Monatelange Schließungen kosten Lokalbetreiber viel Geld. Aber nicht jeder kann deshalb Mietzinsminderungen geltend machen.

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In der Diskussion, ob Umsatzverluste als Folge der Pandemie zu Mietzinsreduktionen berechtigen, plädierten Christian Prader und Lukas Gottardis in einem Gastbeitrag am 8. Mai darauf, dass die rechtlichen Vorgaben des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches – auf die sich unter anderem die aktuellen Mietzinsminderungen aufgrund von Covid-19 stützen – "richtig" auszulegen seien. In ihrer Replik auf einen früheren Beitrag schließen sie sogar die Möglichkeit aus, die entsprechenden Mietzinsminderungsregelungen vertraglich vom Gesetz abweichend auszugestalten, obwohl dies in der Praxis erstens häufig vorkommt und zweitens auch unstrittig zulässig ist.

Überschießender Mieterschutz darf nicht zu absurden Ergebnisse führen

Bei der Argumentation für derart umfassende Mietzinsminderungen, wie im Gastbeitrag verfolgt, wird rasch klar, dass nicht der Wunsch nach "richtiger" Auslegung im Hintergrund steht, sondern vielmehr der Gedanke, der das österreichische Mietrecht ganz allgemein treibt: (überbordender) Mieterschutz. In diesem einzigartigen Fall sollen aber nicht Wohnungsmieter geschützt werden, sondern versuchen vor allem Teile der Wirtschaft zu erreichen, dass Geschäftsraummieter entlastet werden. Zu diesem Zweck wurden auch diverse Gutachten in Auftrag gegeben.

Auf der anderen Seite liegt es im Interesse der Immobilienwirtschaft, dass möglichst wenige Mietzinsminderungen möglich sind. Unseres Erachtens ist daher die "richtige" Auslegung der Mietzinsminderungsbestimmung tatsächlich sehr wichtig; diese führt aber keinesfalls dazu, dass einerseits reine Umsatzrückgänge zu Mietzinsminderungen führen können, solange ein Objekt brauchbar ist und andererseits Gesetzesbestimmungen, von denen mittels Mietvertrags abgewichen werden kann, zu zwingendem Recht werden.

Nur bei Unbrauchbarkeit können Mietzinsminderungen tatsächlich geltend gemacht werden: so etwa von Mietern, die unter die behördlichen Betriebsstättenschließungen fielen. Dass die Mietzinsminderungsparagrafen im Gastbeitrag "nicht richtig" ausgelegt werden, zeigt schon die Argumentation zum vertraglichen Ausschluss der Bezug habenden Normen.

Vertraglicher Ausschluss der Covid-19-Mietminderungen natürlich möglich

Von Prader und Gottardis wird de facto ausgeschlossen, dass die Minderungsbestimmungen nach §§ 1104 f ABGB vertraglich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können. Tatsächlich ist es aber unstrittig, dass Mieter und Vermieter in ihrem Mietvertrag vereinbaren können, dass die Bestimmungen gar nicht oder auch nur teilweise zur Anwendung kommen: Die Bestimmungen, auf die sich Mieter aufgrund von Covid-19 stützen, sind also abdingbar.

Die angeblich faktisch fehlende Abdingbarkeit wird im Gastbeitrag vor allem mit der sogenannten "Klauselkontrolle" begründet, mit welcher gröblich benachteiligende Klauseln in AGBs für nichtig erklärt werden. AGBs sind dabei nicht nur explizit als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" gekennzeichnete Blätter, sondern grundsätzlich jedes Vertragsformblatt, das von einer stärkeren Partei vorgegeben wird und der anderen Partei wenig bis keinen Verhandlungsspielraum lässt. In der Praxis kommt dies vor allem bei Wohnungsmietverträgen vor, bei denen kommerzielle Vermieter immer gleiche Vertragsmuster verwenden und Verbraucher in ihrer Wohnungssuche "gezwungen sind", den Mietvertrag so zu akzeptieren, wie er vorgegeben ist.

Bei den Covid-19-Mietzinsminderungen handelt es sich aber um Geschäftsraummieten: Beide Parteien sind Unternehmer. Die Klauselkontrolle kommt aber in Unternehmergeschäften nur eingeschränkt zur Anwendung, weil man davon ausgeht, dass keine Partei überlegen ist und ein Unternehmer in Vertragsverhandlungen weniger schützenswert ist als ein Verbraucher.

Bei tatsächlichen Kräfteunterschieden kann das Prinzip zwar trotzdem zur Anwendung kommen; dann darf der Mietvertrag aber nicht individuell ausgehandelt sein, sondern es muss sich um AGBs handeln. In der Praxis kann es daher zwar vorkommen, dass ein vertraglicher Ausschluss von Mietzinsminderungen gemäß §§ 1104 f ABGB nichtig ist, aber das ist keinesfalls die Regel wie darzustellen versucht wird.

In der Praxis kommt es gar nicht so selten vor, dass zumindest einzelne außerordentliche Zufälle wie Krieg, Feuer oder auch eine Seuche vertraglich anders geregelt werden. So soll das Unternehmerrisiko klar dem Mieter zugeordnet werden – ein Prinzip, das bis jetzt immer anerkannt war.

Dabei ist es wichtig zwischen dispositivem und zwingendem zu unterscheiden: dispositives Recht darf von den Vertragsparteien vertraglich umgestaltet werden, zwingendes Recht aber nicht. Die Mietzinsminderungsbestimmungen des ABGB, die für Covid-19 herangezogen werden, sind dispositiv – auch wenn im Gastbeitrag eine "Unabdingbarkeit" gefordert wird. Damit unterscheiden sie sich auch von Mietzinsminderungen gemäß § 1096 ABGB, die für "normale" Zufälle wie Baustellenlärm oder Ungezieferbefall geltend gemacht werden können; derartige Mietzinsminderungsmöglichkeiten dürfen vertraglich nicht ausgeschlossen werden – auch nicht für Unternehmer.

In Fällen der Covid-19-Mietzinsminderungen – also Mietzinsminderungen für "außerordentliche" Zufälle wie Krieg oder Seuche – wurde dagegen die Möglichkeit geschaffen, diese vertraglich auszuschließen oder einzuschränken. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass auch die Mietzinsminderungen für "außerordentliche" Zufälle vertraglich nicht abweichend geregelt werden könnten, hätte er das normiert – so wie schon für die "normalen" Zufälle.

Wann ist eine Covid-19-Mietzinsminderung vertraglich ausgeschlossen?

Eine Vertragsprüfung ist sowohl für Vermieter als auch für Mieter in jedem Fall empfehlenswert, wenn Mietzinsminderungen geltend gemacht werden sollen. Es sollen kurze Beispielklauseln präsentiert werden, die eine Mietzinsminderung aufgrund von Covid-19 wohl ausschließen würden:

  • Die §§ 1104 f ABGB werden ausdrücklich ausgeschlossen; der Mieter nimmt dabei explizit alle Gefahren auf sich, jedoch nicht den zufälligen Untergang der Sache. Diesfalls ist kein Mietzins zu bezahlen.
  • Für den Fall, dass die Nutzung des Objekts teilweise oder vollständig aus welchem Grund auch immer aufgrund behördlicher Anordnungen verunmöglicht wird, ist eine (anteilige) Mietzinsminderung ausgeschlossen.
  • Kann das Mietobjekt aufgrund eines außerordentlichen Zufalls wie Krieg, Feuer oder Seuche nicht genutzt werden, verzichtet der Mieter auf jegliche Ansprüche, die ihm aufgrund des Gesetzes zustehen. (Hannah Fadinger, Thomas Seeber, 24.5.2021)