2014 stellten britische Wissenschafter des Nanotechnologie-Unternehmens Surrey Nanosystems die bis dahin dunkelste Substanz der Welt vor. Das "Vantablack" getaufte Material aus gerichteten Kohlenstoffnanoröhren absorbierte im Test 99,96 Prozent des einfallenden Lichts. Doch der Rekord hielt nicht lange: Schon wenige Monate später stellten Forscher ein noch schwärzeres Schwarz vor. 2019 schließlich wurde auch dieses Schwarz von einer am MIT entwickelten Substanz buchstäblich in den Schatten gestellt.

Vor wenigen Wochen hat ein Team der Purdue University in West Lafayette (Indiana) seine Entsprechung am anderen Ende der Helligkeitsskala vorgestellt. Das aus Bariumsulfat bestehende Weißpigment strahlt 98,1 Prozent des einfallenden Lichts zurück. Da davon auch Infrarotlicht betroffen ist, können mit diesem Weiß bestrichene Fläche kühler werden als ihre Umgebung.

Zehn von einer Million Lichtteilchen

Nun haben Wissenschafter eine weitere Oberfläche mit herausragendem Reflektionsvermögen entwickelt. Das Team aus Wien und den USA fabrizierte einen Spiegel, der weniger als zehn von einer Million Lichtteilchen schluckt. Derartige Hochleistung-Laserspiegel, zwischen denen sich Licht möglichst verlustfrei hin und her bewegen kann, leisten vor allem bei extrem genaue Messungen wertvolle Dienste.

Bei der Mid-IR Spektroskopie wird Licht im mittleren Infrarotbereich dazu eingesetzt, geringste Spuren bestimmter Substanzen zu entdecken. Salopp ausgedrückt, verraten viele Moleküle ihre Anwesenheit in einem Gasgemisch dadurch, dass sich die Frequenzzusammensetzung durch die Wechselwirkung der Lichtteilchen (Photonen) mit den Stoffen auf charakteristische Weise minimal verändert.

Die speziellen kristallinen Interferenzschichten ermöglichen Spiegel mit unerreichten Eigenschaften.
Foto: Georg Winkler, Universität Wien

Nahezu perfekte Reflektion

Um diese Methode möglichst zuverlässig anwenden zu können, braucht es Spiegel, die das Licht nahezu perfekt reflektieren. "Verlustarme Spiegel sind einen Schlüsseltechnologie für viele verschiedene Forschungsfelder, sie sind das Bindeglied für so verschiedene Gebiete wie Krebsdiagnose und Gravitationswellendetektion", so der Leiter des "Christian Doppler Labors für Mid-IR Spektroskopie und Halbleiteroptik" an der Fakultät für Physik der Universität Wien, Oliver Heckl.

Die Grundlage für die neuen Superspiegel sind Beschichtung aus Einkristallen, die Laserlicht so störungsfrei zurückwerfen wie kein anderes Material. Die Grundlage dafür lieferten der Physiker Markus Aspelmeyer von der Universität Wien und der auch an der aktuellen Arbeit beteiligte US-Forscher Garrett Cole vor einigen Jahren. Die Entwicklung trieben sie daraufhin im Rahmen des als Spin-off der Uni Wien gegründeten Unternehmens Crystalline Mirror Solutions (CMS) voran. Die nunmehr seit einiger Zeit als "Thorlabs Crystalline Solutions" betitelte Firma ist auch als Unternehmenspartner am Doppler-Labor für Mid-IR Spektroskopie beteiligt.

Die neuerliche Weiterentwicklung der Technologie gelang dem Team in Zusammenarbeit mit dem National Institute of Standards and Technology (NIST) und der Universität Kansas (beide USA). Die Forscher konzentrierten sich dabei auf die Lichtfrequenzen im mittleren Infrarotbereich. Dort können nämlich auch Unterschiede zwischen einander relativ ähnlichen Molekülen gemessen werden.

Spezielle Kristalle

Für die Spiegel ließen die Wissenschafter die speziellen Kristallschichten wachsen und verlagerten sie dann im Rahmen des neu entwickelten Verfahrens auf gekrümmte Siliziumoberflächen. Herausgekommen ist ein Reflektor, der zehntausend Mal weniger Photonen einfängt als ein handelsüblicher Spiegel. Bei bisher in der Forschung verwendeten Spiegeln würden immerhin noch zehn bis hundertfach höhere Verluste auftreten, schreiben die Forscher im Fachjournal "Optica".

Neben denkbaren Anwendungen in der Krebsfrüherkennung oder bei der herausfordernden Suche nach Methan-Lecks in großen Erdgasförderanlagen, haben die Forscher bei Tests der Spiegel-Prototypen auch einen neuen Effekt gefunden, der zur Absorption in derartigen Halbleiterstrukturen führt. "Diese Ergebnisse geben uns tolle Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Spiegel", so der Ko-Autor der Arbeit, Lukas Perner. (red, APA, 18.5.2021)