Weil die Warnstufe 3 ausgerufen wurde, werden Taiwans Bahnhöfe nun wieder desinfiziert.

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Die Corona-Pandemie ist ein Marathon, und welche Maßnahmen sich am Ende als die besten herausstellen werden, um die Krise einzudämmen, wird die Welt wahrscheinlich erst in ein paar Jahren wissen. Diese Schlüsse könnte man zumindest aus den neuesten Infektionszahlen aus Taiwan ziehen. Innerhalb weniger Tage sind die Corona-Infektionen dort auf 1.291 Fälle gestiegen.

"Das ist ja ein Witz!", möchte man als an Inzidenzwerte im dreistelligen Bereich gewöhnter Mitteleuropäer ausrufen. Dazu muss man allerdings wissen, dass Corona im Inselstaat in den vergangenen Monaten überhaupt nicht vorkam.

Taiwan galt bisher als Musterschüler in der Covid-Bekämpfung – ohne dabei auf die diktatorischen Maßnahmen des Festlands zurückzugreifen. Noch im Dezember 2019 hatte Taiwan die Grenzen für Flüge vom Festland geschlossen. Einreisen sind seither zwar möglich, erfordern aber eine strikte zweiwöchige Hotelquarantäne und mehrere PCR-Tests. Zu einem flächendeckenden Lockdown wie auf dem Festland oder in den meisten anderen Staaten der Welt ist es nie gekommen. Nun aber steigen die Fallzahlen: In den vergangenen zehn Tagen vermeldete Taipeh fast genauso viele Fälle wie seit Beginn der Pandemie. Allein am Mittwoch waren 267 lokale Infektionen gemeldet worden, hinzu kommen acht importierte Fälle.

Zweithöchste Warnstufe

Die Behörden haben am Mittwoch im vierstufigen Warnsystem der Insel Stufe 3 verhängt. Schulen bleiben bis Ende kommender Woche geschlossen. Im Freien sind Treffen von bis zu zehn, in geschlossenen Räumen von bis zu fünf Personen erlaubt. Auch die Zahl Quarantänezimmer will man erhöhen. Von den 17.000 Zimmern sind derzeit rund 10.000 besetzt. Hinzu kommt, dass die 23 Millionen Einwohner Taiwans bisher kaum geimpft wurden. Gerade einmal 315.000 Dosen des Impfstoffs von Astra Zeneca hat Taipeh bisher erhalten, 40.0000 sollen diese Woche folgen. Dass Taiwan nicht an Impfstoffe kommt, liegt auch am Druck aus Peking. Die deutsche Firma Biontech hatte im Februar eine Bestellung aus Taipeh kurzerhand abgesagt – vermutlich weil die KP interveniert hatte.

Sorge bereitet vor allem die Tatsache, dass es den Behörden derzeit nicht gelingt, die Infektionsketten lückenlos zurückzuverfolgen. Das war bei kleineren Ausbrüchen in der Vergangenheit bisher immer gelungen.

Piloten unter Verdacht

Wie es zum aktuellen Ausbruch kommen konnte, ist noch nicht ganz geklärt. Wahrscheinlich schleppten Piloten die britische Variante des Virus ein. Denn Mitte April hatten die Behörden die Quarantäne für Airline-Crews von 14 auf drei Tage reduziert. Die Piloten verbreiteten das Virus dann wohl in mehreren Vergnügungsbars, was dazu führte, dass sowohl Angestellte als auch Gäste Hemmungen hatten, über ihre Aufenthaltsorte Auskunft zu geben. Deswegen könnten die tatsächlichen Infektionszahlen auch weitaus höher sein.

Allerdings steigen auch in einem anderen ehemaligen Pandemie-Musterland derzeit die Infektionen. Vietnam, das bis dato ebenfalls wegen seiner Corona-Strategien gelobt wurde und bisher kaum Fälle vermeldet hatte, registriert derzeit über 200 Neuinfektionen pro Tag. (Philipp Mattheis, 21.5.2021)