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Der grüne Pass soll allen Europäerinnen und Europäern einen Urlaub am Meer ermöglichen.

Foto: AP / Thanassis Stavrakis

Den Freitag vor Pfingsten nützte der Ständige Ratspräsident Charles Michel nach der weltpolitisch wegen der Nahostkrise turbulenten Woche noch einmal für klärende Vorgespräche mit den Staats- und Regierungschefs. In kleineren Videocalls wurde erörtert, wie man den Montagabend in Brüssel beginnenden EU-Gipfel am effizientesten über die Bühne bringen könnte, um den von der Corona-Krise gebeutelten Bürgern wenigstens prinzipielle Erfolge zeigen und die Union in ihrer globalen Rolle sichtbar machen zu können.

Dazu soll vor allem der in der Nacht auf Freitag ausgehandelte Kompromiss zwischen den Staaten, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission ausgehandelte Kompromiss beim sogenannten "grünen Pass" beitragen. Laut EU-Kommissar Didier Reynders werde damit ab Juli die Reisefreiheit, das Europa der offenen Grenzen gemäß dem Schengen-Abkommen, wiederhergestellt. Wer mit einem entsprechenden EU-Zertifikat nachweisen könne, dass er entweder geimpft oder getestet oder nach einer Covid-19-Erkrankung immun ist, für den werde es keine nationalen Einschränkungen wie Quarantänepflichten oder Einreiselimits geben.

QR-Codes für alle

Dieses Zertifikat werde als QR-Code in allen EU-Staaten gleiche Gültigkeit haben. In Österreich sollte der grüne Pass nach dem Willen der Regierung sogar schon im Juni funktionieren.

Ganz ohne Einschränkungen wird es freilich nicht gehen. Geklärt ist bisher nur, dass die sich aus dem Zertifikat ergebenden Freiheiten nur dann gesichert sind, wenn jemand mit einem von der Europäischen Medizinbehörde (EMA) zugelassenen Impfstoff immunisiert wurde. Wie das bei anderen Impfstoffen gehandhabt wird, etwa dem russischen Sputnik, das bleibt weiterhin den Nationalstaaten überlassen.

Auch wurde dem Wunsch der EU-Parlamentarier, wonach Tests EU-weit gratis sein müssten, nicht entsprochen. Im Institutionenkompromiss wurde lediglich vereinbart, dass die Tests für die reisenden EU-Bürger im Ausland "leistbar" sein müssten. Die Kommission will aus EU-Mitteln 100 Millionen Euro lockermachen, um das zu unterstützen – in der Praxis ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.

Kein Fleckerlteppich

Aber: Die Regierungen haben einander zumindest beste Absichten zugesichert, dass der grüne Pass mit dem Start der Sommersaison im Tourismus grosso modo gut brauchbar sein müsse. Deutschland oder Dänemark zeigen noch eine gewisse Vorsicht, was die Anwendung strenger Pandemieregeln betrifft. Ein völlig unüberschaubarer "Fleckerlteppich" an Regeln und Maßnahmen quer durch die 27 EU-Staaten dürfte aber abgewendet sein.

Die nationalen Regierungen haben sich ohnehin eine Notfallklausel gesichert, die niemand infrage stellt: Wenn sich die Lage in einem Land beispielsweise durch Virusmutationen gefährlich zuspitzt, können sie jederzeit strikte Kontrollen und Quarantäne anordnen. Die EU hat keine Kompetenz, das einem Land zu verbieten.

Klimaziele

Um den Tourismus mit Drittländern zu erleichtern, etwa für Chinesen oder Russen, sollen die EU-Staaten auch deren Impfstoffe akzeptieren dürfen. Und die Inzidenzschwelle für Drittländer wurde von 25 auf 75 pro 100.000 Einwohner angehoben.

In Sachen grüner Pass sollte beim EU-Gipfel also alles glatt über die Bühne gehen. Ganz anders ist das beim zweiten Thema, das Michel neben den Beziehungen zu Russland prominent diskutieren möchte: wie die EU konkret ihre Klimaziele der Reduzierung von Treibhausgasen um 55 Prozent bis 2030 erreichen will bzw. wie viel Geld die Staaten dazu aus EU-Mitteln erhalten sollen.

Bisher galt, dass sich das an der Pro-Kopf-Wertschöpfung der Länder orientieren solle. Wohlhabende Staaten wie Österreich wollen das durch Berücksichtigung anderer Faktoren korrigieren, ihre daraus entstehenden Finanzlasten reduzieren. So viel scheint sicher: Hitzige Debatten sind bis Dienstag zu erwarten – so wie schon im Dezember 2020. (Thomas Mayer, 21.5.2021)