Franziska Giffey wird als Ministerin zurücktreten, in Berlin will sie aber weiterhin als Spitzenkandidatin für das Bürgermeisteramt kandidieren.

Foto: AFP/MICHELE TANTUSSI

Die deutsche Familienministerin Franziska Giffey (SPD) tritt zurück. Sie habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um ihre Entlassung gebeten, teilte Giffey am Mittwoch mit. Hintergrund sei die seit längerem andauernde Diskussion um ihren Doktortitel. SPD-Justizministerin Christine Lambrecht soll nun das Familienministerium bis zur Bundestagswahl mitübernehmen.

Giffey gehört seit rund drei Jahren der deutschen Bundesregierung an und war zuvor Bürgermeisterin im Berliner Bezirk Neukölln. Die Sozialdemokratin will im Berliner Rathaus bei der Abgeordnetenhauswahl im September den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) beerben und ist am 19. Mai zur Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten gewählt worden. Giffey betonte nach ihrer Rücktrittsentscheidung, sie wolle weiterhin Bürgermeisterin werden und sich nun darauf konzentrieren.

Die 43-Jährige begründet ihre Bitte zur Entlassung mit dem laufende Verfahren der Freien Universität Berlin (FU) zur Überprüfung ihres Doktortitels und die damit zusammenhängenden Debatten. Die FU hatte Giffeys Dissertation nach Plagiatsvorwürfen bereits 2019 überprüft. Sie bekam eine Rüge, der Titel wurde ihr aber nicht aberkannt. 2020 wurde die Untersuchung erneut aufgerollt, woraufhin Giffey erklärte, ihren Titel nicht mehr führen zu wollen. Noch vor Abschluss des laufenden Verfahrens will sie nun als Ministerin zurücktreten.

Posten wird nicht nachbesetzt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauerte die Rücktrittsentscheidung. "Ich nehme diese Entscheidung mit großem Respekt, aber ich sage auch: mit ebenso großem Bedauern entgegen", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. Sie habe mit Giffey sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Dafür danke sie ihr von Herzen.

Die SPD will den Posten bis zur Bundestagswahl am 26. September nicht nachbesetzen. Justizministerin Christine Lambrecht (ebenfalls SPD) soll Giffeys Amt zusätzlich übernehmen. Das teilten die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Mittwoch in Berlin mit. "Wir sind sehr stolz, dass wir mit Christine Lambrecht eine so kompetente und erfahrene Nachfolgerin für Franziska Giffey in unseren Reihen haben", so die beiden SPD-Vorsitzenden. Damit greift hier die eigentlich vorgesehene Vertretungsregelung der Bundesregierung nicht. Demnach hätte Bildungsministerin Anja Karliczek von der CDU das Familienministerium in den kommenden Monaten geführt.

FU-Verfahren im Juni abgeschlossen

Anfang Mai gab die FU bekannt, dass ihrem Präsidium inzwischen der Bericht eines neuen Prüfgremiums vorliege. Giffey habe eine Frist von vier Wochen für eine Stellungnahme erhalten. In ihrer Erklärung teilte die Politikerin am Mittwoch mit, dass sie die Frist bis Anfang Juni nutzen werde, um ihre Stellungnahme zum Prüfbericht abzugeben. Danach solle das Verfahren abgeschlossen sein.

"Ich stehe weiterhin zu meiner Aussage, dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe", meinte Giffey. "Ich bedauere, wenn mir dabei Fehler unterlaufen sind." Sollte die Universität ihr den Titel nun aberkennen, würde sie dies akzeptieren und wolle bereits jetzt die Konsequenzen aus dem "andauernden und belastenden Verfahren" ziehen.

Forderung nach weiterem Verzicht

CSU-Generalsekretär Markus Blume hält Giffeys Rücktritt als Familienministerin für unzureichend. Er findet es nicht konsequent, dass sie an ihrer Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin festhält. Auch die AfD forderte den Verzicht Giffeys auf die Spitzenkandidatur. Berlins SPD-Co-Vorsitzender Raed Saleh stellte sich hingegen hinter die 43-Jährige, die auch SPD-Landesvorsitzende in der deutschen Hauptstadt ist. (brun, APA, 19.5.2021)