Moment! Irgendwas stimmt da nicht. Das wird schon in den ersten Minuten des Spinning-Kurses auf dem Dach eines Bürohauses im 15. Bezirk klar. Nein, Wind und Regen, die einem beim Radeln am Stand ins Gesicht peitschen, sind es nicht. Daran hat man sich in diesem Frühling gewöhnt. Dann fällt der Groschen: Ich habe tatsächlich vergessen, für das Training meine FFP-2-Maske abzunehmen! Und sagen wir so: Die Luft ist mir schnell ausgegangen.

Aber wo verstaut man die Maske eigentlich, wenn man bereits auf dem Spinning-Bike sitzt und vorne die beiden Trainerinnen bei "Supercycle" Vollgas geben? Es sind Fragen wie diese, die uns vor 15 Monaten absurd vorgekommen wären – und die uns nun, da die Fitnessstudios seit wenigen Tagen wieder offen haben, beschäftigen.

Am Heumarkt, wo im Winter die Eisläufer herumkurven, kann noch bis Ende Juni an 50 Trainingsgeräten unter freiem Himmel der Körper gestählt werden.
Foto: Andy Urban

Nicht nur im 15. Bezirk sporteln Motivierte jetzt unter freiem Himmel. Wo im Winter Menschen mit Schlittschuhen herumkurven, wird seit wenigen Tagen gestöhnt und geächzt. Auf dem Areal des Eislaufvereins in Wien-Landstraße ist auf 6000 Quadratmetern der laut Betreibern größte Outdoor-Gym Europas entstanden. Bei Wind und Wetter trainieren viele eh schon ziemlich fit Wirkende an den Geräten.

Heißes Pflaster für Fitfluencer

"Das war eine von vielen Schnapsideen", sagt Ussy Doleh, dem der Malu Sportsclub im ersten Bezirk gehört. Gemeinsam mit Sportnahrungshersteller Atombody hat er innerhalb weniger Tage das Fitnessstudio unter freiem Himmel aus dem Boden gestampft. Dafür brauchte es einige glückliche Fügungen: Die Geräte hat er bei der Schließung eines Fitnessstudios ersteigert, das Areal am Heumarkt zur Untermiete übernommen. Bis Ende Juni kann hier gepumpt werden. Danach werden die Geräte weiterverkauft.

Am Heumarkt ist die Witterung nebensächlich.
Foto: Andy Urban

Die meisten, die kommen, seien dankbar für das Angebot, erzählt Betreiber Ussy Doleh. Denn nicht alle wollen angesichts von Corona gleich wieder drinnen trainieren. Beim Lokalaugenschein zeigt sich auch: Das Outdoor-Gym ist ein heißes Pflaster für Fitfluencerinnen und Fitfluencer. Soll heißen: Hier wird nicht nur gesportelt, hier wird auch gern mit nacktem Oberkörper gepost und fotografiert.

Dass ein Regenguss wenig später Geräte und Trainierende klatschnass macht, ist dabei fast nebensächlich. "Ich will meinen Tagespass ausnutzen", erklärt Maxime. Rund 13 Euro kostet dieser. Der junge Mann breitet sogar bei Starkregen noch vorbildhaft sein inzwischen triefendes Handtuch auf den Geräten aus, bevor er trainiert. Ein paar Meter weiter hat auch Chris ein nasses Shirt. Vier Monate habe er keinen Sport gemacht, erzählt er und schaut zweifelnd an sich hinunter. Jetzt soll es wieder losgehen.

Probleme für kleine Studios

Abseits von den Trainingsgeräten gibt es am Heumarkt auch noch Platz für Sportkurse. Hier will Ussy Doleh kleineren Fitness- und Yogastudios Flächen anbieten. Denn pro Person müssen aktuell 20 Quadratmeter an Fläche in den Studios zur Verfügung stehen. Das ist für große Muckibuden kein Problem, trifft kleinere Anbieter aber hart. Manche haben daher gleich gar nicht aufgesperrt.

Auch die eingangs erwähnten Supercycle-Studios, in denen man sich auf Spinning-Bikes zu lauter Musik und unter einer Discokugel abstrampelt, sind davon betroffen. Nur eines ihrer drei Studios sei groß genug, um dort Kurse anbieten zu könnten, erzählen die Geschäftsführerinnen Rhana Loudon und Olivia Hromatka. Acht Personen dürfen dort aktuell trainieren. Daher haben sie sich auf die Suche nach einem Standort im Freien gemacht: "Wir haben ganz Wien abgeklappert", sagt Hromatka. Im 15. Bezirk wurden sie fündig. Nun stehen 24 Spinning-Bikes unter freiem Himmel – und eine Discokugel gibt es auch. Von hier bietet sich ein spektakulärer Blick über die Dächer der Stadt. Bloß hat man für den Blick in die Ferne beim Strampeln ohnehin keine Zeit.

Im "Rooftop-Studio" kann man sich bei Supercycle bis in den Herbst hinein mit Blick auf Wien abstrampeln.
Foto: Supercycle

Ein Nachteil des "Rooftop-Studios": Wenn es schüttet, fallen die Kurse ins – Achtung! – Wasser. Auch die eingangs erwähnte Outdoor-Einheit fängt bei windigem Wetter an, das sich zu einem Regenguss auswächst. "Wenigstens brauchen wir uns danach nicht zu duschen", motiviert die Trainerin von vorne auf ihrem Rad die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ohnehin unbeirrt weiter in die Pedale treten. "Aber wo bleibt der Regenbogen?", ruft sie, als es vorübergehend heller wird. Keine Spur davon. Egal: Die Radlerinnen und Radler jubeln trotzdem.

Run auf die Sauna

Überhaupt berichten Fitnessanbieter unisono von guter Stimmung und großer Dankbarkeit vonseiten der Besucherinnen und Besucher, dass es wieder losgeht. Auch die Drei-G-Regel – man muss geimpft, getestet oder genesen sein, um reinzudürfen – werde großteils akzeptiert. Bei der Fit Fabrik kann man mittels App das Testergebnis schon vor dem Besuch im Studio hochladen, um das Prozedere bei der Ankunft zu beschleunigen. Vorab kann die Auslastung des Studios online überprüft werden.

Beim Fitnessstudio von John Harris im ersten Bezirk standen am Tag der Öffnung schon vor 6.30 Uhr in der Früh die Menschen Schlange. Was dann besonders begehrt war? "Sauna und Wellness", sagt Pressesprecher Christian Zöbl und lacht. Das sei wohl auch dem Wetter geschuldet. "Es ist gerade sehr emotional", erzählt wiederum Giulia Tamiazzo vom Yoga- und Meditationsstudio Retreat in Wien-Neubau. Auch Freudentränen seien geflossen, als die ersten Kurse wieder von Angesicht zu Angesicht abgehalten wurden.

Insgesamt 6000 Quadratmeter werden vom Outdoor-Gym bespielt.
Foto: Andy Urban

Und das, obwohl manche vor einem Jahr noch von einem Siegeszug der Online-Kurse ausgegangen sind. "Aber die Fitnessstudios werden nie totzukriegen sein", ist Ussy Doleh in seinem Outdoor-Gym am Heumarkt überzeugt. "Das Gestöhne, das Geächze, den Geruch und den Schweiß kann man bei Online-Workouts nie reproduzieren."

Auch ich muss in der Spinning-Klasse auf dem Dach innerhalb kürzester Zeit grinsen. Die FFP2-Maske, die am Lenker vom Wind gebeutelt wird, ist vergessen. Fehlen nur noch sommerliche Temperaturen – oder zumindest ein Regenbogen. (Franziska Zoidl, 24.5.2021)