Die 17 Meter lange Walskulptur im Wiener Museumsquartier von Mathias Gmachl, "Echoes – a voice from uncharted waters", will optisch und akustisch auf den Lebensraum Ozean aufmerksam machen. Das Kunstwerk wird von Österreich in die Schweiz dann nach Kanada kommen. Es soll auch in den nächsten Jahren rund um den Globus touren; damit stellt die Skulptur einen wichtigen Beitrag zur UN-Dekade für Ozeanwissenschaften dar, die am 1. Jänner begonnen hat.

Wale sind im öffentlichen Raum Wiens seit vielen Jahrhunderten "heimisch". Zunächst erinnert die Walfischgasse im ersten Bezirk an die riesigen Meeressäuger. Im Jahr 1700 gab es in der Krugerstraße auf Nummer 17 das Gasthaus "bey den Wallfisch", von dem sich die später vergebene Straßenbezeichnung ableitet. Doch das war nicht das einzige "Walfischhaus" in Wien. Eine Recherche in der Wiener Zeitung, die bis 1779 Wienerisches Diarium hieß, bringt unter anderem das Haus Schilling "beym Walfisch bey Mariahilf" (wohl: Kellermanngasse 5, Wien-Neubau), dann das Haus "beym Walfisch / bey St. Ulrich", dann 1725 ein Haus "beym goldenen Walfisch im Liechtenthal" zutage. 1800 taucht auch "Am Graben" in der Inneren Stadt ein Haus "zum Walfisch" auf, wo Schreibkreide und Wiener Weiß [Schlämmkreide] feilgeboten wurden.

Am 7. Juli 1804 wird in der Wiener Zeitung erstmals eine "Walfischgasse" genannt, ehe man 1829 von einer "Wallfisch-Apotheke" in der Josefstadt (8. Bezirk) liest.

Die Sensation von 1838: Wiens erstes Walskelett

Kannte man damals Wale nur aus der alttestamentarischen Überlieferung – Stichwort der Prophet Jona, der vom einem Wal verschluckt worden war –, gab es im Frühjahr 1838 ein echtes Walskelett vor den Toren Wiens – "nächst dem rothen Thurmtore" – zu sehen; das würde heute wohl dem Schwedenplatz entsprechen. Es wurde als "höchst merkwürdiges Wallfisch-Gerippe" im Februar 1838 in den Medien beworben und war damit die Attraktion in Wien. Zu besichtigen war es von 9 bis 13 und von 14 bis 18.30 Uhr, es gab Karten um zehn, 20 und 30 Kreuzer; Kinder unter zehn Jahre zahlten die Hälfte. Das Tier maß 95 Fuß (circa 29 Meter), in seinem Inneren konnten 24 Personen Platz finden. Ehe das Skelett nach Wien gekommen war, hatte die maritime Sensation schon in London, Paris, Brüssel, Frankfurt und Stuttgart Station gemacht.

Eine Online-Recherche in den Beständen des Wien-Museums führt zu einer 31,5 mal 49,3 Zentimeter großen Lithografie: "Gerippe eines Walfisches, welches 1828 vor dem Burgtor [Wien-Innere Stadt] zu sehen war." Diese Darstellung zeigt Menschen im Inneren des Walskeletts, ganz so, wie es oben erwähnt wurde. Doch diese Jahreszahl stimmt nicht mit dem oben erwähnten Jahr 1838 überein, zehn Jahre liegen dazwischen. Möglicherweise ist die Zeichnung falsch beschriftet und datiert – diese Frage ist nicht schlüssig zu beantworten.

Der Prater Wal von 1889

Am 30. April 1889 war mit der Nordbahn ein riesiger Wal aus Berlin angekommen, freilich kein Gerippe, sondern ein kompletter, der auch zunehmend für den Geruchssinn eine Herausforderung darstellte. Das Tier wog 30 Tonnen, mit einer Länge von rund 19 Metern war es deutlich kleiner als das Gerippe von 1838. Zu sehen war es auf der Feuerwerkswiese im Prater, nicht weit vom Nordbahnhof entfernt. Kaum war das Tier angekommen, wurde es Ziel der lokalen Presse. "Ein einziges Unangenehmes hat ein Besuch beim Wal im Gefolge, den Geruch, den das Thier, das selbstverständlich in der entsprechendsten Weise präparirt und desinfizirt ist, nichtsdestoweniger ausströmt. Gesundheitsschädliches hat dieser Geruch nichts an sich, aber er touchirt die Nase derart, daß die meisten Besucher das Taschentuch hastig an ihr Riechorgan drücken", schreibt das Neue Wiener Tagblatt am 10. Mai 1889 unter dem Titel Das neueste Zugstück im Prater.

Karikatur im "Kikeriki" vom 26. Mai 1889 anlässlich der Ausstellung eines Wales im Prater.
Foto: ANNO

Unter den Wal-schauenden Besuchern befand sich Unterrichtsminister Paul Gautsch (1851–1918), der offenbar sehen wollte, ob das Tier für den Unterricht taugt, zumal Schulen ermäßigter Eintritt gewährt wurde. Ferner kamen der Klerus in der Person von Kardinal Cölestin Ganglbauer (1817–1889) und mit Erzherzog Eugen (1863–1954), der am 25. Mai dem Tier einen Besuch abstattete, auch der hohe Adel. In der zweiten Junihälfte war Schluss mit dem "Walfisch"-Spektakel, er wurde auf Anordnung des Magistrats in der Nacht vom 21. Juni zerteilt, um dann fachgerecht entsorgt zu werden.

Reste dieses Tieres kamen ins Naturhistorische Museum, wo Frank Zachos, Kurator der Säugetiersammlung, Informationen zur Inventarnummer 33021 bereit hat. Demnach war das Tier ein Finnwal (Balaenoptera physalus), der am 30. Dezember 1888 in Barritskov im Vejle-Fjord an der Ostküste Dänemarks tot angetrieben wurde. Am 5. Jänner 1889 wurde es zoologisch untersucht und beschrieben und kam dann via Berlin nach Wien. Hier wurde es bis zum 20. Juni 1889 zur Schau gestellt, dann skelettiert, ehe es ans Museum kam. Hier sind heute die Unterkieferknochen des dänisch-deutschen Praterwals senkrecht an der Tür, zwischen Saal XXXIV und XXXV im 1. Stock, zu sehen.

Postkarte vom Restaurant "Zum Walfisch" im Prater, 1930er-Jahre.
Foto: Archiv Thomas Hofmann

Die "Walfischwirte" im Prater

Im Prater taucht 1782 erstmals ein "Wallfisch"-Wirt auf. Gut hundert Jahre später war das Lokal "Zum Walfisch" im Prater im Besitz der Familie Pilz. Die findigen Wirtsleute verpassten ihrem Lokal ein standesgemäßes Entree und montierten am Eingang Unterkiefer und Rippe eines 1895 in der Beringsee erlegten Pottwals. Das war ein willkommener Blickfang, dessen Anblick nichts kostete. Dass Herr und Frau Pilz ihre 1898 eröffnete, 600 Meter lange Grottenbahn, die erste elektrisch betriebene Bahn ihrer Art in Europa, gleich nebenan ebenfalls "Zum Walfisch" tauften, war naheliegend im wahrsten Sinn des Wortes. 1945, als der Prater in Schutt und Asche lag, wurden Walfisch-Restaurant samt Grottenbahn Opfer der Flammen. Von der ursprünglichen tierischen Fassadenzier ist heute noch ein Stück des Walkiefers im Pratermuseum zu besichtigen. Als das Lokal mit gleichem Namen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Zuge des Wiederaufbaus des Praters neu errichtete wurde, fehlte es am entsprechenden Wahrzeichen. Einen Hinweis, der auch als Hilferuf für ein neues Walwahrzeichen interpretiert werden kann, Stichwort Crowdfunding, gibt es: "Walfisch-Restaurateur, Wien, II., Prater, Alleinbesitzer von 1928 bis 1938, sucht Geldgeber. Unter 'NO 2988' an den Verlag" (Neues Österreich, 5. Juni 1949). Wann dann der imposante grüne Blechwal, der noch vielen in heller Erinnerung ist, am Dach montiert wurde, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Bergung und Rettung des "Prater"-Walfischs beim Abbruch des Restaurants durch die Firma Ay-Ka.
Foto: Ay-Ka Bau Gmbh

Als das Lokal abgebrochen wurde, war es auch mit dem schönen Walfisch-Entree zu Ende. Doch zum Glück erkannte Güner Ayaz, Geschäftsführer der Abbruchfirma, den kulturellen Wert des Wales; er ließ den Praterwal auf sein Firmengelände bringen und rettete ihn damit vor der Schrottpresse. Im Herbst 2016 schenkte er das tierische Praterwahrzeichen dem Wien-Museum, hier wurde es fachgerecht restauriert und wird somit weiterhin erhalten bleiben.

Wer einen wirklich großen Wal sehen will, möge zum Donaukanal gehen. Unter der Friedensbrücke befindet sich am rechten Ufer (9. Bezirk) ein riesiges und sehr schönes Wal-Graffito.

Ein sehenswerter Wal unter der Friedensbrücke in Wien-Alsergrund.
Foto: Thomas Hofmann

Ein Blick zurück in die Erdgeschichte

Dreht man das Rad der Zeit rund 14 Millionen Jahre zurück, schwammen im Meer des Wiener Beckens ebenfalls Wale. Das Wiener Becken war Teil eines gewaltigen subtropischen Meeres, das bis weit nach Innerasien reichte und über Meeresstraßen mit dem damals noch jungen Mittelmeer in Verbindung stand. Die Tierwelt dieses Meeres erinnert an jene des heutigen Roten Meeres. Während in Wien tausende Reste von Delfinen bekannt wurden, stammten nur einzelne Knochen eines unbestimmbaren Bartenwals aus Mauer in Wien-Liesing.

1899 gab es in der Ziegelei von Johann Prost (Gemeinde Borbolya), dem heutigen Walbersdorf (Burgenland), damals im Komitat Sopron (Ödenburg), einen Walfund. In der Wand der Ziegelgrube steckten mehrere aneinandergereihte Knochen im grauen Ton. Sie stellten sich als Reste einer Wirbelsäule heraus. Die Bergung der Knochen war alles andere als einfach. In einem Bericht über das Walskelett schreibt Ottokar Kadić (1876–1957) im Jahr 1907, "… daß Se. apostolische Majestät der Ungarische König, als er am 29. Mai 1900 die kgl. ungar. Geologische Anstalt mit Seinem allerhöchsten Besuche beehrte, auch die Reste unseres Balaenopteriden, damals noch in Paraffin eingebettet, mit großem Interesse besichtigte …" Besagter ungarischer König war der österreichische Kaiser Franz Joseph. Kadić erkannte das Fossil als Bartenwal und gab ihm 1904 seinen wissenschaftlichen Namen: Mesocetus hungaricus – der "ungarische Mittelwal". Tatsächlich war die Größe des Tieres mit 6,5 Metern Länge eher "mittel", das "Meso" im Namen aber bezog sich auf die evolutionäre Stufe und nicht auf die Größe.

Der restauriert Mesocetus-Wal, ein Fund aus dem Jahr 1899 aus Borbolya, dem heutigen Walbersdorf im Burgenland.
Foto: Kadic 1908
Walbersdorfer Walwirbel im Besitz des Naturhistorischen Museums.
Foto: Thomas Hofmann

In den 1930er-Jahren kamen einzelne Wirbel von Walen der Walbersdorfer Ziegelei ans Naturhistorische Museum in Wien. Dass man auch auf Wiener Stadtgebiet Reste von Walen findet, ist keineswegs ausgeschlossen, vorausgesetzt, man gräbt im Tegel, der vor 14 Millionen Jahren abgelagert wurde.

Das letzte größere Walskelett barg der Fossiliensammler Gerhard Wanzenböck im Jahr 1996 in Stotzing am Leithagebirge (Burgenland). (Thomas Hofmann, Mathias Harzhauser, 28.5.2021)