Der futuristische Truck war "nur ein Werbegag", sagte Urologe Herwig nun zum "Kurier".

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Innsbruck – Der Skandal um die Vergabe des größten PCR-Test-Auftrages in Tirol wird immer undurchsichtiger. Zumindest hat das Land nun bestätigt, wie es zur Vergabe des rund zehn Millionen Euro schweren Vertrages kam. Und schon das ist ein Kapitel für sich.

So sei man im August 2020 in Tirol sehr unzufrieden mit den Leistungen der bis dahin mit PCR-Tests betrauten heimischen Laboren gewesen. Sie lieferten die Ergebnisse zu spät und in Form einer "Zettelwirtschaft". Bei zwei Dritteln der Proben habe man damals länger als 24 Stunden, bei einem Drittel sogar länger als 48 Stunden auf die Testergebnisse warten müssen.

Eventconsulter als Einfädler

In dieser Situation trat dann Hanspeter Rass aus Kitzbühel mit seiner Gattin, die beide in der Eventbranche tätig sind, an das Land heran. Sie unterbreiteten das Angebot der HG Labtruck, einer Firma, die sich zu dem Zeitpunkt in Kirchberg in Gründung befand, als "Tiroler Angebot". Inhalt: PCR-Tests zum damals unschlagbaren Preis von 38,50 Euro in mobilen Teststationen. Zudem in Verbindung mit einer elektronischen Verarbeitung der Daten, um eben effektiver zu werden.

Das Angebot hat überzeugt, und die HG Labtruck erhielt den Zuschlag. Hinter dem Unternehmen steht Ralf Herwig, Urologe ohne gültige Zulassung als Arzt. Die wurde ihm von der Ärztekammer entzogen. Allerdings darf diese keine Details dazu nennen, wie es auf Anfrage heißt: "Zu der Frage, seit wann eine Berufsuntersagung besteht, wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei um kein öffentliches Datum der Ärzteliste iSd § 27 ÄrzteG 1998 handelt und daher dazu keine Auskünfte erteilt werden können. Darüber hinaus sind gemäß § 194 ÄrzteG 1998 Mitteilungen an die Öffentlichkeit ua über den Verlauf und die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens oder Disziplinarentscheidungen untersagt."

Der zweite Gesellschafter der HG Pharma, der 100 Prozent-Gesellschafterin hinter HG Labtruck, ist der steirische Biochemiker Joachim Greilberger. Das Land Tirol gibt an, dass es seit längerem vergeblich versucht habe, mit ihm in Kontakt zu treten, seit die Vorwürfe gegen Herwig aufkamen.

Herwigs Geschäftspartner "in großer Sorge"

Gegenüber dem STANDARD, der Greilberger nach mehreren erfolglosen Versuchen am Montag telefonisch erreichte, gab er sich wortkarg. Er stehe mit seinem "Noch-Geschäftspartner" Herwig "in Verbindung" und sei angesichts der Berichte zu den Vorkommnissen in Tirol "in großer Sorge". Greilbergers privates Labor, das er auf der Lassnitzhöhe in der Steiermark betreibt, wurde vom Land Tirol als eines jener Labore genannt, die offenbar Teil des Vertrags mit der HG Labtruck sind. In welcher Funktion genau, ist vorerst offen. Für nähere Fragen zu seiner Tätigkeit hinsichtlich der PCR-Tests in Tirol verwies Greilberger auf die Geschäftsführung der HG Labtruck.

Weil Herwig als Urologe einen Labormediziner, und keinen Biochemiker, zur Aufsicht brauchte, wurde im Sommer 2020 der Augsburger Armin Schwarzbach als Partner dazugeholt. Das bestätigen mittlerweile auch Land Tirol und die HG Labtruck. Allein: Schwarzbach wusste davon nichts, wie er dem STANDARD schon in einem Gespräch vor zwei Wochen bestätigte. Er hatte sich zwar in Absprache mit der HG Labtruck in Österreich als Labormediziner registrieren lassen, seitdem aber nichts mehr von dem Unternehmen gehört. Er habe nie einen Test aus Tirol befundet.

Wirre Vorwürfe der HG Labtruck

"Alles Lüge", behauptet nun aber die HG Labtruck. Man habe erst aus dem STANDARD erfahren, dass Schwarzbach nicht mehr für sie tätig sei. Bis dahin habe die Zusammenarbeit funktioniert. Wobei man einräumt, nicht zu wissen, ob und was Schwarzbach befundet habe. Das liege in seiner eigenen Verantwortung. Den Zugang zur EDV habe er bis heute. Schwarzbach bestreitet das ebenfalls und erklärt: "Ich würde doch nicht ohne Entgelt tätig sein und hätte für meine Arbeit Bezahlung verlangt."

HG Labtruck vermutet einen Konkurrenten hinter der "Intrige". Nämlich das Salzburger Unternehmen Procomcure, das eigentlich im Herbst 2020 noch Partner der HG Labtruck war. Zumindest wurde das vom Land Tirol und Herwig selbst damals so kommuniziert.

Wurde Tirol vor Herwig gewarnt?

Stimmt auch nicht, sagt nun HG Labtruck. Procomcure sei nur Lieferant gewesen, von dem man sich wegen falscher Rechnungslegung getrennt habe. Procomcure wiederum erklärte dem STANDARD, HG Labtruck habe nie bezahlt, weshalb man die Kooperation bereits im November 2020 aufkündigte und sogar das Land Tirol vor Herwig gewarnt habe. Das Land weiß allerdings nichts von einer solchen Warnung.

Der Tageszeitung Kurier (Dienstagsausgabe) sagte Herwig nun wiederum, dass der Labtruck, das Herzstück seines Angebots an Tirol, "nur ein Werbegag" gewesen sei: "Labtruck ist kein Labor auf Rädern, sondern ein Konzept, wie Laborergebnisse schnell ermittelt werden können." Auf Nachfrage will HG Labtruck diese Aussage nicht kommentieren. Dafür erklärt man dort, dass man nie Partner benötigt habe. Denn: "Technik, Geräte und Software für die mobilen Teststationen haben wir selbst entwickelt."

Es gab keinen Labormediziner

Wie das ging, wo die Firma erst im September 2020 gegründet wurde, blieb auf Nachfrage offen. Wieso man dennoch die Partner zu Beginn dabei hatte, ebenso. Schwarzbach weist alle Vorwürfe zurück. Er habe erst am 23. November 2020 seine Zulassung für Österreich von der Wiener Ärztekammer erhalten und für die HG Labtruck "keine einzige Arbeitsleistung erbracht".

Das Land Tirol erklärt, dass Herwig selbst bis Ende April 2021 die Befunde erstellt habe. Erst als man erfahren habe, dass er nicht mehr als Arzt zugelassen sei, wurde die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Ob Herwig nicht schon früher seine Zulassung verloren hat, ist offen, weil die Ärztekammer die Informationen dazu nach Rücksprache mit der eigenen Rechtsabteilung nicht veröffentlicht. Ein konkreter Grund für diese Informationssperre wurde auf Nachfrage nicht genannt.

Indes prüft die Staatsanwaltschaft Innsbruck, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Und der Landesrechnungshof wird den Vertrag zwischen Tirol und der HG Labtruck im Rahmen einer Sonderprüfung unter die Lupe nehmen. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) soll am Donnerstag zur Causa im Landtag Stellung nehmen. (Steffen Arora, 17.5.2021)