Bei einer Razzia gegen radikale Corona-Maßnahmen-Gegner stellte die Polizei Waffen und Munition sicher.

Foto: BMI

Auch Schutzwesten wurden gefunden.

Foto: BMI
Foto: BMI

Am vergangenen Samstag sollte es bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Wien offenbar zu gewaltsamen Aktionen mit Molotowcocktails gegen Polizisten kommen. Aufgrund entsprechender Hinweise in einschlägigen Telegram-Gruppen führte der Verfassungsschutz am Tag davor in mehreren Bundesländern Razzien durch. Dort wurden Waffen, Munition und Datenträger sichergestellt.

Insgesamt kam es zu drei Hausdurchsuchungen und vier sogenannten freiwilligen Nachschauen. Sichergestellt wurden zwei Faustfeuerwaffen, eine Langwaffe, zwei Schwerter und rund 3.500 Stück Munition. Ebenso wurde paramilitärische Ausrüstung gefunden: Schutz- und Mehrzweckwesten, Helme sowie Funkgeräte. Sieben Personen wurden einvernommen. In Haft befindet sich laut dem Innenministerium niemand.

Auswertung läuft noch

In den Gruppen unterhielten sich die Corona-Leugner auch über den Bau von splitterbombenähnlichen Gegenständen und den Kauf von Waffen, mit denen sie zu Demos reisen wollten. Die ausgeforschten User wurden wegen Verdachts des verbrecherischen Komplotts und in einem Fall wegen eines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz angezeigt.

In zwei Fällen wurde ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen. Die Auswertung der sichergestellten Gegenstände und Datenträger läuft noch. Die Anzeigen gegen die Beschuldigten werden bei der Staatsanwaltschaft Ried bearbeitet.

Die Verdächtigen zeigen sich geständig, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Außerdem sollen sie bisher unbescholten sein, heißt es aus informierten Kreisen.

Nehammer fühlt sich an Terrorvereinigungen erinnert

"Allein die hohe Zahl an Sicherstellungen von Munition und Waffen zeigt, welches Gefährdungspotenzial von diesen Gruppierungen ausgeht. Die paramilitärische Ausrüstung erinnert fast an terroristische Vereinigungen", sagte Nehammer. Es sei "kaum zu fassen, was hier von Corona-Leugnern versucht wurde. Die Täter müssen mit der vollen Härte des Rechtsstaats bestraft werden."

Experten warnten in der Vergangenheit bereits davor, dass sich Teile der Corona-Maßnahmen-Gegner-Szene radikalisieren könnten. Schon im Februar wurden bei einem Organisator der Proteste Waffen und Drogen im Wert von 100.000 Euro sichergestellt. Seit Monaten sind in einschlägigen Gruppen immer wieder Drohungen zu finden. So war von einem "Sturm auf den ORF" die Rede, ebenso von einer "Übernahme" des Parlaments. Die Stimmung gegenüber Journalistinnen und Journalisten auf den – tendenziell immer schlechter besuchten – Corona-Demonstrationen wird immer aggressiver. In der Szene selbst sind in den vergangenen Monaten immer wieder Diskussionen über die Frage der Gewaltlosigkeit der Proteste entbrannt.

Im Protokoll eines anderen, öffentlich zugänglichen Chats, in dem vor allem Informationen rund um das Coronavirus ausgetauscht werden, heißt es beispielsweise: "Das Wichtigste für euch ist jetzt die Krisenvorsorge, der Aufbau von Netzwerken und das Besorgen von Waffen zur Selbstverteidigung." Es liegt dem STANDARD vor.

Küssel war im Schweizerhaus

Der Verfassungsschutz weist immer wieder darauf hin, dass unter den Organisatoren von Anti-Corona-Demos auch rechtsextreme Figuren sind.

Organisiert dürfte Gottfried Küssel die Störaktion im Wiener Prater am Mittwoch nicht haben, aber dort war er – und kam der Regierungsabordnung rund um Sebastian Kurz näher, als der Personenschutz hätte erlauben dürfen. Ein Video, das via Twitter viral ging, zeigt, dass der verurteilte Neonazi Küssel an einem Tisch nur wenige Meter neben dem Eingang zum Schweizerhaus saß.

Als Kanzler Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Staatssekretärin Andrea Mayer zum PR-Termin anlässlich des Endes des Lockdowns erscheinen, springt Küssel auf und schreit mehrmals "Kurz muss weg" und "Treten Sie zurück". Ein Mann aus dem Schweizerhaus-Team versucht, den Tarnjacke tragenden Küssel zu beruhigen. Offenbar war es eine konzertierte Aktion mit dutzenden Teilnehmern, der Personenschutz der Polizei rang zwei Personen nieder.

Kritik musste der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp einstecken, der den Schweizerhaus-Termin der Regierung im Vorfeld via Twitter verbreitet und indirekt zu Protesten aufgerufen hatte. (elas, simo, van, 20.5.2021)