In der heilen Welt der Bits und Bytes wird mit smarten Bubbles nur so um sich geworfen: Willkommen im Österreich-Pavillon der Biennale, der eine "Platform Austria" birgt.

Ugo Carmeni

"We like! Access is the new capital. The platform is my boyfriend." Das sind die ersten Botschaften, die einem im Österreich-Pavillon in Bubbles räumlich entgegenfliegen. "Wir leben in einer zunehmend digitalen Welt und lagern immer mehr Aspekte unseres täglichen Lebens in Apps und Clouds aus", sagen Peter Mörtenböck und Helge Mooshammer. "Ob das nun Facebook, Amazon, Google, Uber oder Quora ist. Und sogar unsere Yoga-Stunden und unsere Liebespartner organisieren wir uns übers Internet."

Doch die heile Welt der Bits und Bytes, der bunten Icons auf dem Smartphone und der vielen Tweeds und Likes, sagen die beiden Architekten, die in London das Centre for Global Architecture betreiben und 2019 zum Kommissariatsduo des österreichischen Pavillons gekürt wurden, hat auch Schattenseiten: "Je mehr wir uns auf den digitalen Plattformen bewegen, desto mehr geraten gewachsene urbane Strukturen, öffentliche Einrichtungen und gewohnte Formen sozialer Organisation unter Druck." Am Ende, so die Befürchtung, könnte die Stadt unsichtbar werden.

Konkret bedeutet das: Während die sozio-analogen Interaktionen zwischen uns Menschen kontinuierlich abnehmen, steigt die Anzahl an Lieferautos, Logistikzentren und hermetisch abgeriegelten Serverfarmen am Rande der Stadt. Welche physischen und politischen Ausmaße diese Infrastrukturen hinter den Kulissen annehmen können, haben rund 50 Blogger und Denkerinnen aus aller Welt in Form von Fotos und aufgezeichneten Videoclips in sehr unterschiedlicher Qualität festgehalten. Diese bilden einen zentralen Teil des Beitrags Platform Austria.

Postanaloge Polis

Benjamin Gerdes hat am Rande von Amsterdam eines der unzähligen Datenzentren fotografiert, die sukzessive zum Stadtbild der postanalogen Polis beitragen. Scott Rodgers und Susan Moore haben in London den Bau des neuen, hermetisch abgeriegelten Google-Headquarters dokumentiert. Alan Wiig hat in der Sierra Nevada mitten im Wald ein riesiges, auf Asphalt gepinseltes Wi-Fi-Symbol entdeckt. Und Dario Sanna von der Forschungsgruppe Into the Black Box Collective hat jenen Moment auf Kamera gebannt, als Lagerarbeiterinnen der italienischen Fast-Fashion-Plattform Yoox in Bologna im Rahmen eines Streiks versuchten, einen Lkw zu stoppen.

"Dank der neuen Technologien und digitalen Infrastrukturen können wir heute die große, weite Welt nach Hause in die eigenen vier Wände hereinholen", sagt Mörtenböck. "Doch zugleich beobachten wir, wie wir des gemeinsamen Stadtraums, der gemeinsamen Sozialisationsbühne verlustig gehen. Die Frage ist: Wollen wir den Unternehmen und Techkonzernen die Gestaltung unserer digitalen Stadt überlassen?"

Der österreichische Pavillon ist auf der Forschungs- und Rechercheebene ein sehr reichhaltiger, vielfältiger Beitrag. Das Kuratorenteam Mörtenböck und Mooshammer hat durch die Corona-bedingte Verzögerung der Architekturbiennale um ein ganzes Jahr ein richtig fettes, beeindruckendes Kompendium zusammengetragen. Und sie wissen, wovon sie sprechen – vorausgesetzt, man bringt genug Zeit, Geduld und Intellekt mit, um sie auch wirklich zu verstehen. Und genau das ist die größte Kritik an diesem didaktisch verkopften und szenografisch haltlosen Beitrag: Ohne Gespräch und Kuratorenführung fehlt einem jede Orientierung. Man versteht den Beitrag nicht und tappt im Äther.

Überforderte Wi-Fi-Netze

Österreich steht mit dieser Rezeptionshürde nicht allein da. Mag sein, dass dies der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ängsten geschuldet ist, aber in vielen Länderpavillons erlebt man entweder No-nas und Ja-ehs, oder aber man verzweifelt angesichts der vielen QR-Codes und zugleich überforderten Wi-Fi-Netze in den Giardini. Deutschland geht so weit, dass es einen komplett leeren Pavillon öffnet, in den man sich mit dem eigenen Smartphone hineinstellen und einen Avatar wählen muss, um irgendetwas konsumieren zu können. Das ist eine illegitime Dekonstruktion jedes Ausstellungsgedanken.

Und so verkommt die 17. Architekturbiennale, die der diesjährige Kurator Hashim Sarkis, Dekan am Massachusetts Institute of Technology (MIT), unter das Generalmotto How will we live together? stellte, zu einer digitalen, zerpixelten Weltreise, die sich nicht selten in dystopischen Weltuntergangsszenarien erschöpft. Großbritannien stellt in seinem Garden of privatised delights sein fiktives Ministry of Collective Data vor, in das den Journalisten seit Tagen der Zutritt verwehrt wird. Was für ein Omen angesichts des Brexits, der neuerlichen Grenzziehung gegenüber der Welt.

Einen der überraschendsten Beiträge im digitalen Milieu liefert der irische, diabolisch laute Pavillon im Arsenale. Irland ist das Land mit den meisten Datenzentren und Serverfarmen in ganz Europa. "Und diese Einrichtungen prägen nicht nur unsere Städte und Landschaften", sagen Fiona McDermott und David Capener, die das Projekt Entanglement (Verwirrung, Verstrickung) kuratiert haben, "sondern verbrauchen auch fast ein Drittel der gesamten Energie unseres Landes. Betrieb und Kühlung erfolgen meist mit fossilen Brennstoffen. Wenn wir also von Klimaschutz und Reduktion von CO2 sprechen, dann müssen wir in Zukunft auch über Facebook, Twitter und Tiktok sprechen." Hier schließt sich der Kreis zu den digitalen Plattformen. Auch wenn man nicht gleich Boyfriends dazu sagt. (Wojciech Czaja, 21.5.2021)