Meinl-Reisinger hier, Rendi-Wagner da: Die pink-rote Linie für den Kanzler bleibt die Gleiche.

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Wien – Beate Meinl-Reisinger hat es Montagabend ins "ZiB 2"-Studio zu Armin Wolf geschafft. Das will deshalb betont werden, weil der Moderator eigentlich lieber SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zum Gespräch dagehabt hätte. Aber diese zog es vor, in etwas mehr Wohlfühlatmosphäre auf "oe24" die Geschehnisse des Tages Revue passieren zu lassen. Also kam an ihrer statt die Neos-Klubobfrau zum Zug.

Dringlich

Den Grund für das mediale Interesse an den Oppositionschefinnen lieferte einmal mehr Sebastian Kurz. Die Ermittlungen der Justiz gegen den Kanzler und ÖVP-Chef brachten ihm am Montag bekanntlich eine dringliche Anfrage der Roten ein. Ein Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), betrieben von der FPÖ, hatte bei der Sondersitzung des Nationalrats ebenso wenig Erfolg wie ein Antrag auf Ministeranklage gegen Blümel – eine gemeinsame Produktion von SPÖ, FPÖ und Neos.

Während also am Ende dieses langen Tages Neos-Chefin Meinl Reisinger in der "ZiB 2" saß, um die roten Linien ihrer Partei noch einmal zu erklären, tat SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner Ähnliches bei der Konkurrenz.

Ähnlich

Die Argumentation der beiden war hier wie dort eine ähnliche.

Warum man nicht auch dem Kanzler das Vertrauen entziehen wolle?

Meinl-Reisinger: Es gehe hier um "Staatsräson", um Verantwortung, "dass wir sagen, wir warten einmal das Ende der Ermittlungen ab".

Rendi-Wagner: "Jetzt muss die unabhängige Staatsanwaltschaft arbeiten, ermitteln, die Beweise stärker prüfen, Zeugen einvernehmen."

Wo die viel zitierte rote Linie liege und was dann geschehen solle?

Meinl-Reisinger: "Dass es zu keinem Rücktritt kommt, wenn es zu einer Anklage kommt." Weniger flapsig als noch Montagfrüh im Ö1-"Morgenjournal" sprach die Neos-Chefin zudem nicht mehr von einem "kriminellen Kanzler", sondern erklärte den Verlauf der roten Linie, also den Zeitpunkt, ab dem Kurz als Kanzler für sie nicht mehr tragbar sei, so: "Auch wenn für die Person die Unschuldsvermutung gilt, für das Amt bedeutet das Handlungsunfähigkeit."

Rendi-Wagner sieht das genauso: "Wenn es so weit kommt (zu einer Anklage, Anm.), dann ist für uns eine rote Linie. Dann können wir dem Kanzler nicht mehr vertrauen. Denn ab diesem Zeitpunkt schadet er dem Land, dem Wirtschaftsstandort und damit auch tausenden Arbeitsplätzen durch die Reputationsschädigung Österreichs." Ohne Aufforderung fiel der SPÖ-Chefin übrigens ein, dass es für sie auch undenkbar sei, dass ein Landeshauptmann während seiner Amtszeit angeklagt wird und trotzdem seine Funktion weiter ausübt. Gruß an Hans Peter Doskozil.

Heißt also Neuwahlen, sollte diese pink-rote Linie überschritten werden?

"Nein", sagt die Neos-Chefin in der "ZiB 2". "Nein", sagt die SPÖ-Chefin auf "oe24".

Meinl-Reisinger: "Das sehe ich überhaupt nicht so." Nur weil die ÖVP in der Vollkrise stecke, müsse ja noch nicht das ganze Land in eine Situation der Unsicherheit gebracht werden. Sie sieht den Ball in diesem Fall bei den Türkisen: "Die ÖVP muss sich die Frage stellen, ob sie nicht auch ein integres Personal zur Verfügung stellen kann."

Schwenk zu Rendi-Wagner: Auch sie findet, "Neuwahlen braucht kein Mensch". Nur weil der Kanzler zurücktritt, müsse das nicht zwangsläufig das Ende der Koalition sein, glaubt die rote Parteichefin. Lieber solle die ÖVP jemand anderen an die Spitze stellen. Denn jetzt brauche das Land eine "stabile Regierung".

Wie realistisch ein solches Szenario ist, wurde weder im ORF noch auf "oe24" gefragt.

(Karin Riss, 18.5.2021)