Schon wieder nicht den Jackpot geknackt: In "Army of the Dead" haben die Untoten nicht nur die Spielautomaten übernommen.

Foto: Netflix

Viva Las Vegas! In starkem Kontrast zu Elvis’ fröhlichem Evergreen über lange Nächte in der Spielerstadt spult der Vorspann dieses Films Bilder ab, in denen der Spaß eindeutig morbider Art ist. Ein Sänger in Liberace-Montur wird von einer Horde knapp bekleideter, aber umso blutrünstigerer Tänzerinnen angefallen, an den Spielautomaten hängen zwar die üblichen Figuren ab – diesen quellen aber unschön ihre Eingeweide aus den Körpern heraus. Ein ganzer Film läuft da in wenigen Minuten ab, verdichtet zur satirisch überzeichneten Gewaltexplosion. Die Casino-Metropole ist am Ende so unansehnlich wie ihre Bewohner. Rien ne va plus.

Pures Grand Guignol

Das Zombie-Genre hat sich im Grunde schon immer damit befasst, welche gut eingeübten Reflexe der Menschheit nach einer Pandemie übrig bleiben. Da böte doch Las Vegas, wo Spieltrieb und Geldgier eine glückliche Ehe führen, die besten Voraussetzungen. Doch Army of the Dead hat nicht viel übrig für die gesellschaftspolitischen Anspielungen, die in George A. Romeros legendärer Zombie-Filmreihe (Night of the Living Dead) zu finden sind. Er zelebriert zunächst einmal pures Grand Guignol.

Netflix

Dabei hat sich Zack Snyder einst selbst mit seinem Romero-Remake von Dawn of the Dead (2004), seinem bis heute besten Film, einen Namen gemacht. Für die nunmehrige Rückkehr zu den Untoten bekam der US-Regisseur, der seit seinem Historiengemetzel 300 für eine Ästhetik hochstilisierter Actionfuriosi steht, von Netflix eine Art Carte blanche. Die gute Nachricht ist, dass sein Hang, erzählerischen Leerlauf mit überpolierter und zugleich exzessiver Gewalt in Zeitlupen und im Zeitraffer zu kompensieren, hier etwas abgemildert ist.

Army of the Dead nimmt stärker Anleihen an den Actionfilmen von John Carpenter, er möchte hemdsärmeliger und proletarischer wirken – ein wenig so, als wollte Snyder ein Heist-Movie wie Ocean’s Eleven in eine postapokalyptische Ödnis überführen, in der "ehrliche" Haudraufs ihre Fähigkeiten mit Säge und Schnellfeuerwaffe demonstrieren. Wofür oder wogegen man ist? Zuallererst für sich selbst. Hier wird einmal nicht die Welt gerettet.

Ein Tresor von Herrn Wagner

Ganz ohne Protzerei geht es aber dann doch nicht. Ein B-Movie, das mit sich im Unreinen ist, erkennt man daran, dass es länger als 85 Minuten dauert. Army of the Dead zählt 148 Minuten. Es braucht eine gute Stunde, bis der im Zombie-Schlachten erfahrene Burgerkoch Scott Ward (Ex-Wrestler Dave Bautista) sein Team zusammenhat, mit dem er den größten Safe in Vegas knacken soll, in dem 200 Millionen Dollar lagern – genug Geld für ein Sequel!

Weil der Tresor allen Ernstes Götterdämmerung heißt – ein Herr Wagner hat ihn gebaut –, empfiehlt sich auch ein deutscher Spezialist mit Hang zum lästigen Nachfragen (Matthias Schweighöfer im Christoph-Waltz-Modus). Der Rest der Truppe ist hartgesotten, ansehnlich wie gut gegerbtes Leder, besonders Omari Hardwick und Samantha Jo stechen hervor. Scotts Tochter (Ella Purnell) bringt Familienspannungen mit. Und dann gibt es natürlich noch die, die sich mit unlauteren Motiven einschleichen, denen man deshalb einen möglichst qualvollen Tod wünscht.

Zeitgeist mag man in Army of the Dead daran erkennen, wie sich der Film Überleben nach der Katastrophe ausmalt. Vor allem im Zombielager gibt es Mutationen. Ein sibirischer Tiger aus dem Privatzoo Siegfried und Roys ist noch als untotes Wesen eine erhabene Erscheinung. Doch auch unter den menschlichen Wiedergängern finden sich Unterschiede: Während die plebejischen Varianten wie Schaufensterpuppen im Halbdunkel schlummern, hat sich eine schnellere Alpha-Form mit Schwarmintelligenz herausgebildet, die sich im Olympus-Tower wie eine archaische Kriegerkaste formiert.

Feind im Inneren

Army of the Dead ist letzthin zu schwerfällig und rudimentär, um aus dieser Idee viel mehr herauszuschlagen, als dass die Eingreiftruppe rund um Scott Ward mit diesen Mutanten ein gewisses Stammesethos teilt. Dem B-Movie-Regelwerk bleibt er insgesamt jedoch treu: Die wahren Herausforderungen liegen bei den Feindeslinien im Inneren der Truppe, die nicht gleich zu erkennen sind. Das verleiht dem Film, der auf Schleichwege und ein Aufsplittern von Handlungsräumen setzt, genug Spannung, selbst wenn man einige Twists erahnen kann. Denn richtig originär sind sie im seltensten Fall.

Das Produktionsdesign, die Trümmerwelt von Las Vegas, liefert den eigentlichen Augenschmaus des Films. Die zerstörte Architektur der Casino-Fake-Bauten verströmt Melancholie, und sie ist wie gemacht, um als Königreich einer verdammten Spezies zu dienen. Sogar Snyders Neigung zu mythologischen Anspielungen, die bis zu visuellen Motiven wie einem abgetrennten Medusa-Kopf reichen, ist in dieser Umgebung gut aufgehoben.

Wer sich eine raffinierte Revision des Zombietums erhofft, wird am Ende enttäuscht sein. Als grobschlächtiges Mashup erfüllt Army of the Dead aber immerhin seinen Zweck. (Dominik Kamalzadeh, 19.5.2021)