In Taiwans Hauptstadt Taipeh sind wieder Desinfektionstrupps in der U-Bahn unterwegs.

Foto: EPA / Ritchie B. Tongo

Lange konnte man aus Europa neidvoll nach Asien blicken, wo viele Länder das Coronavirus seit Monaten im Griff hatten. Jetzt aber rollt eine neue Welle durch den bevölkerungsreichsten Kontinent. Während hohe Infektions- und Todeszahlen in Indien seit Wochen die Covid-Schlagzeilen in und aus Asien dominieren, sind auch viele andere Regionen betroffen – und zwar nicht nur Indiens Nachbarländer.

Taiwan, wo Covid-19 bis vor wenigen Wochen noch als so gut wie überwunden galt, stellt ab Mittwoch den Schulbetrieb auf Online-Lernen um. Fast 1.000 Neuinfektionen in der vergangenen Woche zwangen die Regierung in dem Inselstaat zu der drastischen Maßnahme. Das sind insgesamt fast die Hälfte aller Ansteckungen in dem Land seit Beginn der Pandemie. In absoluten Zahlen ist das, etwa verglichen mit Österreich, immer noch wenig, aber der Trend geht rasch nach oben.

Cluster in Thailands Gefängnissen

Japan hat soeben den Notstand verlängert. Besorgniserregend ist auch die Situation in Thailand, das im Jänner 2020 das erste Land überhaupt war, wo das neuartige Virus außerhalb Chinas festgestellt wurde. Im vergangenen Jahr konnte das Land das Virus relativ gut unter Kontrolle halten, auch wenn der Tourismus stark gelitten hat. Seit April ziehen die Zahlen aber an. In der vergangenen Woche kam es zu einem starken Anstieg, der vor allem auf Cluster in Gefängnissen in Bangkok zurückgeht. Besonders pikant ist, dass in jenen Gefängnissen politische Aktivisten der Proteste vom vergangenen Jahr einsitzen.

Im Nachbarstaat Kambodscha gab es einen ähnlich starken Anstieg ab April, gefolgt von Laos wenige Wochen später. In Vietnam steigen die Zahlen seit Mai – wenn auch dort die absoluten Zahlen der Neuansteckungen gering sind. Vietnams Premier Pham Minh Chính warnte, dass die politische Stabilität gefährdet sei, wenn der neueste Ausbruch nicht eingedämmt werden könne.

Diese zweite Covid-Welle ziehe sich nun durch ganz Asien, sagte Abhishek Rimal von der International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC) gegenüber dem "Time"-Magazin vor wenigen Tagen. Sie verbreite sich von Südasien hin nach Südostasien.

Tödliche Welle

Die tödliche Welle hat bereits das Gesundheitssystem in Indien zum Erliegen gebracht. Rund 280.000 Tote musste das Land in Südasien bisher verzeichnen. Auch Indiens Nachbarn Nepal, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka sind mittlerweile von der Welle erfasst. Das kleine Himalaja-Land Nepal verzeichnet aktuell eine der höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen weltweit, und das bei einem ohnehin unzureichenden Gesundheitswesen.

Manche Länder wie Thailand oder Singapur haben daher ihre Grenzen für Reisende aus jenen Ländern geschlossen. Auch die Errichtung einer Reiseblase zwischen Hongkong und Singapur musste auf Eis gelegt werden. Eigentlich sollten diese Woche quarantänefreie Flugreisen zwischen den zwei Metropolen starten. Doch der starke Anstieg in Singapur hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Falsche Sicherheit

Ein weiteres asiatisches Land, das noch im vergangenen Jahr für seinen Erfolg in Sachen Pandemiebekämpfung gefeiert wurde, ist an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen: die Mongolei. Das zentralasiatische Steppenland verzeichnete im April, gemessen an seiner Einwohnerzahl, die höchsten täglichen Neuansteckungen in Asien.

Die Gründe für den plötzlichen Anstieg in Asien sind vielfältig. Einerseits haben sich viele Länder bereits in falscher Sicherheit gewiegt. Vielerorts wurden große Festivals und Feste gefeiert, während sich neuartige Mutationen rasch verbreiten konnten. Eines der Hauptversäumnisse ist wohl auch der langsame Impffortschritt vieler Länder. Das gilt sowohl für ärmere Länder, die nur schwer an Impfdosen kommen, als auch für Industriestaaten wie Japan, Taiwan oder Singapur. Auch Indien hatte es verabsäumt, die Impfkampagnen rechtzeitig voranzutreiben, obwohl das Land einer der größten Impfstoffhersteller weltweit ist.

Taiwan hat nun seine Diplomaten mobilisiert, um rascher an Vakzine zu kommen. Bisher sind bloß 300.000 Astra-Zeneca-Dosen in dem Land mit 23 Millionen Einwohnern angekommen. Anders erging es Bhutan. Das kleine Königreich im Himalaja stellt eine Ausnahme in der Region dar. 760.000 Menschen leben dort, bisher verzeichnete das Land bloß einen Corona-Toten, innerhalb von nur zwei Wochen wurden Anfang April über 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft. Den Impfstoff hatte Indien gespendet. (Anna Sawerthal, 18.5.2021)