Gut sieben Monate währte die Durststrecke der Gastronomie. Die Sehnsucht der Österreicher auf ein Schnitzel beim Wirt ist entsprechend groß. Viele sind der eigenen Küche ebenso überdrüssig wie eilig gelieferten lauwarmen Essens aus Kartons und Plastiktellern. Ob Dorfwirt oder Stadtbeisl, für die ersten Tage nach dem Lockdown ist die Gastronomie gut gebucht. Spielt das Wetter mit, dürfte vielerorts kaum ein Tisch freibleiben – wobei es deren indoor wie outdoor aufgrund strenger Abstandsregeln deutlich weniger gibt.

Heute, am 19. Mai dürfen Gastronomen quer durchs Land wieder aufsperren. Staatliche Förderungen an sie laufen erst Ende Juni aus. Bremst das die Lust auf den Neustart? Peter Dobcak, Obmann der Gastronomie in der Wiener Wirtschaftskammer, rechnet damit, dass 90 Prozent der Betriebe öffnen und ihre Mitarbeiter schrittweise aus der Kurzarbeit holen. Auf kleiner Flamme koche oder geschlossen halte nur, wer auf internationale Touristen oder Großveranstaltungen angewiesen sei.

Gast wie Gastwirt müssten sich an die Regeln halten, mahnen Branchenvertreter.
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Kein Leben kehrt vorerst in die Nachtgastronomie zurück. Sie liegt seit mehr als einem Jahr im Koma. Denn Sperrstunde ist vorerst um 22 Uhr. Ausgehen bis in die Morgenstunden sollte ab Juli wieder erlaubt sein. Dieser Plan halte freilich nur, wenn sich Gast wie Gastwirt an die Regeln halten, warnt Mario Pulker, Obmann der Branche.

Scharfe Kontrollen?

"Schwarze Schafe gefährden weitere Lockerungen." Keiner möge riskieren, dass große Feiern wie Hochzeiten weiter Zukunftsmusik seien. Pulker erinnert daran, dass die Stadt Wien eine eigene Truppe dafür abstelle, um die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen zu kontrollieren. Auch Gäste würden den Behörden Schlampereien bei Abständen und Tests wohl melden.

Der Schlüssel für den Eintritt ins Beisl sind Tests und Impfungen. Die Freude der Wirte nicht überschäumen lassen Schnelltests im Lokal. 99 Prozent werden es anbieten, im Wissen, dass ihnen die personellen Ressourcen dazu fehlen, gibt Dobcak zu bedenken. Tests im Restaurant sollten die Ausnahmen bleiben, appelliert er an Gäste – und hofft, dass den Wirten Grundsatzdebatten über Sinn und Unsinn der Corona-Maßnahmen erspart bleiben.

Viele Lokale seien bald bummvoll. Mitarbeiter müssten sich neu einarbeiten, die Herausforderungen in den kommenden Wochen seien groß genug – da habe keiner Zeit, sich auch noch mit den Nasenbohrertests im eigenen Haus herumzuschlagen, ergänzt Pulker.

Ausreichend Personal bereit zu stellen sei für viele Betriebe eine Herausforderung, heißt es.
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Kein leichtes Unterfangen ist es für viele Betriebe, ausreichend Personal bereitzustellen. 250.000 Mitarbeiter waren von den Lockdowns betroffen, gut 150.000 waren in der Kurzarbeit. Der Rest ging, nicht zuletzt auch saisonbedingt, stempeln. Viele wechselten daraufhin in andere Branchen, der Zustrom an Fachkräften aus dem Ausland versiegte. Manch Gastwirt stünde fast allein da, erzählt Dobcak. Wie man so den Betrieb schupft? "Irgendwie weiterwurschteln." Was anderes bleibe einem da nicht übrig.

Staatliche Hilfe erwartet sich die Branche auch über den Sommer hinaus. Gespräche mit dem Finanzministerium über ein neues Paket für Kurzarbeit laufen. Auch was Stundungen und Überbrückungsfinanzierungen betrifft, wird mit der Regierung und Banken an Lösungen gefeilt. Denn ins alte Leben vor der Pandemie sieht sich die Branche ohne internationale Touristen, große Veranstaltungen und gute Mittagsgeschäfte so rasch nicht zurückkehren. Letztere bleiben durch das anhaltende Homeoffice mager.

Preisspirale als Todesstoß

Was die Preise auf den Speisekarten anbelangt, zeigen Gastronomen keine Ambition, sie zu senken. Im Gegenteil. Die Preisspirale nach unten bedeute den "Todesstoß" für die Branche, glaubt Pulker. Er hofft, dass die Senkung der Mehrwertsteuer übers Jahr hinaus verlängert wird. "Ich warne davor, diese als Nachlass an Gäste weiterzugeben", betont auch Dobcak. Hebe die Regierung die Senkung auf, stiegen Preise für Speis und Trank in jedem Fall.

Bleiben die Menschen im Inland oder fahren sie weg? Die Buchungslage werde von "Tag zu Tag besser", heißt es.
APA/Barbara Gindl

Auch die rund 15.000 Beherbergungsbetriebe haben sich intensiv vorbereitet – mit Präventionskonzepten, Covid-Beauftragten und den Registrierungsdetails. Die Gäste dürften sich auf einen ersten Besuch freuen, quer durch die Bundesländer berichteten Branchenvertreter von einer recht guten Buchungssituation. "Die Buchungslage wird von Tag zu Tag besser", sagt Martin Stanits, Sprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Er geht davon aus, dass "deutlich mehr Betriebe aufsperren als zu bleiben werden". Neben der Vorfreude, die überwiege, bestehen aber auch Sorgen, unter anderem darüber, wie sehr sich die Öffnung für Betriebe überhaupt wirtschaftlich rechne. Strengere Abstandsregeln und Reisebestimmungen, die den Auslandstourismus stark einschränken, dürften es schwermachen, dass die Öffnung von Beginn an rentabel ist, sagt Stanits und fordert ebenfalls eine Verlängerung der Hilfen.

Aufschwung der Wirtschaft

In Österreich sollte die Öffnung von Gastronomie und Hotellerie der Wirtschaft weiteren Schwung verleihen, zeigt sich Gernot Blümel (ÖVP) gut gestimmt. Bis zu 20 Milliarden Euro mehr Wertschöpfung als derzeit seien möglich, sagt der Finanzminister. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger stimmt in das Frohlocken ein: In der Ferienhotellerie sei die Buchungslage bis nach August schon wieder gut, sagt die ÖVP-Ministerin und betont den Beitrag der Regierung: "Um den Gästen die Einhaltung der Zutrittsvoraussetzungen zu Hotels und Restaurants zu erleichtern, wird es Gratistests in den öffentlichen Teststraßen auch für ausländische Touristen geben." Auch für die Betriebe wurden Testkits in Aussicht gestellt.

Reibungslos verläuft das nicht, beklagt ÖHV-Mann Stanits. Ihn erreichen Nachrichten von Unternehmern, die fragen, wo die Testkits bleiben. So habe ein großer Betrieb 20 Testkits bekommen. "Das reicht für einen Vormittag", sagt Stanits. "Es ist unnötig, so zu arbeiten", kritisiert er und fordert zudem Lösungen mit Drittländern. Zwar sei es erfreulich, dass Gäste aus den EU-Ländern kommen können, aber "wir brauchen Gäste aus Russland, Amerika und den asiatischen Ländern".

Ob in den Städten im Sommer eine Auslastung von 30 Prozent erreicht wird, oder mehr sei offen. Gut möglich, so der ÖHV-Mann, dass ältere bereits Geimpfte sich für einen Aufenthalt in Wien entscheiden. (Verena Kainrath, Regina Bruckner)