Der einhellige Tenor der Experten lautet: Abwarten, wie sich die Öffnung entwickelt. Lücken in der Durchimpfungsrate könnten sich entscheidend auf die Abschaffung der Masken auswirken. Spätestens im Herbst heißt es dann aber wieder: Bitte Maske tragen!

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Bald könnte sie aus dem Alltag verschwinden: die Maske. Schon im Juni könnte die Maskenpflicht fallen, sagte der Komplexitätsforscher Peter Klimek diese Woche dem ORF. Davon ausgenommen: sensible Bereiche wie Krankenhäuser. Auch der Epidemiologe Gerald Gartlehner sprach bereits von der Option, bald auf den Gesichtsschutz verzichten zu können.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will über das Aus der Maskenpflicht kommenden Freitag mit den Landeshauptleuten entscheiden – ob es sich dabei um ein Aus der FFP2-Maske handelt, die Stoffmasken dafür aber zurückkommen, ließ er offen. Doch was wäre sinnvoll?

Sowohl Gartlehner als auch Klimek knüpfen die Abschaffung der Maskenpflicht an eine Voraussetzung: 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung müssten dafür voll immunisiert sein. Ab dieser Durchimpfungsrate konnte man etwa in Großbritannien und Israel einen starken Rückgang des Infektionsgeschehens beobachten. Begleitende Schutzmaßnahmen wie etwa das Tragen von Masken sind laut Klimek und Gartlehner dann wahrscheinlich nicht mehr notwendig. In Österreich wird man diese Durchimpfungsrate voraussichtlich im Juni erreichen.

Lücken bei Immunisierung

Für den Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka fällt die Abwägung zwischen dem Wegfall der Einschränkungen für die Gesamtgesellschaft und den Schutzmöglichkeiten des Einzelnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig aus. Denn nicht jeder wird bis dahin auch die Möglichkeit gehabt haben, sich impfen zu lassen.

Dazu kommt: Ob die Durchimpfungsrate von 40 bis 50 Prozent auch in einem großen Ausmaß infektionsmindernd wirkt, hänge davon ab, wer unter den Geimpften ist. Sind es Personen, die zu einem großen Anteil zum Infektionsgeschehen beitragen, weil sie viele Kontakte haben? Oder aber wurden vor allem jene geimpft, die in Beruf und Freizeit eher wenige andere Menschen treffen? In Österreich würde man das schlicht nicht wissen.

"Ich würde den Wegfall von begleitenden Maßnahmen deshalb nicht an einer rein technischen Größe wie der Durchimpfungsrate festmachen", sagt Czypionka. Es gehe nun darum zu beobachten, wie sich die Infektionen nach den Öffnungen entwickeln – und wie gut jene geschützt sind, bei denen die Impfung aufgrund der Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten nur eingeschränkt wirkt.

Grundsätzlich müsse man auch differenzieren: Fällt die Maskenpflicht für Geimpfte, Getestete und Genese – oder für alle? Und: Sollen nur gewisse Bereiche von der Maskenpflicht ausgenommen werden und andere nicht? Czypionka hält es für wichtig, dass man hier schrittweise vorgeht und evaluiert. Für alle könnte die Maskenpflicht, so Czypionka, dann fallen, wenn auch jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen.

Im Herbst neu bewerten

Im Herbst könnte es sogar nötig werden, die Maske auch für Geimpfte wieder verpflichtend einzuführen. Nämlich dann, wenn es aufgrund von Lücken in der Immunisierung – durch Impfverweigerer oder Impfdurchbrüche bei chronisch kranken Menschen – zu einer weiteren Welle kommt.

Auch für die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck kommt der Vorstoß jedenfalls verfrüht. Lockerungen im Hochsommer hält sie aber für durchaus möglich. "Bleiben die Zahlen niedrig oder sinken weiter, ist es in Hinblick auf die Impfungen und den Hochsommer denkbar, die Masken in den Außenbereichen wegzulassen", sagt von Laer. Für Innenräume wie beispielsweise Kinos gelte das aber auch dann nicht.

Infektiös trotz Impfung?

Denn noch ist nicht geklärt, in welchem Ausmaß Geimpfte das Virus weiterhin übertragen können. "Diejenigen, die sich trotz der Impfung infizieren, sind höchstwahrscheinlich weniger ansteckend", sagt von Laer. Genau wisse man das aber noch nicht. Solange noch nicht alle geimpft sind, hält von Laer den kompletten Fall der Maskenpflicht deshalb für "problematisch".

Sollte die Maskenpflicht aber fallen, müsste das für alle gelten – also auch für die Ungeimpften. Alles andere wäre laut von Laer aus logistischen Gründen schwer umzusetzen. Denn: "Man kann nicht jeden, der keine Maske trägt, überprüfen." (Eja Kapeller, Julia Palmai, 21.5.2021)