In ausgelassener Feierlaune waren am Donnerstagabend auch die Sieger der Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) nicht. Groß war der Schock über die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung unter den Studierenden – 16 Prozent, knapp zehn Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren.

Das Rekordtief auf das pandemiebedingte Distance-Learning zurückzuführen greift zu kurz. Klar sind dadurch kaum Studierende an den Hochschulen, und es gibt somit weniger spontane Urnengänger. Und auch wennfast doppelt so viele Wahlkarten wie sonst abgegeben wurden – das machte das Kraut auch nicht fett.

An insgesamt 73 Hochschulen wurde die Österreichische Hochschülerschaft bestimmt.
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Das ist nicht überraschend, sondern vielmehr Zeugnis einer vielschichtigen langjährigen Entwicklung, die sich nun unter dem pandemischen Vergrößerungsglas zeigt: Im verschulten Bologna-System gibt es für viele Studierende wenig Raum für Debatten, sie sollen möglichst schnell studieren, um für den Arbeitsmarkt fit zu sein. Bildungspolitische Themen scheinen für die Jungen abstrakter als etwa Klimafragen und Identitätspolitik. Vielleicht sinkt die Beteiligung auch deshalb stetig.

Und offenbar ist den meisten die ÖH als Institution egal. Ihre Position zwischen Service und Gesellschaftspolitik ist unklar definiert, statt ihrer Tätigkeit dringen vor allem das Hickhack der Fraktionen und Machtspielchen an die Öffentlichkeit. Und ihre politische Durchschlagskraft ist ohnehin gering – nicht zuletzt durch die sukzessive Einschränkung ihrer Mitbestimmung in Hochschulgremien. Da stellt sich für die Wählerin und den Wähler die Frage: Welchen Unterschied macht es, zu wählen?

Starke Stimme

Dabei hätte die Hochschülerschaft gerade in der Pandemie, in der Studierende besonders mit Fernlehre, psychischer Belastung und finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, eine starke Stimme gegen die kaum vorhandene Hochschulpolitik der Regierung sein müssen. Insofern dürften die einzigen Verluste, die der beiden regierungsnahen Fraktionen Aktionsgemeinschaft (AG) und Grüne & Alternative Student_innen (Gras), auch eine Abrechnung mit der "großen" Politik sein. Mit Politikverdrossenheit ist die geringe Wahlbeteiligung also nicht zwingend gleichzusetzen. Dass der rote Verband sozialistischer Student_innen (VSStÖ) erstmals stimmenstärkste Fraktion wurde und die AG von Platz eins verdrängte, dürfte auch einen gewichtigeren Grund haben: Wer wie der VSStÖ große, straffe Strukturen und befreundete Jugendorganisationen hinter sich hat, kann leichter Klientel mobilisieren. Genauso die kleinen Listen: Sowohl die beiden Kommunistischen Verbände (KSV-LiLi und KSV-KJÖ) als auch der FPÖ-nahe Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) verzeichneten prozentuelle Zugewinne.

Die serviceorientierte AG, die Studierende auf Campusfesten und Beratungen anspricht, hat da gerade in ihren Hochburgen eingebüßt. Naheliegenderweise dürften jene, denen Service wichtig ist, nicht extra an die Uni gefahren sein, um ein Kreuzerl zu machen – politisch Interessierte, die es als Pflicht sehen, wählen zu gehen, aber schon. Für sie dürfte auch Service weniger zählen.

Die schwache Beteiligung stellt nicht nur die Legitimation der ÖH infrage, sondern hat langfristige Folgen für die Gesellschaft. Hätte die ÖH als Lobby der Jungen mehr Studierende hinter sich, würde die Politik wohl auch ihre Bedürfnisse mehr berücksichtigen. (Selina Thaler, 22.5.2021)