Die Brücke muss magisch sein. Anders ist der Wandel, den man erfährt, sobald man dar überfährt, nicht zu erklären. Plötzlich stehen die Bäume dicht gereiht aneinander, die Straßen sind merklich breiter und der Rasen der Vorgärten millimetergenau geschnitten. Im Augenwinkel huscht ein Golfcart um die Ecke, eine Frau im Tennis-Outfit geht mit ihren zwei Hunden spazieren, Mistkübel sind eine Rarität. Das große Schild an der eben genannten Brücke verrät die Quelle der Magie in großen Lettern über einem kleinen Wasserfall: "Fontana".

Die Fontana ist in ihrer Art und Weise in Österreich einzigartig. Ein Villenpark, in den 1990er-Jahren errichtet, der mit dem angeschlossenen Golfplatz die Schönen und Reichen des Landes – jedenfalls die Reichen – anlocken sollte und immer noch soll. Entsprungen ist das Projekt damals einer Idee Frank Stronachs, ehemaliger Magna-Chef und ehemaliger Leiter des Teams Stronach. "Was mache ich, wenn die Präsidenten von Chrysler zu Besuch sind und nach einem Meeting Golf spielen wollen?", soll er gefragt haben. Also hat er sich einen Golfplatz samt Resort gebaut und die Magna-Europazentrale dorthin verlegt.

Einheitliche Architektur, pompöses Grün vor der Tür – das sind nur zwei der vielen Merkmale der Häuser im Fontana-Park.
Foto: Christian Fischer

Die einheitliche Architektur sticht sofort ins Auge. Im Stil einer US-amerikanischen Gated Community verfolgen sämtliche Häuser in der Siedlung eine klare Linie und weisen wiederkehrende Elemente auf: weiße Säulen neben den Eingangstüren, weiße Ecksteine oder Garagen, deren Tore nicht direkt zur Straße zeigen. Dazu kommt, dass alles in verschiedenen Pastelltönen gehalten ist.

Maklerin Alexandra Samarskaya.
Foto: Christian Fischer

Und das soll auch so bleiben. In den Bebauungsvorgaben von 2015, die dem STANDARD vorliegen, ist ganz klar gekennzeichnet, was geht und was nicht. So liegt beispielsweise die maximale Gebäudehöhe bei 9,27 Metern über Gartenniveau, die Farbmuster für den Außenputz sind anzufertigen und von der Fontana Sportveranstaltungs GmbH freizugeben, und "die Errichtung von Sonnenkollektoren bzw. Photovoltaikanlagen auf dem Grundstück und am gesamten Gebäude ist unzulässig". Wer sich nicht daran hält, wird verklagt, erzählen Anwohner.

Louis-Vuitton-Zigarrenbox

"Es ist eben nicht sehr anstrengend fürs Auge", fasst Alexandra Samarskaya zusammen. Sie ist Geschäftsführerin des Maklerbüros Landaa Immobilien und vertreibt zusammen mit Crown Consulting ein Objekt in der Fontana – und das hat es in sich. 760 Quadratmeter, auf drei Etagen verteilt, ein großer Garten drumherum, Kostenpunkt: 3,5 Millionen Euro. "Wir haben viele Kunden aus dem Ausland", sagt sie. "Das waren früher aber noch mehr, mittlerweile gewöhnen sich auch die Österreicher dran." Vor allem Osteuropäer seien früher heiß auf die Fontana gewesen.

Das Anwesen soll mit Mobiliar verkauft werden – darunter auch ein riesiger roter Kronleuchter in der Eingangshalle, der Master-Bedroom ist in dunklen Erdtönen gehalten, auf dem Mahagony-Schreibtisch steht noch die Louis-Vuitton-Zigarrenbox des aktuellen Besitzers, davor liegen Golfbälle in verschiedensten Farben. "Corona hat natürlich den Leuten klargemacht, dass sie mehr Fläche wollen", sagt Samarskaya, die eine farblich zu ihren Schuhen passende FFP2-Maske an einer Perlenkette um den Hals trägt.

Im Internet werden aber momentan einige weitere Grundstücke und Häuser in der Fontana angeboten. Läuft es im Luxusresort nicht mehr so rund? "Die Preise sind aktuell nicht ohne, und für einige sind die Grundstücke auch einfach zu groß", argumentiert Samarskaya dagegen.

Die Inneneinrichtung des bisherigen Besitzers ist Geschmackssache.
Foto: Christian Fischer

Macht man einen Schritt zurück, lässt sich auch bei den aktuellen Investitionsvorhaben das große Angebot nicht erklären. Neubesitzer und Ex-Magna-International-Chef Siegfried Wolf, dem die Fontana seit 2014 gehört, investieren fleißig in das Projekt – nicht nur in das Golf-Klubhaus, sondern auch in über ein Dutzend neuer Grundstücke, die nun bebaut werden.

Zwei Hotels, ein hochpreisiges im Schloss Oberwaltersdorf und ein mittelpreisiges in einem danebenliegenden Schüttkasten, sind ebenfalls geplant. Die ehemalige Magna-Europazentrale ist nur noch ein Haufen Schutt, auch hier werden neue Häuser gebaut. Magna ist vor Jahren abgezogen und hat ein tiefes Loch im Budget der Gemeinde hinterlassen.

Gespaltenes Verhältnis

"Mich freut der Gesamtplan der Fontana", sagt Natascha Matousek, die Bürgermeisterin von Oberwaltersdorf, der rund 5000-köpfigen Gemeinde, zu der die Fontana gehört. Ihr Büro im Gemeindeamt ist in der alten Bettfedernfabrik angesiedelt, von den Häusern der Platanenstraße in der Fontana trennen sie rund 200 Meter.

Bürgermeisterin Natascha Matousek betont immer wieder die Einheit in der Gemeinde.
Foto: Christian Fischer

"Als ich 2016 Bürgermeisterin geworden bin, war mir das auch wichtig klarzumachen, dass wir ein Oberwaltersdorf sind", sagt sie. "Es sollen alle gleichbehandelt werden, egal was sie verdienen, wo sie arbeiten oder wohnen." Und als Stronach vor Jahrzehnten begonnen hat, die Fontana zu entwickeln, habe es eine zustimmende Einstimmigkeit unter den Oberwaltersdorfern gegeben.

Hört man sich im Ort um, ist das Verhältnis aber eher gespalten. Manche sagen, das Zusammenleben zwischen den Oberwaltersdorfern und den Fontana-Bewohnern funktioniere "sehr gut. Die Kinder besuchen den gemeinsamen Kinder garten oder die Schulen." Und auch Matousek erzählt, der beste Freund ihrer Tochter wohne in der Fontana.

Andere sprechen wiederum von "Drama", vergleichen die Siedlung mit dem Film Die Frauen von Stepford und erzählen viele Anekdoten: "Ich weiß nur, dass die Fontana-Bewohner gerne mal mit dem Golfcart zum Einkaufen herüber in den benachbarten Supermarkt fahren", sagt eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte. Dem STANDARD begegnet auf dem Parkplatz ebenfalls ein solches Gefährt.

In der Nachbarschaft stehen gerne Golfcarts unbeaufsichtigt herum.
Foto: Christian Fischer

Des Weiteren sollen Kinder Ärger bekommen, wenn sie zu laut spielen, die Bewohner würden sich als etwas Besseres sehen, und man sehe hier sowieso nie Menschen.

In der Tat ist die Siedlung nicht sehr belebt. Bei vielen Fenstern sind die Jalousien heruntergelassen, die Einfahrten leer, der Rasen trotzdem frisch geschnitten. Das ist allerdings dem hohen Anteil an Zweitwohnsitzen geschuldet, den auch Matousek bestätigt. Viele Gutbetuchte haben hier ein Haus als Ausgleich zu ihrer Stadtwohnung.

Dass die verschiedenen Mitglieder der Gemeinde nicht immer auf einer Wellenlänge sind, bestätigen auch langjährige Fontana-Bewohner. Man würde als Hausbesitzer sofort in eine Schublade gesteckt, es gebe Vorurteile, und viele wüssten nicht, dass es auch innerhalb der Fontana ein Gefälle gibt: "Es gibt auch hier drin Menschen, die für ihr Geld hart gearbeitet haben und das immer noch tun."

Einige wollen in der Fontana nicht gesehen werden.
Foto: Christian Fischer

Schubladendenken

Dabei verfolgte der Plan Stronachs immer ein funktionierendes Zusammenleben. Eine Schranke vor der Brücke gibt es bis heute nicht, die Straßen der Fontana sind öffentlich. Es habe Abstimmungen dar über gegeben, erzählen Anwohner. Die Mehrheit habe sich aber dagegen entschieden, obwohl zu Beginn der Siedlung immer wieder Busse mit fotografierenden Touristen durchgefahren seien, wie auf einer Safari.

Bürgermeisterin Matousek würde die Kritiker auf beiden Seiten gerne an der Hand nehmen und zusammenführen. Zumal das Gebiet der Fontana in Zukunft dabei helfen soll, als Retentionsfläche ein mögliches Hochwasser in Oberwaltersdorf zu verhindern.

Dass sie vermitteln möchte, glaubt man ihr auch, nur scheinen die Probleme der Fontana tiefgründiger zu sein. Oder wie es ein Anwohner formuliert: "Viele Bewohner definieren sich über ihren Reichtum und stellen diesen auch gerne zur Schau." Klar, dass das nicht überall gut ankommt.

Alexandra Samarskaya ist sich sicher, ihr Objekt bald verkaufen zu können. "Man hat einfach immer eine Art Urlaubsfeeling, wenn man hier ist", sagt sie. Das stimmt, steht man im Garten des Anwesens, überkommt einen fast die Ruhe, der Wind ist nahezu das Einzige, das hier Geräusche erzeugt. Und wer kann dieser Tage nicht ein wenig Ruhe gebrauchen.

Eine Sache, die sie zukünftigen Fontana-Bewohnern immer mit auf den Weg gibt? "Lernen Sie Golf spielen." Wer weiß, vielleicht verwandelt die Brücke jeden in einen Profigolfer.

Immerhin ist sie magisch. (Thorben Pollerhof, Christian Fischer, 24.05.2021)