Kaum ist die Sonne draußen, wird es schwer, eine freie Parkbank zu ergattern. Vor allem am Wochenende, wenn im Freien Kindergeburtstage gefeiert werden, Menschen sich zum Kartenspielen treffen oder die Verabredung zum Spazierengehen mit einem Tratscherl auf einem Bankerl beendet wird. In Zeiten der Pandemie halten wir uns mehr an der frischen Luft auf als in den Jahren zuvor. Oft bleibt keine andere Wahl: Vor allem im städtischen Raum verfügen die wenigsten über großzügige private Freiflächen. Der öffentliche Raum dient als erweitertes Wohnzimmer.

Jung und Alt finden auf Parkbänken wie hier im Burggarten Platz.
Foto: APA/Fohringer

Statt sich auf einen Kaffee im Schanigarten zu treffen, waren vor allem im Gastro-Lockdown, der diese Woche endete, nichtkommerzielle Räume gefragter denn je. "Die Einschränkungen mussten kompensiert werden", sagt die Stadtplanerin und Architektin Gabu Heindl. Der öffentliche Raum sei schon vor der Krise wichtig gewesen, er werde aber auch nach Corona weiter an Bedeutung gewinnen, ist sie überzeugt.

Erholung trotz Pandemie

Dennoch war man zu Beginn der Pandemie mit Einschränkungen konfrontiert. Viel kritisiert wurde die Sperre der Bundesgärten im Frühjahr 2020. Später sorgten das überfüllte Donaukanalufer und feiernde Jugendliche auf dem Karlsplatz für Diskussionsstoff. Heindl versteht die Aufregung um die Sperre der Bundesgärten und findet es ärgerlich, dass am Donaukanal, wo ohnehin schon Platzmangel herrschte, Einzäunungen um geschlossene Gastrobetriebe bestehen blieben.

Zu Beginn der Pandemie waren die Abstandsregeln restriktiv. In Nordrhein-Westfalen war das Sitzen auf Bänken sogar verboten. Später entwickelten sie sich zum beliebten Treffpunkt.

Foto: imago

Dass das Donaukanalufer und der Karlsplatzbrunnen häufig frequentiert wurden, wundert Heindl nicht. Beide Orte liegen am Wasser, das eine beruhigende Ausstrahlung hat. "Man erlebt in tristen Zeiten Luxus, Freude und Erholung", sagt die Architektin. Viele Menschen habe es auch dort hingezogen, um nicht allein zu sein oder das hundertste Treffen via Video abhalten zu müssen. In der anonymen Menge treffe man auf Gleichgesinnte, die auch an den Einschränkungen aufgrund der Pandemie leiden. "Die Verteufelung der jungen Menschen ist wirklich katastrophal", merkt Heindl an.

Auffallend sei in den vergangenen Monaten auch gewesen, wie Familien den Stadtraum eroberten. Es ließen sich mehr Männer mit Kinderwagen beobachten, durch Homeoffice, aber auch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit seien sie im Stadtbild präsenter geworden.

Die klassische Form der Parkbank: ein Gespräch zu dritt oder viert ist schwierig.
Foto: Standard/Cremer

Und was kann man aus den Erfahrungen der letzten Monate lernen? Zum einen warnt Heindl vor der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. So habe die Diskussion darüber, Parks zu Schanigärten umzufunktionieren, gezeigt, dass hier durchaus Gefahr besteht. Die Stadt Wien ist von der Idee zwar wieder abgekommen, weil Gastronomiebetriebe auch in Innenräumen wieder öffnen dürfen, Heindl pocht aber darauf, dass Grünflächen auch in Zukunft nicht für Ideen wie diese herhalten müssen. "Ja dazu, Wirte zu unterstützen, aber bitte auf Kosten des Straßenraums", sagt sie.

Als abschreckendes Beispiel nennt sie die Kaiserwiese im Prater, wo die Wiener Wiesn über die Bühne geht. Wiesen, Plätze, öffentliche Räume gehörten geschützt, und ihre Nutzungsform ohne Konsumzwang müsse erhalten bleiben.

Mehr Tische gefragt

Was die Aufenthaltsqualität betrifft, appelliert Heindl, noch mehr Sitzmöglichkeiten zu schaffen. Gefragt seien vor allem Bank-Tisch-Kombinationen, die eine flexible Nutzung erlauben: zum Arbeiten, Lesen, Essen, Tratschen oder Ausruhen draußen. "Ich will ins Heft schreiben genauso wie eine Suppe löffeln können. Die Tischgarnituren sind alle immer zu wenig."

Im Zuges der Umgestaltung der Neubaugasse im 7. Bezirk wurden mehr Bänke und auch Sessel ermöglicht. Tische fehlen allerdings.
Foto: STANDARD/Winkler-Hermaden

Flexible Sitzmöglichkeiten – hier setzt auch das Projekt Grätzlsitz an. Das Konzept ist einfach erklärt. Man borgt sich einen Klappstuhl gegen Kaution aus, den man im öffentlichen Raum platziert: in den Schatten, wenn es zu heiß wird, in die Sonne, wenn man es warm haben will. Im Austausch mit Freunden gruppiert man die Sessel im Kreis, um eine angenehme Gesprächssituation herzustellen.

Im Grätzl könnten so verschiedene Flächen aktiviert werden, sagt Architekt Erik Czejka, der hinter der Idee steht. Den Bewohnern werde ein Werkzeug in die Hand gegeben, um Außenräume direkt vor der Wohnung zu nutzen.

Sessel gegen Pfand ausborgen – so funktioniert das Projekt Grätzlsitz.
Foto: Lokale Agenda 21

Bisher wurde das Konzept, das mit Unterstützung der Wirtschaftsagentur Wien entwickelt wurde und von der Lokalen Agenda betrieben wird, an einem Ort in Wien umgesetzt. Auf dem Elisabethplatz im vierten Bezirk können die flexiblen Stühle im Lokal Obsthunger gegen Kaution ausgeborgt werden. "Die Idee wird gut angenommen", so Czejka. Architektur sieht er als Impulsgeber, in der Nutzung des Raumes zu experimentieren. Falsch sei es, konkrete Vorgaben zu machen: "Ihr müsst das so und so nützen." Das ist auch das, was er an klassischen Parkbänken schade findet: dass sie die Verhaltensweise einschränken. Czejka hofft, dass die Grätzlsitze wienweit etabliert werden – mit Ausleihstationen wie bei den Citybikes.

Es wird heißer

Einen weiteren Faktor, der für mehr Stadtmobiliar spricht, führt Heindl an: den Klimawandel. Die Flucht ins Freie werde an heißen Tagen weiter zunehmen. Heindl ist der Meinung, dass auch aus diesem Grund die Verteilungsfrage, wer wie viel Anspruch auf den öffentlichen Raum hat, noch deutlicher gestellt werden müsse. Das Bewusstsein, dass er "uns allen" gehört, sei in den vergangenen Monaten immerhin gestiegen.

"Im ersten Lockdown haben die Leute erst begriffen, wie viel gemeinschaftliche Fläche wir dem Auto zugestehen", sagt auch Czejka.

In der U-Bahn werden Griffe angebracht. Ein Schläfchen soll verhindert werden.
Foto: Standard/Newald

Eine Warnung spricht Heindl aus, bestimmte Personen bei der Planung außen vor zu lassen. So komme es vor, dass Stadtmobiliar auf eine Verdrängung von Benutzergruppen angelegt sei. Als Beispiel nennt sie Bänke in Bahnhofsnähe und U-Bahn-Stationen, wo mit Griffen verhindert werde, dass man sich hinlegen kann. Für ältere Menschen eine Hilfe zum Aufstehen, dient es, wenn flächendeckend eingesetzt, auch dazu, Obdachlosen Rasten und Schlafen zu verwehren. (Rosa Winkler-Hermaden, 20.5.2021)