Der Premieren-Reigen am Burgtheater startet heute mit "Fäulein Julie" im Akademietheater (im Bild: Sarah Viktoria Frick als Kristin).

Foto: Susanne Hassler-Smith

Nach über einem halben Jahr heben sich an Österreichs Bühnen heute die Vorhänge wieder. In dichter Folge gehen Inszenierungen an den Start. Bereits im Jänner hatte das Burgtheater nach eigenen Angaben sieben fertig geprobte Arbeiten im Talon und hoffte auf Öffnungen. Wenn es gar nicht anders ginge, so Direktor Martin Kušej damals, müsse man in Sachen Streaming weitersehen. Doch viel ist nicht geschehen.

Bis auf die Silvesterpremiere Die Maschine in mir und den einmalig gezeigten Richard II. ließ das größte Sprechtheater des Landes die Finger von digitalen Aufführungen. Dass Kušej das Streamen nicht ganz grün war, verhehlte er nie. "Theater ist in unseren Augen ein besonderes Medium, das im Moment stattfindet", hieß es auf Anfrage.

Doch darf sich ein Theater dieser Größe und Relevanz so einfach aus der Affäre ziehen? Die Optik war jedenfalls nicht die beste, wenn man betrachtet, wie entschieden sich Häuser andernorts für Online-Premieren eingesetzt haben, etwa das Landestheater Linz mit dem neuen Label "Netzbühne", das seinem Publikum in dieser Saison ganze zehn Neuinszenierungen digital angeboten hat. Von deutschen Bühnen ganz zu schweigen, zuletzt etwa das Schauspielhaus Leipzig mit einer spannenden Verzahnung von Bühnenraum und Outdoorfilm in Lukas Rietzschels Stück Widerstand.

Großer Innovationsschub

Zwar hat das Burgtheater mit Probeneinblicken, Lesungen und Trailern intensiv vertröstet, Inszenierungen aber hielt man unter Verschluss.Nun lassen sich Häuser unterschiedlicher Länder, Gesetzeslagen, Größe und Ausrichtung nicht eins zu eins vergleichen. Ein jedes hat eine eigene Pandemierezeptur entwickelt. Doch zählt Österreichs Staatstheater deutlich zu jenen Bühnen, die an dem einmal eingeschlagenen Weg festgehalten und sich so auch gegen einen Innovationsschub entschieden haben, der den Theaterbetrieb erfasst hat. Schon jetzt ist absehbar, dass es Theater künftig vielfach in Hybridformen geben wird: vor Ort, aber als Supplement auch digital. So lässt sich etwa neues (fernes) Publikum erschließen.

Fürs Erste aber wird nun der Burgtheater-Traum vom analogen Premierenfeuerwerk wahr, beginnend heute mit Fräulein Julie im Akademietheater. Dass ausgerechnet das große Haus am Ring zum Öffnungszeitpunkt wegen großer Sanierungsarbeiten verschlossen bleibt, bessert die Optik nicht. Bundestheater-Geschäftsführer Christian Kircher versicherte, es wäre aufgrund europaweiter Ausschreibungen nicht möglich gewesen, die Arbeiten vorzuziehen. Und weiter zurückliegend, im Winter, hätte man noch mit einem möglichen Spielstart gerechnet. Pech ist dafür kein Ausdruck. (Margarete Affenzeller, 18.5.2021)