Bild nicht mehr verfügbar.

Die Pipeline ist nahezu fertiggestellt.

Foto: REUTERS

Washington – Die US-Regierung verzichtet offiziell auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und deren deutschen Geschäftsführer. In einem am Mittwoch an den US-Kongress übermittelten Bericht schreibt US-Außenminister Antony Blinken, ein Verzicht auf die Strafmaßnahmen sei "im nationalen Interesse der USA". An dem Projekt ist auch der teilstaatliche österreichische Energiekonzern OMV beteiligt.

In dem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Bericht heißt es, die in der Schweiz ansässige Nord Stream 2 AG und deren Geschäftsführer Matthias Warnig seien zwar an Aktivitäten beteiligt, die gegen ein US-Sanktionsgesetz verstoßen. Eine Verhängung von Strafmaßnahmen hätte aber "negative Auswirkungen auf die Beziehungen der USA zu Deutschland, zur Europäischen Union und zu weiteren europäischen Verbündeten und Partnern".

Kritik im US-Kongress

Der Verzicht auf Sanktionen – ein sogenannter waiver – würde zudem Raum schaffen für diplomatische Gespräche mit der deutschen Regierung über "Risiken, die eine fertiggestellte Nord-Stream-2-Pipeline für die Ukraine und die europäische Energie-Sicherheit darstellen" würde, heißt es in dem Bericht. Die Ausnahmeregelung umfasst neben Warnig die gesamte Geschäftsführung von Nord Stream 2. Die Tochter des russischen Energieriesen Gazprom ist für Planung, Bau und den späteren Betrieb der Pipeline zuständig, die fast fertiggestellt ist.

Im US-Kongress, der 2019 ein Sanktionsgesetz gegen den Bau von Nord Stream 2 beschlossen hatte, stieß die jetzige Entscheidung der Regierung parteiübergreifend auf Kritik. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, der Demokrat Bob Menendez, forderte, die Biden-Regierung müsse alles unternehmen, um eine Fertigstellung der Pipeline zu stoppen. Dazu gehörten auch Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und deren Geschäftsführer. Der republikanische Senator Jim Risch sprach von einem "Geschenk" für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Sanktionen gegen Verlegeschiffe

Sanktionen sollen aber gegen mehrere russische Verlegeschiffe verhängt werden, wie es in dem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Bericht heißt. Die Entscheidung wurde parallel zu einem Treffen Blinkens mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow am Rande eines Spitzentreffens des Arktischen Rates in Reykjavik bekanntgegeben. Russland hatte die bereits am Dienstagabend (Ortszeit) von US-Medien berichtete Entscheidung begrüßt und von einem "Hauch von Normalität in der amerikanischen Politik" gesprochen.

Auf Grundlage der US-Sanktionsgesetze gegen die Ostsee-Pipeline und das russisch-türkische Projekt Turkstream würden Strafmaßnahmen gegen vier russische Schiffe erlassen, die Rohre verlegten, teilte die Deutsche Presse Agentur dpa mit. Auch gegen vier russische Institutionen verhängten die USA Sanktionen. Dennoch erscheint es mit der jüngsten Positionierung Washingtons zunehmend unwahrscheinlich, dass die Fertigstellung von Nord Stream 2 auf den letzten Metern noch verhindert wird.

Merkel begrüßt US-Entscheidung

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Aussetzung von US-Sanktionen begrüßt. "Natürlich ist Präsident (Joe) Biden jetzt auch auf uns ein Stück im Nord-Stream2-Konflikt zugegangen", sagte Merkel am Donnerstag im WDR-Europaforum. Nun werde man mit Washington sprechen, wie man Gemeinsamkeiten im Verhältnis zu Russland und der Ukraine finden werde, fügte sie hinzu. Der Frage, was Deutschland der Regierung in Washington im Gegenzug anbieten könne, wich Merkel aus. Sie verwies aber etwa darauf, dass sie ebenso wie Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet für einen weiter steigenden Rüstungsetat Deutschlands und die Übernahme von mehr Verantwortung in der NATO einträten. Im Rahmen der G7-Staatengruppe werde man auch über eine gemeinsame Haltung gegenüber China sprechen, mit dem Deutschland "extrem wirtschaftlich verbunden" sei.

Washington ist strikt gegen die 1.200 Kilometer lange Ostsee-Pipeline, die das Potenzial für russische Erdgaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen soll. US-Präsident Joe Biden argumentiert wie bereits sein Vorgänger Donald Trump, Deutschland begebe sich damit in eine wachsende Abhängigkeit von Russland und schade dem Gas-Transitland Ukraine. Die Pipeline, an der neben der russischen Gazprom und der österreichischen OMV auch Uniper und Wintershall aus Deutschland, der französische Konzern Engie und der britisch-niederländische Konzern Shell als Finanzinvestoren beteiligt sind, ist nahezu fertiggestellt. (APA, 20.5.2021)