Ratten können schnell zum Problem werden, wenn sie in ein neues Ökosystem gelangen, in dem sie keine natürlichen Feinde haben. Forscher erinnert das an die Ausbreitung von Zoonosen wie aktuell Sars-CoV-2.

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Die Abläufe bei einer Pandemie wie der aktuellen mit Sars-CoV-2 und die unkontrollierte Verbreitung von invasiven Arten folgt Forschern zufolge sehr ähnlichen Mustern. Zukünftig sollte die Verbreitung von Krankheitserregern auch durch die Brille der Invasionsbiologie betrachtet werden, denn letztlich seien es globalisierte Netzwerke und verschleppte oder in die Enge getriebene Viren, Bakterien, Tiere und Pflanzen, die große Probleme bereiten können, heißt es in der Analyse im Fachblatt "BioScience".

Gelangt etwa ein sehr anpassungsfähiges Tier wie die Ratte auf ein entlegenes Eiland, auf dem kein Tier oder Pflanze je mit einem derartigen Widersacher zu tun hatte, wird aus der Ratte eine invasive Art. Diese breitet sich in der unvorbereiteten neuen Umgebung nahezu ungehindert aus. Das hat entsprechende negative Effekte auf das gesamte Ökosystem. Ganz ähnlich verhält es sich etwa beim Sars-CoV-2-Virus, das den Sprung vom Tier auf den Mensch geschafft hat, und dann weltweit auf eine aus immunologischer Sicht gänzlich unvorbereitete – "naive" – Bevölkerung getroffen ist. Die Konsequenzen davon sind hinlänglich bemerkbar.

Erstaunliche Ähnlichkeiten

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Franz Essl von der Universität Wien hat nun angesichts der jüngeren Entwicklungen Parallelen zum Auftreten von "biologischen Invasionen" und neu auftretenden Zoonosen untersucht. Mediziner und Biologen könnten voneinander einiges lernen, zeigen sich die Wissenschafter überzeugt: Schließlich analysiere man erstaunlich ähnliche Phänomene.

In beiden Fällen gehe es um "Organismen, die sich an veränderte Rahmenbedingungen anpassen und sich ausbreiten können", sagte Essl. "Das kann gravierende und schwer vorhersagbare Konsequenzen mit sich bringen." Mit dem Management solcher Abläufe, Prognosen dazu und Risikoabschätzungen beschäftigen sich Invasionsbiologen schon seit geraumer Zeit. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde manches davon umgesetzt, was sich Experten zur Kontrolle der Eintrittspforten für gebietsfremde Arten überlegt haben, wie etwa bei der Einreise in ein Land.

Faktor Umweltschutz

Nun gelte es für alle Bereiche – von der Wissenschaft bis zur Politik – voneinander zu lernen, betonte Essl. Die menschliche Gesundheit und der Zustand, in dem sich unsere Umwelt vom Baum bis zum Virus befindet, seien eng miteinander verbunden. Man komme um den "One-Health-Ansatz" nicht herum, sagte der Wissenschafter. Gesundheitspolitik könne nur funktionieren, "wenn letztlich auch die Ökosysteme in einem Zustand belassen werden, in dem sie nicht zum Ausgangspunkt von Risiken für die Gesundheit werden".

Denn gerade beim Auftreten von Pandemien spielen menschliche Aktivitäten und Übernutzung der Natur eine wichtige Rolle: Wo beispielsweise ein Krankheitserreger keinen tierischen Wirt mehr findet, wird er versuchen, sich anzupassen und entsprechend auszuweichen. Das passierte in den vergangenen Jahrzehnten auch abseits von Sars-CoV-2 immer wieder. Essl: "Dieser integrierte Ansatz wertet auch Umweltfragen massiv auf." Denn das Erreger-Potenzial sei leider groß. "Die Erfahrungen, die wir hier im letzten Jahr gemacht haben, sollten uns eine Lehre sein, weil die Folgen von unkontrollierten Pandemien alle Kosten, die man vorbeugend investieren müsste, um ein Vielfaches übersteigen." (red, APA, 23.5.2021)