Corona-bedingt fiel auch die Wahlparty klein aus.
Foto: ÖH/Pargan

Es war ein Gefühlswirrwarr, in dem sich in der Nacht auf Freitag kurz vor Mitternacht die Kandidatinnen und Kandidaten für die ÖH-Wahl befunden haben. Vor allem der Verband Sozialistischer Studierender (VSStÖ), der mit 24,6 Prozent erstmals auf Bundesebene Platz eins erreicht hat, konnte seinen Wahlerfolg nur bedingt feiern. "Wir freuen uns über die starke Bestätigung, die wir von den Studierenden bekommen haben", erklärte die rote Spitzenkandidatin Sara Velić, deren Liste sowohl die Grünen und Alternativen Studierenden (Gras) mit 21,7 Prozent wie auch die Aktionsgemeinschaft (AG) mit 21,0 Prozent überholen konnte. "Wir wollen die Studierenden jetzt wieder in den Mittelpunkt der ÖH stellen", erklärte Velić.

Doch zu überschwänglich konnte die Freude über den Sieg dann jedoch nicht werden. Schließlich gaben von den rund 345.000 wahlberechtigten Studierenden an Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten lediglich 53.181 ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung rutschte von dem bereits sehr geringen Ausgangswert aus dem Jahr 2019 von rund 25,8 Prozent um zehn Prozentpunkte auf nur 15,9 Prozent ab.

DER STANDARD

"Es war über ein Jahr so, dass keine Studierenden an die Unis gekommen sind, binnen drei Tagen waren fast 50.000 Menschen da", betonte Velić. Das sei ein "großer politischer Zuspruch", den der VSStÖ in den kommenden Jahren ausbauen wolle: "Wir wollen eine Studierendenbefragung abhalten, um in vertiefende Gespräche mit den Studierenden zu gehen", sagte Velić.

Anders sah das die aktuelle ÖH-Chefin Sabine Hanger von der AG. "85 Prozent der Studierenden sind nicht wählen gegangen", betonte sie. "Genau hier müssen wir ansetzen und über die Fraktionen hinweg schauen, wie wir die Studierenden wieder dazu bringen, dass sie hinter ihrer Interessenvertretung stehen, ob Pandemie oder nicht."

Frage der Legitimation

Hanger forderte wegen der geringen Wahlbeteiligung eine Urabstimmung zur ÖH, um die Studierenden wieder zu erreichen. Die Studierenden sollen gefragt werden, wie es mit der ÖH weitergeht. "Ich halte es demokratiepolitisch für sehr fragwürdig, hier die Legitimationsfrage nicht zu stellen", sagte Hanger.

DER STANDARD

Laut Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) müsse erst einmal genau analysiert werden, wie es zu der niedrigen Wahlbeteiligung insgesamt und auch der unterschiedlich starken Inanspruchnahme des Wahlrechts je nach Hochschule gekommen sei, sagte er.

Linke sieht Handlungsauftrag

Nach der ÖH-Wahl stellt sich aber nicht nur die Frage nach der Legitimation für die wahlwerbenden Listen. Schwierig wird in den nächsten Wochen vor allem die Mehrheitsfindung im österreichweiten Studentenparlament mit 55 Sitzen. Für eine stabile Koalition braucht es mindestens drei Listen, die zusammenarbeiten.

Die Spitzenkandidatin der Gras, Keya Baier, sieht in dem "starken linken Ergebnis" einen "Handlungsauftrag" der Studierenden, um eine Koalition zu bilden. Zu einer linken ÖH-Führung bestehend aus Gras, VSStÖ und Fachschaftslisten (Flö) kam es in der ÖH-Bundesvertretung auch nach den vergangenen Wahlen 2019 – allerdings zerstritt sich diese auf halbem Weg, 2020 wurde Hanger zur ersten ÖH-Chefin der AG seit zwölf Jahren.

DER STANDARD

Noch einmal soll es aber nicht zu einem Bruch innerhalb der ÖH-Linken kommen, sagt Baier. Sie selbst komme aus einer "starken linken Koalition" an der Uni Salzburg. Das wolle sie auch auf Bundesebene umsetzen.

Eine solche linke Koalition wäre heuer aber auch ohne die Flö möglich, die auf 10,5 Prozent der Stimmen kam. Um die notwendigen 28 Mandate zu erreichen, würde auch eine Zusammenarbeit von Gras, VSStÖ und einer der beiden kommunistischen Listen, die beide zugelegt haben, reichen. Der KSV LiLi kam auf 4,5 Prozent, der KSV–KJÖ auf 3,7 Prozent.

Die Jungen Liberalen Studierenden (Junos) erreichten 11,3, der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) 2,7 Prozent. Während also für alle alles offen ist, gilt das nicht für die blauen Studierenden vom RFS: Alle anderen Listen schließen eine Koalition mit ihnen aus. Gewählt muss die ÖH-Spitze Ende Juni sein.

Hochschulvertretungen stabil

An den einzelnen Hochschulvertretungen hat sich bei den Mehrheitsverhältnissen vergleichsweise recht wenig getan. Die AG musste besonders in ihren Hochburgen einstecken. An der Wirtschaftsuniversität Wien fuhr sie ein Minus von zehn Prozentpunkten ein, erreichte mit 45,6 Prozent allerdings trotzdem noch die absolute Mandatsmehrheit. Anders war das an der Uni Innsbruck: Dort fiel die AG-Absolute bei einem Minus von rund sieben Prozentpunkten. 38 Prozent wählten AG.

Die Fachschaftslisten bleiben an den Technischen Unis in Wien und Graz zwar die mit Abstand stärkste Fraktion, an der TU Graz hat es diesmal nach einem Rückgang um neun Prozentpunkte auf 42,6 Prozent allerdings nicht mehr für die Absolute gereicht.

An der Uni Wien verlor die Gras zwar rund sechs Prozent. Gemeinsam mit dem VSStÖ, der Mandate und Prozent erhöhen konnte, bleibt der Koalition allerdings die Mehrheit. Auch an der Uni Wien fuhr die AG eine Niederlage ein. Sie wurde vom KSV-Lili auf den vierten Platz verdrängt. (Oona Kroisleitner, Selina Thaler, 21.5.2021)