Ein funktionstüchtiges Herz per 3D-Druck herzustellen, bleibt zwar ferne Zukunftsmusik. Forschende arbeiten aber bereits intensiv daran, beispielsweise eine Aorta künstlich herzustellen.

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Bei Maschinen liegen die Dinge einfach. Ob es sich um eine gebrochene Kurbelwelle im Auto handelt, einen verkalkten Heizstab in der Waschmaschine oder einen durchgeschmorten Kondensator im Hi-Fi-Verstärker – stets gibt es ein passendes Ersatzteil, das der Fachmann rasch einbauen kann.

Nun ist der Mensch in gewisser Weise zwar auch eine Maschine. Allerdings eine wesentlich komplexere und außerdem – noch wichtiger – eine biologische. Die Vision, menschliche Organe bei Bedarf aus dem Ersatzteillager zu holen oder einfach rasch herzustellen, speist sich vor allem aus zwei Problemen der Transplantationsmedizin: Einerseits gibt es weniger Spender als Menschen, die ein neues Organ benötigen. Andererseits besteht immer die Gefahr, dass das Immunsystem des Patienten das fremde Organ abstößt. Könnte man jedoch komplette Organe aus den eigenen Zellen eines Patienten herstellen, wären beide Probleme auf einmal gelöst.

Davon ist man bisher noch weit entfernt. Stand der Technik ist die Herstellung von Gewebe im Labor, das dann in einen Menschen implantiert wird und sich in dessen Körper selbst zu Organen oder Organteilen weiterentwickelt. Ausgangspunkt ist dabei stets eine sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM).

Diese ist eine Art Gerüst aus Proteinen und langkettigen Zuckern, auf dem Zellen wachsen können. Sie fungiert aber auch als Kommunikationspartner mit den Zellen und bestimmt mit, welche Zelltypen im Gerüst wachsen. EZM kann entweder komplett neu im Labor aufgebaut oder aus menschlichem Gewebe gewonnen werden, aus dem man die ursprünglichen Zellen entfernt.

Selbstheilung unterstützen

Das optimale Entwickeln von EZM ist heute das Hauptanwendungsgebiet dessen, was man als "Tissue Engineering" bezeichnet. "Der menschliche Körper hat die Fähigkeit zur Selbstheilung. Diese kann man mittels Tissue Engineering verstärken und unterstützen", sagt Andreas Teuschl, Leiter des Studiengangs Tissue Engineering and Regenerative Medicine an der FH Technikum in Wien. "Das ist ein boomender Markt, für viele Probleme gibt es bereits gute Lösungen."

Aber nicht nur die EZM selbst bestimmt, wie gut Zellen wachsen. Auch externe Stimuli spielen eine Rolle. In einem Projekt züchtet Teuschl mit seinen Kollegen beispielsweise Muskelzellen, die eines Tages eingesetzt werden könnten, um beschädigte Muskeln zu "reparieren".

Ausgangsmaterial ist das Protein Fibrin, das in der Medizin beispielsweise als natürlicher Gewebekleber bei Verletzungen eingesetzt wird. Dieses Fibrin mischen die Forscher mit Muskelvorläuferzellen und erzeugen mittels Gussverfahrens kleine Ringe. Diese kommen anschließend in mit einer Nährlösung gefüllte Röhrchen.

Konstanter Zug

Um die Muskelfaserentwicklung anzuregen, sind die Ringe außerdem in einer mechanischen Einrichtung fixiert, die sie in Längsrichtung dehnt. Dabei hat sich gezeigt, dass optimales Wachstum mit statischer Belastung beginnt, bei der die Struktur unter konstantem Zug gehalten wird. Sobald die Muskelentwicklung eingesetzt hat, lässt sich durch dynamische Belastungsmuster gezielt beeinflussen, ob sich langsam oder schnell kontrahierende Muskelfasern ausbilden.

Dennoch sind der Technik des Tissue Engineering Grenzen gesetzt. Vor allem hinsichtlich der Größe realisierbarer Gewebe. Denn jede Zelle muss mit Blut und Nährstoffen versorgt werden. Diese diffundieren jedoch nur begrenzt durch Gewebe. Größere Organe benötigen daher ein Gefäßsystem.

Ungelöste Schnittstelle

Die Anbindung künstlicher Gefäße an das natürliche Kreislaufsystem ist aber ein noch nicht gelöstes Problem. "Hohlkörper wie einzelne Blutgefäße oder eine Luftröhre lassen sich gut herstellen", sagt Teuschl. "Aber solide und hierarchisch komplex aufgebaute Organe wie Leber oder Lunge stellen Hürden dar."

Große Hoffnung setzt die Fachwelt in das sogenannte Bioprinting, also die Herstellung von menschlichem Gewebe mit speziell dafür konzipierten 3D-Druckern. Zum einen lässt sich EZM drucken, wie man sie im klassischen Tissue Engineering benötigt.

Moderne Biodrucker

Doch moderne Biodrucker können noch mehr. Sie sind in der Lage, Biopolymere, also Makromoleküle, die von Lebewesen hergestellt werden, in beliebigen dreidimensionalen Geometrien schichtweise aufzubauen. "Das ist deshalb so interessant, weil auch unser Körper zu einem großen Anteil aus Biopolymeren besteht", sagt Karin Stana Kleinschek, Universitätsprofessorin und Leiterin des Instituts für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme der TU Graz.

Seit einiger Zeit verfügt das Grazer Institut über einen 3D-Drucker für die Herstellung organischer Materialien. Dieser kann bis zu vier verschiedene Materialien in einem einzigen Druckvorgang aufbringen. Die Größe der druckbaren Objekte ist auf 1000 Kubikzentimeter beschränkt, die maximale Auflösung der Strukturen auf 100 Mikrometer.

Biotinte für Gewebe

Wesentliches Element beim Bioprinting ist das Druckmaterial, das man auch Biotinte nennt. Es enthält einerseits Biopolymere, aber auch lebende Zellen sowie Wachstumsfaktoren und andere Biomoleküle. Weltweit wird an druckbaren Biotinten für verschiedene Anwendungen geforscht. Grundsätzlich sucht man dabei stets nach Materialien, die dem menschlichen Gewebe möglichst ähnlich sind.

In einem Projekt gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München arbeiten die Grazer Wissenschafter an der Entwicklung einer künstlichen Aorta. Das Projekt steht erst ganz am Beginn, doch das Ziel ist es, personalisierte Hauptschlagadern auf Grundlage von computertomografischen Bildern der Patienten zu drucken. Eine zentrale Anforderung dabei: Eine gesunde Aorta kann Druckunterschiede im Kreislaufsystem aufgrund ihrer elastischen Deformierbarkeit ausgleichen. "Was wir bis jetzt drucken können, ist viel zu fest", meint Stana Kleinschek. "Wir müssen deshalb zuerst verstehen, wie deformierbar welche Materialien unter Druck sind."

Ganz ohne synthetische Materialien wird es vermutlich auch in absehbarer Zukunft nicht gehen. Denn Biopolymere sind chemisch polar und damit wasserlöslich. Strukturen wie Blutgefäße müssen aber dicht sein. Ein Teil der Forschung geht deshalb in Richtung Composite-Strukturen aus Bio- und synthetischen Polymeren. (Raimund Lang, 25.5.2021)