Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) steht in Zentrum von Korruptionsermittlungen, die auch die italienische Politik beschäftigen – es gilt die Unschuldsvermutung

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Während der heimische Ibiza-Untersuchungsausschuss im Herbst vermutlich seine Arbeit beendet, starten in Italien gerade Bemühungen für einen ähnlichen U-Ausschuss – der direkt die Ermittlungen gegen den österreichischen Finanzminister Gernot Blümel behandeln könnte. Der aus der Partei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi stammende Senator Mauro Maria Marino brachte am 13. Mai den Antrag für eine "Commissione parlamentare di inchiesta" ein, die sich mit öffentlichem und illegalem Glücksspiel beschäftigen soll.

Dem Vernehmen nach überlegt die rechte Lega, die mit der FPÖ kooperiert, die Aufklärung der Steuerprobleme Novomatics in Italien zu thematisieren. Dazu gibt es schon Kontakte zwischen FPÖ und Lega sowie der Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia, bestätigt der FPÖ-Abgeordnete Christian Ragger dem STANDARD.

Die Novomatic war wegen ihrer Italien-Tochter im Jahr 2017 in helle Aufregung geraten. Damals rechneten ihre Steuerberater damit, dass der Glücksspielkonzern bis zu siebzig Millionen Euro an Steuern nachzahlen werden muss. Deshalb setzte der Konzern alle Hebel in Bewegung, auch in Österreich: Im Juli 2017 schrieb der damalige Konzernmanager Harald Neumann an Gernot Blümel, damals lediglich ÖVP-Wien-Chef, er brauche einen Termin bei Außenminister Sebastian Kurz wegen "erstens Spende zweitens eines Problemes das wir in Italien haben".

Vieraugengespräch

Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fanden diese Nachricht, als sie Neumanns Handy in der Causa Casinos auswerteten; es folgte im Februar 2021 eine Hausdurchsuchung bei Blümel – die erste, die je bei einem amtierenden Finanzminister in Österreich stattfand. Die Ermittler sehen in der Kombination aus "Spende" und "Problem" den Verdacht auf Bestechlichkeit und denken, dass Blümel die Bitte der Novomatic damals an Außenminister Kurz weitergetragen hat – es gilt die Unschuldsvermutung, die Beteiligten bestreiten das auch.

Was nach der SMS passierte, ist derzeit Gegenstand von Ermittlungen. Jedenfalls wurde der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid involviert; heute ist er Chef der Staatsholding Öbag und auch Beschuldigter.

In den Fokus des heimischen U-Ausschusses geriet nun ein Treffen zwischen Kurz und seinem damaligen italienischen Kollegen Angelino Alfano. Die beiden Außenminister sahen sich am 20. Juli 2017, wenige Tage nach Neumanns SMS an Blümel, für einen "sehr kurzfristig anberaumten Termin unter Vier Augen (sic!)", erklärte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) dem U-Ausschuss. Dort sollten "ausführlich und in aller Offenheit Migrationsfragen" besprochen werden. Es lägen aber "keine Akten, Unterlagen oder Bildmaterial" über das Treffen auf. Die Fachabteilung habe "weder eine Gesprächsunterlage erstellt, noch, wie bei Delegationsgesprächen üblich, ein Protokoll bzw. Aktenvermerk angefertigt", was wohl an der Spontaneität des Treffens gelegen habe, so Schallenberg.

Ein italienischer U-Ausschuss wäre ein Hebel, um Auskünfte aus dem Außenministerium in Rom einzuholen. "Was war Thema des Gesprächs? Worüber haben Sie dort gesprochen? Was haben Sie mit den Italienern auspaktiert?", fragte der freiheitliche Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, den Kanzler am Mittwoch in einer Debatte im Nationalrat.

Kurz: Keine Hilfe

"Es ist in allen betroffenen Ministerien genau recherchiert worden, und es hat sich herausgestellt, dass es keine Hinweise auf eine Hilfeleistung für die Novomatic in Italien gibt", antwortete Kurz und ergänzte, dass es nicht schlimm wäre, wenn es so gewesen wäre. ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger meinte, Kurz wäre ein schlechter Außenminister gewesen, hätte er sich nicht für heimische Konzerne engagiert. Die Novomatic brachte 2017 jedenfalls ihre Argumente vor den italienischen Finanzbehörden vor und musste schließlich nur zwanzig statt der befürchteten siebzig Millionen Euro nachzahlen.

Akten aus dem Verfahren gegen Blümel erhalten die österreichischen Abgeordneten vermutlich nur mehr bis 15. Juli. Danach endet die Beweisaufnahme des aktuellen Ibiza-Ausschusses. Die Opposition hatte gehofft, das Untersuchungsgremium einmal mehr verlängen zu können, die Grünen erteilten dem jedoch eine Absage.

Am Donnerstag appellierten deshalb Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (Neos) an die Ökopartei, nicht aus Koalitionsräson auf Aufklärung zu verzichten. Die Begründung der grünen Klubobfrau, die Opposition könne ja jederzeit einen neuen U-Ausschuss einsetzen, sei ein "Schildbürgerstreich", kommentierte Krainer. Er verwies darauf, dass der aktuelle U-Ausschuss seine Arbeit bis Oktober beende, ein neuer jedoch erst im Jahr 2022 durchstarten könne. Dieser müsste alle Akten neu anfordern, Rechtsstreitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof inklusive.

Die ÖVP habe jedenfalls auf Zeit gespielt, um Aktenlieferungen zu verzögern und den Ausschuss zu lähmen, kritisierte Krisper. Sie beobachte bei der Konkurrenz eine "Abkehr von grünen Werten", nahm die U-Ausschuss-Mitglieder Nina Tomaselli und David Stögmüller jedoch von dieser Kritik aus. Die beiden seien jedenfalls Fixstarter für den nächsten Ausschuss, betonte Klubobfrau Maurer. (fsc, gian, 21.5.2021)