In unseren letzten Blogbeiträgen haben wir uns mit der Phase vor Vertragsabschluss und mit diesem an sich beschäftigt. Geht man nun davon aus, dass es zu einer erfolgreichen und wirksamen Beauftragung eines Auftragnehmers gekommen ist, steht die Ausführungsphase an. Doch was tun, wenn sich währenddessen, also nach Beauftragung, aber vor Fertigstellung eines Projekts, die Umstände aufseiten des Bestellers ändern?

Zu einer Änderung derartiger Umstände kann es in der Praxis häufig kommen; seien es private Gründe, oder aber auch finanzielle Hindernisse, wie das (nachträgliche) Scheitern einer Finanzierung. Wurden diesbezüglich keine vertraglichen Rücktrittsrechte vereinbart, so stellt sich die Frage, wie der Besteller aus einer solchen Situation wieder herauskommt.

Anders überlegen gibt's nicht

Grundsätzlich gilt: Verträge sind einzuhalten. Nur in Ausnahmefällen sieht die Rechtsordnung eine Durchbrechung dieses Grundsatzes vor. Praktisch bekannt ist vielen möglicherweise das gesetzliche Rücktrittsrecht bei Fernabsatzgeschäften wie dem Onlinekauf. Der Begriff nimmt schon vorweg, dass es sich hierbei um einen Kaufvertrag handelt. Das gesetzliche Rücktrittsrecht gilt jedoch nicht beim Bau von neuen Gebäuden oder erheblichen Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Derartige Werkverträge werden in der Regel auch nicht im Wege des Fernabsatzes abgeschlossen.

Das Werkvertragsrecht kennt jedoch eine einzigartige Möglichkeit für den Besteller. Dem Besteller kommt nämlich das gesetzliche Recht der Abbestellung zugute. Zum leichteren Verständnis sind die konkreten Pflichten der Vertragsparteien hervorzuheben. Der Besteller schuldet das vereinbarte Entgelt, der Auftragnehmer schuldet den Erfolg der Werkerrichtung. Wird das Werk erfolgreich errichtet, hat der Auftragnehmer Anspruch auf das Entgelt (nichtsdestotrotz wird oftmals eine andere Zahlungsvereinbarung getroffen).

Der Auftragnehmer hat trotzdem normalerweise keinen Anspruch darauf, dass er ein Werk herstellt, weil es dem Besteller nicht zugemutet werden kann, das Werk auch dann herstellen zu lassen, wenn – aus welchen Gründen auch immer – gar kein Interesse mehr daran besteht. Sehr wohl hat der Auftragnehmer in einem solchen Fall, dass der Besteller das Werk plötzlich doch nicht mehr möchte, Anspruch auf das Entgelt. Im Ergebnis hat der Besteller daher das Recht, ein Werk unter folgenden Voraussetzungen abzubestellen:

  • Die Ausführung des Werks muss endgültig unterbleiben, unabhängig davon, ob mit dieser bereits begonnen wurde oder nicht. Die Verhinderung der Werkerrichtung muss auf Umstände aufseiten des Bestellers zurückzuführen sein. Diese können sich aus dem Vertrag, aber auch aus den gesetzlichen Regelungen zur Risikotragung (zum Beispiel Baubewilligung wird nicht erteilt) ergeben. Tatsächlich kann es jedoch auch schlichtweg der freie Wille des Bestellers sein, eine Ausführung doch nicht mehr zu wünschen.
  • Der Auftragnehmer hingegen muss leistungsbereit sein, also seinerseits in der Lage sein, das beauftragte Werk herzustellen. Ist dies nicht der Fall, so kann sich der Auftragnehmer etwa in Verzug befinden und ist nach den diesbezüglichen Regelungen vorzugehen, die wir an anderer Stelle näher darstellen werden.
  • Liegen die genannten Voraussetzungen vor und storniert der Besteller daher sozusagen seinen Auftrag, so hat der Auftragnehmer grundsätzlich Anspruch auf das vereinbarte Entgelt – auch wenn die Ausführung des Werks tatsächlich unterbleibt.
Wie aus einem Werkvertrag aussteigen?
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Der Besteller muss also voll zahlen? Dann nützt das Abbestellungsrecht ja gar nichts?

Der Auftragnehmer muss sich anrechnen lassen, was er sich durch das Unterbleiben der Arbeit erspart hat oder durch anderweitige Verwendung der dadurch freigewordenen Kapazitäten erworben hat beziehungsweise zu erwerben absichtlich versäumt hat. Als Ersparnisse kommen etwa nicht verbautes Material oder nicht zu bezahlende Arbeitslöhne in Betracht. Zu keiner Reduktion des Entgelts führt aber die Ersparnis der eigenen Arbeitsleistung. Hinsichtlich des anderweitigen Erwerbs spricht etwa viel dafür, dass der Auftragnehmer bei Vollauslastung trotz Ausfalls der abbestellten Werkherstellung diesen durch anderweitige Verwendung wettgemacht hat.

Diese Anrechnung muss der Auftragnehmer bei der Abbestellung jedoch nicht von sich aus vornehmen – er kann das gesamte vereinbarte Entgelt verlangen.

Vielmehr hat dann der Besteller zu behaupten und zu beweisen, was sich der Auftragnehmer anrechnen zu lassen hat. Da der Besteller in der Regel nur schwer Einblick in die wirtschaftliche Lage des Auftragnehmers, seiner Branche und der Auslastung hat, ist dieser Beweis häufig schwer zu erbringen. Im Bereich des Konsumentenschutzes ist daher eine gewisse Erleichterung für Konsumenten vorgesehen: In diesen Fällen besteht eine Informationspflicht des Auftragnehmers, den Verbraucher über die Gründe zu informieren, warum er sich durch das Unterbleiben des Werks nichts anrechnen lassen muss.

Abbestellung kann im Ergebnis doch sinnvoll sein

Im Ergebnis hat also der Besteller beim Werkvertrag das Recht, die Werkerrichtung willkürlich zu verhindern. Der Auftragnehmer hat in diesem Fall jedoch Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Auf Verlangen des Bestellers muss er sich jedoch anrechnen lassen, was er sich aus dem Unterbleiben der Ausführung erspart hat oder durch anderweitige Verwendung erworben beziehungsweise zu erwerben versäumt hat.

Dadurch soll dem Auftragnehmer der reine Gewinn verbleiben und er wirtschaftlich so gestellt werden, wie er bei Werkerrichtung gestanden wäre. Das ist aus Sicht des Bestellers immer noch besser, als wenn er das gesamte Werk, das er gar nicht mehr möchte (oder sich nicht mehr leisten kann), bezahlen müsste. Zum Vergleich: Bei einem gewöhnlichen Kaufvertrag gilt diese Regelung nicht, hier müsste in einem solchen Fall trotzdem der gesamte Kaufpreis bezahlt werden. (Lukas Macha, 27.5.2021)