Es ist sechs Uhr früh, und die ersten Gäste stehen vor der Academy Bar in Salzburg. Für einige ist es ein Déjà-vu. Schon im letzten Jahr sperrte das Szenelokal im Andräviertel auf der rechten Salzachseite nach dem Lockdown im Mai in den frühen Morgenstunden auf, um die Gäste noch vor dem regulären Arbeitstag zu bewirten.

An diesem Mittwochmorgen sind rund 20 Gäste schon zur Wiedereröffnung in der Bar. "Im Vorjahr gab es ab sechs Uhr früh die Möglichkeit, wieder aufzusperren. Wir haben immer gesagt, sobald wir dürfen, sperren wir wieder auf. Und das haben wir auch heuer gemacht", erklärt Barbetreiber Philipp Zezula die frühen Öffnungszeiten.

Neben vielen Verlängerten und Cappuccinos gehen auch schon etliche Bier über den Tresen. Als Draufgabe gibt es noch frische Croissants aufs Haus.

Philipp Zezula serviert schon in den frühen Morgenstunden Verlängerte, Cappuccinos und ein paar Bier.
Stefanie Ruep

Neue Gäste bleiben an der Eingangstüre stehen und holen ihren Test- oder Impfnachweis aus der Tasche. "Geimpft, getestet oder genesen?", hört man den Barchef mehrmals fragen. Auch kein großes Problem, erklärt Zezula, denn etliche Gäste seien ohnehin schon geimpft, da viele im Sozialbereich tätig seien. Die morgendlichen Barbesucher setzen sich mit der Maske im Gesicht an einen Tisch, und der Barbetreiber bringt einen Zettel für die Gästeregistrierung an den Platz, während er die Bestellung aufnimmt.

Gegen sieben Uhr morgens ist bereits jeder Platz in der Bar besetzt – auch wenn in der Vorwoche noch der Betriebsurlaub der Academy Bar ab dem 19. Mai auf einer Kreidetafel vor dem Lokal verkündet wurde. Das Schild mit seinen witzigen tagesaktuellen Sprüchen hat schon weit über die Salzburger Stadtgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt. Am Eröffnungstag ist hier zu lesen: "Betriebsurlaub durch den VfGH gekippt. Exekution der Bierausgabe an unsere Gäste am 19. Mai ab 6 Uhr früh!"

Aus dem Betriebsurlaub ist nichts geworden.
Stefanie Ruep

Auch wenn manche Auflagen wie verpflichtende Tests oder Wirtschaftlichkeit so manchen im Vorfeld Sorgen bereiteten: Freude ist weithin zu spüren – endlich kann es nach mehr als sechs Monaten wieder ins Gasthaus oder ins Café gehen. Bereits um fünf Uhr in der Früh öffneten bundesweit vereinzelt Lokale, die sich neben Besuchern auch über großes Medieninteresse freuen durften.

Wer allerdings glaubt, dass nach gut einem halben Jahr Gastro-Entzug die Masse zum Angriff auf die Kaffeehäuser bläst, wurde etwa im oberösterreichischen Enns enttäuscht. Am Stadtplatz selbst waren die überdachten Gastgärten weitgehend unbesetzt. Die freie Platzwahl setzte sich dann im Rauminneren fort. Der Gasthof Zum Goldenen Schiff war an diesem verregneten Tag der Wiedereröffnung zwar gut besucht, aber von einem regelrechten Ansturm konnte man nicht sprechen. "Alles sehr überschaubar. Unsere Stammgäste sind gekommen", erzählt Wirt Wolfgang Brunner im STANDARD-Gespräch. Die Drei-G-Eingangskontrollen seien kein Problem: "Die Stammgäste sind fast alle Pensionisten. Also alle geimpft. Da brauchst nicht viel kontrollieren."

Es hat nicht sollen sein

Man hätte zwar können dürfen, wenn man gewollt hätte, aber mit dem ersten Schanigartenbesuch seit Monaten war's dann wohl doch nichts an diesem ersten Öffnungstag. Der fiel buchstäblich ins Wasser, zumindest hier im Süden in Graz und auch in großen Teilen Kärntens. Einige alte Haudegen ließen sich zwar nicht davon abhalten, schon früh am Vormittag in überdachten Beisl-Schanigarten in der City ein "Gösser-Frühstück" einzunehmen, die Gastgärten blieben aber zum überwiegenden Teil auch wegen der Kälte leer. " Es läuft halt ganz langsam an, was auch gut ist, wir müssen uns alle wieder eingewöhnen", sagt Franz Grossauer, Chef einer Restaurant- und Gasthauskette, zu der unter anderem El Goucho, Schloßberg, Genießerei oder Gösserbrau zählen.

In Graz fiel der erste Öffnungstag ziemlich ins Wasser.
Foto: Walter Müller

Indoor sehe die Situation jedenfalls anders aus, sagt Grossauer. "Alle Betriebe sind voll ausreserviert." Eine ausgezeichnete Buchungslage melden so ziemlich alle Grazer Restaurants und Gasthäuser – auch in den Bezirken. Und selbst in den Cafés oder Konditoreien wie in Kristinas Meisterkonditorei beim Kaiser-Josef-Platz tröpfeln an diesem verregneten Öffnungstag – indoor – wieder erste Stammgäste ein. Dies trotz Registrierungspflicht und strenger Eintrittskontrolle. Dass die Lust auf den ersten Gasthausbesuch sehr präsent ist, ist wohl auch an den ungewöhnlich langen Warteschlangen an den innerstädtischen Testorten in den Grazer Apotheken abzulesen.

Beim Betreten des Café Brennpunkt in Innsbruck ist hingegen das graue Regenwetter sofort vergessen. Denn drinnen strahlt Kellnerin Dani wie die Sonne. "Ich war richtig euphorisch heute Früh, als ich mich für die Arbeit fertiggemacht habe", erzählt sie. Ihrem Chef und Lokalbesitzer Julian Schöpf geht es ähnlich. "Am meisten freut es mich, endlich wieder die bekannten Gesichter zu sehen, wieder Leute zu treffen", erzählt er.

Dabei waren die vergangenen Wochen alles andere als ruhig für ihn. Neben seinen beiden Kaffeehäusern betreibt er auch eine Rösterei und beliefert andere Betriebe kaffeetechnisch. Im Vorfeld der heutigen Wiedereröffnung hatte er daher viel zu tun: "Damit alle wieder startklar sind." Seine 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte Schöpf dank Kurzarbeitsregelung halten. "Ich bin seit der Eröffnung vor drei Jahren dabei und habe hier meinen Traumjob gefunden. Ich will hier in Pension gehen, darum freut mich die Wiedereröffnung ganz besonders", sagt Kellnerin Dani und zeigt auf die Gänsehaut, die ihr der Tag bereitet.

Im Café Brennpunkt war es in den vergangenen Wochen alles andere als ruhig.
Foto: Steffen Arora

Bei den Gästen scheint die Freude eher verhalten. Kurz nach acht Uhr ist noch wenig los im Bogenlokal. Nur drei Tische sind besetzt. Die Registrierung erfolgt ganz einfach via Smartphone und QR-Code, wer das nicht will, erhält an der Theke ein Formular zum Ausfüllen. Bis 22 Uhr ist das Café Brennpunkt ab Mittwoch wieder geöffnet.

Ab kommender Woche plant Chef Schöpf wieder sechs Tage Öffnung in seinen Lokalen. Und bis dahin, so hofft er, wird auch das Wetter besser und damit die kleine Terrasse vorm Café benützbar. Wer die Kaffeespezialitäten der Innsbrucker Rösterei verkosten will, hat dazu nun auch in Wien Gelegenheit. Denn Schöpf nutzte die Zwangspause, um zu expandieren. Ein Partner eröffnet dieser Tage am Währinger Gürtel das "Quartier", das mit den Tiroler Kaffeespezialitäten aufwartet.

Ludwig und Ruck gingen frühstücken

In Wien zeigte sich auch die Spitzenpolitik medienwirksam in Wirtshauslaune. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ging mit dem Wiener Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Ruck frühstücken. Gegen neun Uhr früh genossen sie Kaffee, Semmerln und Co im Café Frauenhuber im ersten Bezirk.

Beide zeigten sich naturgemäß über das Ende des Corona-bedingten Betretungsverbots erfreut – und äußerten Zuversicht, dass kein weiterer Lockdown notwendig sein wird. Lob gab es unter anderem auch für die Wiener Bevölkerung, die sich an die strengen Regeln gehalten habe. Dadurch sei der Rückgang bei den belegten Spitalsbetten schneller erfolgt, so Ludwig. "Es ist wirklich ein schöner, ein großer Tag", stellte auch Kammerpräsident Ruck fest.

Michael Ludwig und Walter Ruck, sichtlich gut gelaunt.
Foto: APA/Roland Schlager

In der Gastrobranche herrscht dennoch noch eine gewisse Unsicherheit, wie gut das Geschäft jetzt laufen wird. Branchenvertreter hatten bei der Regierung schon im Vorfeld der Öffnung appelliert, dass die Hilfszahlungen nicht schlagartig enden dürften. Auch ein altes Thema kocht – zumindest außerhalb Wiens – wieder hoch: Neben der Unsicherheit über die Akzeptanz der Corona-Maßnahmen plagt die Branche die Sorge über genügend Mitarbeiter.

Wirklich motiviert, wieder zu arbeiten, seien viele in Österreich nicht, sinnieren zwei Manager aus der Betriebsgastronomie, die sich zur Feier des Tages den ersten Kaffee im ersten Wiener Bezirk nach dem Lockdown gönnen. Es sei schwierig, das Personal zu mobilisieren, die Kurzarbeit zu beenden. "Viele haben sich daran gewöhnt, ihren Lebensstandard runterzuschrauben." Andere, die in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, hätten sich umschulen lassen und suchten in anderen Branchen ihr Glück.

"Endlich wieder offen, endlich wieder Arbeit." Herr Clemens vom Café Central in der Wiener Innenstadt weist den ersten Gästen, die sich in den frühen Morgenstunden noch ein wenig vorsichtig dem Kaffeehaus annähern, den Weg ins Innere. Drei Stunden habe er diese Nacht nur geschlafen: "Ich bin einfach aufgeregt. Aber sollte was schiefgehen, machen wir's morgen besser." (ruep, ars, mro, rebu, vk, mue, 19.5.2021)