Der österreichische Kandidat Vincent Bueno singt auch für die philippinische Community, die in Europa zu wenig Sichtbarkeit hat.

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Am Mittwoch und Donnerstag wird Vincent Bueno um die Gunst der Jurys und des Publikums werben. Sein Song Amen ist eine hymnische Ballade, geschrieben von einem Komponistenteam rund um den Schweizer Produzenten Pele Loriano, der schon einige Song-Contest-Songs herausbrachte.

Eigentlich schreibt Vincent Bueno seine Songs selbst. Etwa Alive, eine funkige Uptempo-Nummer, die er für den abgesagten Contest 2020 vorbereitet hatte. Doch der ORF und der Sänger aus Wien entschieden sich, 2021 auf das eingespielte Zürcher ESC-Team zu setzen.

Bei den Proben in Rotterdam setzt Vincent Bueno auf eine reduzierte Inszenierung. Der Wiener Artistic Director Marvin Dietmann, der dieses Jahr insgesamt sieben Länder betreut, stellt ihn in einem von Licht dominierten Raum, ohne viel LED-Einsatz oder Pyro. Bueno hat Erfahrung mit TV-Shows. 2008 gewann er die ORF-Sendung Musical! Die Show. Seitdem war er vor allem auf Musicalbühnen zu Hause. Voriges Jahr veröffentlichte er ein Album.

Am Mittwochabend muss er die Jurys überzeugen, am Donnerstag im TV-Semifinale das Publikum. Ein Gespräch fand nach den ersten beiden Proberunden statt.

STANDARD: Du hast die Proben jetzt hinter dir. Am Mittwoch und Donnerstag geht es los mit dem Semifinale. Fühlst du dich auf der Bühne in Rotterdam schon zu Hause?

Bueno: Ich kann es genießen. Wir Sänger tendieren manchmal dazu, zu detailliert und nerdig zu werden. Das Wichtigste für mich ist jetzt, zu fokussieren und mir zu sagen: Weniger ist mehr, und bleib bei dir.

STANDARD: Es gibt in Europa eine große philippinische Song-Contest-Fangemeinde. Singst du auch für diese?

Bueno: Auf jeden Fall. Ich habe die Ehre, mein Land Österreich zu vertreten. Ich habe zudem gleichzeitig die Gelegenheit, meine philippinische Community zu unterstützen und eine Stimme für sie zu sein. Ich bin Österreicher und fühle mich auch so. Ich habe aber nun einmal einen Migrationshintergrund.

STANDARD: Die philippinische Community in Europa ist unsichtbar. Die Sichtbarkeit ist dir wichtig, betonst du immer.

Bueno: Ja total. Die Community ist leider wirklich sehr unsichtbar. Sie wollte irgendwie nie auffallen. Sie waren sehr harte Arbeiter, denen man beigebracht hat, bei Konfrontationen zu schweigen. Wir sind jetzt die erste Generation, die Konfrontation auch lernt. Wir haben jetzt durch die Pandemie auch Hass gegen Asiaten erlebt. Deswegen ist es mir schon wichtig, da eine Stimme zu sein. Gäbe es nicht die Generation vor uns, meine Eltern, die vielen Krankenpfleger und -pflegerinnen, dann wäre Europa doch sehr anders.

STANDARD: Worum geht es in deinem Song "Amen"?

Bueno: Es geht um Verlust, diesen zu akzeptieren und loslassen zu können, daraus neue Hoffnung zu schöpfen. Im Lied selber geht es ja um eine dramatische Liebesgeschichte, die zu Ende geht: zum Glück nicht meine eigene – aber ich kann mich hineinversetzen. Ich habe schon in den verschiedensten Arten erlebt, wie man sich von Nahestehenden verabschieden muss. Meine zweite, verstorbene Tochter etwa, sie wird mich immer begleiten. Ich werde sie auf die Bühne mitnehmen. Und oft denke ich an meine krebskranke Cousine, die derzeit wirklich kämpft.

STANDARD: Nimmst du diese Emotionen mit auf die Bühne?

Bueno: Es gibt keine Choreografie der Emotionen, was man wann zu spüren hat. Es geht mehr um Mut zur Verletzlichkeit auf der Bühne.

STANDARD: Dein Song, den du für den abgesagten Contest 2020 gesungen hättest, ist ja komplett anders. Wolltest du damit beweisen, dass du in keine Schublade gesteckt werden willst?

Bueno: Das Business definiert für dich oft, wer du zu sein hast. Es wird gejudgt. Ich bin aber Österreicher und Filipino, ich bin Pop- und Musicalsänger. Ich bin in vielen Welten präsent und habe so meine Familie ernähren können.

STANDARD: Apropos "gejudgt". Der Eurovision Song Contest ist ja auch Wettbewerb. Oder ist er für dich mehr ein Festival?

Bueno: Dieses Contest-Feeling kenne ich ja schon, seit ich 21 bin und in Castingshows auftrat. Dieses Kribbeln im Bauch ist da.

STANDARD: Der Contest ist ein Wettbewerb, das heißt, du musst die Menschen drei Minuten besser fangen als andere …

Bueno: Müssen ist ein Krampf, dürfen eine Gelegenheit. Wir haben die Gelegenheit, drei Minuten Menschen zu fesseln. Das ist wunderschön.

STANDARD: Aber das wollen die anderen auch …

Bueno: Vielleicht habe ich zu wenig Kämpferisches, dieses Sportliche. Aber jeder hat eine eigene Weise, sich in Topform zu bringen.

STANDARD: Zur Inszenierung deines Songs: Du, der Artistic Director Marvin Dietmann und der ORF habt euch für eine sehr reduzierte Inszenierung entschieden, die vor allem auf Lichtregie setzt und weniger auf LED-Wand-Schnickschnack …

Bueno: Wir haben alle im Team ein großartiges Vertrauensverhältnis. Jeder macht das, was er am besten kann, und der andere lässt ihn. So entstand diese Inszenierung. Auch mit dem Kostüm des weltberühmten Designers Michael Cinco, der auch philippinischen Background hat.

STANDARD: Jetzt bist du in Rotterdam und musst die Corona-Regeln befolgen, die für den Event gelten. Es gibt keine Meetings und Partys. Vermisst du sie?

Bueno: Ich bin sehr einfach gestrickt. Ich vermisse nichts und kann genießen, was mir gegeben wird.

STANDARD: Du bist ja religiös. Wir Niederländer sagen: Gott hat die Welt geschaffen, aber die Holländer Holland.

Bueno: Ich war neulich in Kinderdijk und habe die Windmühlen erst verstanden. Dass sie gebaut wurden, um das Land trocken zu halten. Das ist sehr cool. Dieses Land lebt innerhalb der Naturgewalten und lebt von der Hoffnung. (Marco Schreuder, 19.5.2021)