Der rekonvaleszente Mittelfeldspieler Enzo Perez glänzte als Torhüter.

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Buenos Aires / Frankfurt – Das überbreite Grinsen wollte Enzo Perez nach diesem unvergesslichen Abend einfach nicht mehr aus dem Gesicht weichen. Und als Trainer Marcelo Gallardo seinem Not-Torhüter vor Freude wild auf die Brust trommelte, musste der sogar ein Tränchen verdrücken. Denn eigentlich ist Perez Mittelfeldspieler bei River Plate – nach einem schlimmen Corona-Ausbruch avancierte er in einem der verrücktesten Spiele der südamerikanischen Copa Libertadores aber zwischen den Pfosten zum Helden.

"Ich möchte unser Herz, unsere Männlichkeit und unsere Persönlichkeit hervorheben", jubelte Perez nach dem heroischen 2:1 (2:0) im Gruppenspiel gegen Independiente Santa Fe. Nach 20 positiven Corona-Tests beim Traditionsklub aus Buenos Aires, darunter alle Torhüter, standen nur noch zehn gesunde Feldspieler zur Verfügung. Perez, der eigentlich noch eine Zerrung auskurierte, stellte sich deshalb ins Tor – und erledigte die ungewohnte Aufgabe mit Bravour.

"Ich bin stolz auf die ganze Mannschaft", lobte der Aushilfs-Keeper, der wegen seiner Paraden gar als "Man of the Match" ausgezeichnet wurde und nur beim Gegentor in der 73. Minute machtlos war: "Heute haben wir wieder gezeigt, was für eine Gruppe wir sind und was für ein Mensch jeder Einzelne von uns ist."

Fernschüsse überraschten ihn nicht

Mit seinen 35 Jahren hat Perez schon so einiges erlebt. Er spielte im Mittelfeld von Benfica Lissabon und dem FC Valencia, absolvierte 26 Länderspiele für Argentinien – doch in Erinnerung bleiben wird vor allem dieses Spiel. "Noch in Jahren, vielleicht Jahrzehnten, werden die Leute über diese Nacht sprechen", schrieb das argentinische Online-Portal der Sportzeitung "As". In den sozialen Netzwerken überboten sich Fans mit witzigen Memes.

Da der südamerikanische Fußballverband eine kurzfristige Nachmeldung eines Jugendtorwarts nicht erlaubte, musste jemand her, der trotz Verletzung zumindest aufrecht stehen konnte und zwei gesunde Arme hat. Und da etwa auf Nürnberg-Legende Javier Pinola mit gebrochenem Unterarm selbst das nicht zutraf, fiel die Wahl auf Perez.

"Meine Torhüterkollegen haben mir geschrieben. Ich habe auch einige Fragen gestellt", erzählte er von seiner Spielvorbereitung. Der Torwarttrainer habe ihm geraten, sich immer auf den Elfmeterpunkt zu konzentrieren: "Mit dem Adrenalin, das ich hatte, habe ich mich aber manchmal ein wenig verirrt."

Allzu viel bekam er aber auch gar nicht zu tun, schon nach sechs Minuten führte River 2:0, und die Defensive der Argentinier stand auch ohne Auswechselspieler bombensicher. Doch sobald Perez gefordert war, war er zur Stelle – wenn auch mit teilweise unkonventionellen Bewegungen. Independiente versuchte sogar, den Torhüter mit wahnwitzigen Fernschüssen zu überraschen, aber auch da war nichts zu machen.

Schon am Dienstag steht für River Plate das letzte Gruppenspiel der Südamerikameisterschaft an. Sollte sich die Corona-Situation nicht entspannen, steht nun zumindest ein Torwart mit Erfahrung bereit. (sid, 20.5.2021)