Franco A. (32) muss sich vor dem Staatsschutzsenat verantworten. Er bestreitet, rechtsextremistische Anschläge auf Politiker geplant zu haben.

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Franco A. versteckt sich nicht. Als der 32-jährige deutsche Staatsbürger am Donnerstag das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main betritt, gibt er Journalisten noch bereitwillig Auskunft. "Ich habe niemals zum Nachteil irgendeiner Person irgendwelche Handlungen geplant", betont er. Und dass er im Prozess einiges klarstellen werde. Etwa, dass er kein Rechtsextremist sei.

Die Bundesanwaltschaft sieht das anders. Sie wirft A. vor, aus rechtsextremistischen Motiven eine schwere staatsgefährdende Straftat geplant zu haben – Anschläge auf deutsche Politiker, getarnt als Flüchtling. Folgt das Gericht dieser Sichtweise, dann würde Franco A. als erster Soldat in Deutschland wegen eines Terrorakts gegen den eigenen Staat verurteilt werden.

Doch so weit ist es noch nicht. Nun startet erst einmal der Prozess, und da könnte diese ohnehin bizarre Geschichte noch um einige bizarre Facetten reicher werden.

Sie hat einen ihrer Ausgangspunkte am Wiener Flughafen. Dort wird A., der aus dem hessischen Offenbach stammt, am 3. Februar 2017 vorübergehend festgenommen, als er versucht, eine auf der Toilette deponierte Waffe an sich zu nehmen. Diese ist nicht mehr dort, sie war von Reinigungskräften gefunden und der Polizei übergeben worden. Als A. die Waffe sucht, geht der Alarm los.

In Deutschland gleicht das Bundeskriminalamt die Fingerabdrücke von Franco A. ab – und staunt nicht schlecht. Sie gehören zu einem syrischen Flüchtling namens David Benjamin.

Es stellt sich heraus: A. führt ein Doppelleben. Einerseits ist er Bundeswehroffizier bei der Deutsch-Französischen Brigade im elsässischen Illkirch. Andererseits "existiert" er eben als Flüchtling, der auch staatliche Leistungen bezieht.

Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte er sich 2016 als Sohn einer christlichen Obstbauernfamilie aus der syrischen Ortschaft Tel al-Hassel ausgegeben und erklärt, er gehöre einer französischen Minderheit an. Daher war das Gespräch beim BAMF auf Französisch und nicht auf Arabisch geführt worden.

"Auflösung eines Volkes"

Die Ermittlungen förderten noch andere Merkwürdigkeiten zutage. Es zeigte sich: A. hatte 2014 an der renommierten französischen Militärakademie Saint-Cyr eine Masterarbeit verfasst, in der er über "Durchmischung der Rassen" und "Auflösung eines Volkes" schrieb.

Ein deutsches Gutachten wertet diese später als "radikalnationalistischen, rassistischen Appell" und als "Aufruf" für einen Wandel, "der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz der rassischen Reinheit anpasst". Dafür kassiert er in der Bundeswehr eine Mahnung. Doch er kann bleiben und wird Berufssoldat.

Die Strafverfolger sehen weitere belastende Punkte: A. hortete nebst zwei Gewehren und einer Pistole 1000 Schuss Munition und Sprengkörper aus Bundeswehrbeständen. Zudem fotografierte er in Berlin in einer Tiefgarage Autos. Ihren Sitz hat in dem Gebäude die Antonio-Amadeu-Stiftung, die sich gegen Rassismus engagiert.

Den Namen der Chefin, Annetta Kahane, fanden Ermittler bei A. auf einer Liste. Dort standen auch Grünenpolitikerin Claudia Roth und der heutige deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD). Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass A. Morde an Politikern vorbereitet hatte, die er dann dem Flüchtling "David Benjamin" in die Schuhe schieben wollte – "um einen Bewusstseinswandel innerhalb der Gesellschaft gegenüber der Asylpolitik der Regierung herbeizuführen".

Pistole in Wien gefunden

A. weist all dies zurück. Er hat der "Neuen Zürcher Zeitung" und der "New York Times" Interviews gegeben und sagt, er habe sich nur als Flüchtling ausgegeben, um auf Schwächen des Systems aufmerksam zu machen.

Die Pistole in Wien will er nach einem Ball in einem Gebüsch gefunden und dann am Flughafen versteckt haben, um beim Rückflug nach Deutschland keine Schwierigkeiten zu bekommen. Sein Verteidiger sieht eine "Hetzjagd" auf ihn.

Der Fall Franco A. sorgte in Deutschland für großes Aufsehen und zog noch weitere Kreise. Als die Vorwürfe bekannt geworden waren, beklagte die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) pauschal einen "falsch verstandenen Korpsgeist" in der Bundeswehr, "Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen" sowie ein "Haltungsproblem". Dafür wurde sie scharf kritisiert.

Von der Leyen ließ daraufhin alle Kasernen nach Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen und änderte den "Traditionserlass" der Bundeswehr. Es wurde klargestellt, dass die Wehrmacht nicht "traditionswürdig" sei und es Ausnahmen nur für Widerstandskämpfer geben könne. (Birgit Baumann aus Berlin, 20.5.2021)