von Diego Velázquez hängt hier ebenso wie Schamanengewänder und eine Kasel des Papst-Ornats. Theaterpuppen aus dem Stück Der Drachentöter von Richard Teschner treffen auf diverse Gebetsschnüre und Hausaltäre.

In kleinen Einlassungen finden sich Glücksbringer, die zum Teil auch aus Privatbesitz stammen und über eine Ausschreibung als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurden. Dass hier auch Kettenanhänger, Elefantenfiguren und sogar ein Stofftier gezeigt werden, folgt einer Logik, die sich auch im letzten Raum fortsetzt, wo eigene Gedanken auf Post-its hinterlassen werden können. Leider wirkt das trotz des partizipativen Gedankens etwas ungeschickt und ist kein ganz idealer Abschluss. Lieber sollte man vor Rubens’ Venusfest innehalten und in besseren Zeiten schwelgen. Sie werden wieder kommen! (Katharina Rustler, 18.5.2021)