Shops wie Hypeneedz und Piece of Heaven verkaufen rare Sneaker (hier der J Balvin x Air Jordan 1 High): Die Unternehmen haben in den vergangenen Monaten trotz Pandemie in Wien aufgeschlagen.

Foto: The Place/ J Balvin x Air Jordan 1 High

Über die Wand mit der Wolkentapete verteilen sich 64 Paar Sneaker, im gläsernen Verkaufstresen sind ein halbes Dutzend weitere Modelle aufgereiht. Aleks Kamberovic, schwarzes Outfit, Prada-Anhänger vor der Brust, steht inmitten seines Stores Piece of Heaven. Im vergangenen August hat er seinen "Sneaker-Himmel" im ersten Bezirk eröffnet. Der Shop misst zwar nicht mehr als 20 Quadratmeter, dafür ist die Lage gut: Gerade einmal 50 Meter sind es bis zum großen Apple-Store, der Shoppingkathedrale an der Kärntner Straße.

Kamberovic lebt eigentlich in Deutschland, diese Woche ist er in Wien, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzuschulen. In seinem kleinen Store in der Weihburggasse werden ausschließlich Sneaker-Sondereditionen verkauft, von jedem Schuh gibt es nur wenige Exemplare pro Größe. Was die Modelle kosten, ist hier erst einmal nicht ersichtlich. Die Schuhe tragen keine Preisschilder, sie sind in eine transparente Kunststofffolie eingeschweißt, damit sie nicht an Wert verlieren.

"Air Jordan 1 High University Blue"
Foto: The Place

Niedrige Auflage

Was kosten die Sneaker im Piece of Heaven denn nun? "Ganz unterschiedlich", erklärt der 29-Jährige und deutet auf einen Schuh aus einer Kooperation von Nike mit dem Rapper Travis Scott: "Dieses Modell liegt bei 600 Euro." Ein Grund für den strammen Preis: Die Auflage ist niedrig, "weltweit nicht mehr als 100.000 Stück" gebe es von dem Modell, schätzt Kamberovic. Er kann allerdings nur mutmaßen, Zahlen geben Hersteller wie Nike nicht bekannt.

Es geht aber noch um einiges teurer. Vor einer Stunde erst habe er einen Schuh für 3.500 Euro verkauft, erklärt der Deutsche. Und der "Nike Off White Vapormax" aus der ersten Kooperation von Off-White-Designer Virgil Abloh? Der kostet momentan 2.000 Euro. Das Wörtchen "momentan" betont Kamberovic, denn die Preise der bunten Sneaker schwanken.

Einen Tag später kann derselbe Schuh 3.000 Euro kosten, genauso gut aber auch um 200 Euro günstiger sein. Sneaker werden gehandelt wie Aktien. Die Verkaufspreise der limitierten Modelle hängen von der Nachfrage ab, das Preisniveau erinnert an jenes der Handtaschenabteilung einer Louis-Vuitton-Filiale.

"Nike Zoom Fly Off-White Pink"
Foto: The Place

Junges Business

Im vergangenen Jahr, erklärt der Endzwanziger, habe der Umsatz seines 20-köpfigen Unternehmens The Place, zu dem die Filiale in Wien gehört, bei über einer Million Euro gelegen. Dabei ist das Business von Kamberovic noch gar nicht so alt. 2017 gründete er im hessischen Hanau seine Firma, ein Investor wurde ins Boot geholt, es folgten Store-Eröffnungen in Frankfurt und Düsseldorf.

Das Konzept des Unternehmens: Rare, ungetragene Modelle werden von Händlern in den USA und Europa sowie von Sammlern aufgekauft und wieder verkauft. Das Geschäft mit seltenen Streetwear-Produkten aus zweiter Hand boomt. International machen Onlineplattformen wie StockX, Grailed oder Goat Millionenumsätze. Reselling nennt sich das Konzept, das nach den USA seit einigen Jahren auch in Europa durch die Decke geht.

Wie groß das Interesse an raren Sneaker-Editionen ist, zeigte sich auch während der Eröffnung des Piece of Heaven. Damals standen die Sneakerheads in der Wiener Weihburggasse Schlange. "Dreitausend Menschen!", Kamberovic wirkt noch immer euphorisiert, während er das Handy zückt und Videos von den langen Warteschlangen zeigt.

"Adidas Yeezy Boost 350 Ash Pearl"
Foto: Hypeneedz

Nicht nur er hat seinen Store in prestigeträchtiger Lage eröffnet. Eine Ecke weiter in der Rauhensteingasse trotzt an diesem Spätnachmittag im Mai eine Traube Jugendlicher dem Regen. Die Gruppe wartet vor dem im Februar eröffneten deutschen Sneaker-Store Hypeneedz. Weil Glaubwürdigkeit das höchste Gut im Sneaker-Business ist, sind die Läden in Innenstadtlage für Firmen wie The Place oder Hypeneedz wichtige Aushängeschilder: Im Internet handeln einfach zu viele Verkäufer mit Fakes.

Sammler mit Geschäftssinn

Auch hinsichtlich der Entstehungsgeschichte ist das Unternehmen Hypeneedz ein typischer Vertreter seiner Zunft: Der heute 22-jährige Fabian Arnold gründete seine Firma gemeinsam mit ein paar Freunden in München. Damals war er selbst noch ein 15-jähriger Teenager und begeisterter Sneaker-Sammler. Heute besitzt er privat rund 60 Sneaker, posiert auf seinem privaten Instagram-Account gerne einmal mit seiner Gang im Bentley. Neben den Shops in München und Wien führt er einen Online-Store.

Mit den Kundinnen und Kunden wird vor allem über den Instagram-Account Kontakt gehalten und Nähe aufgebaut. Man stattet Rapper wie den Hamburger Kalim aus, kooperiert mit Fußballspielern, es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben.

Das Engagement trägt Früchte: 117.000 Follower hat Hypeneedz auf der Plattform, hier werden Fotos der aktuellen Modelle gepostet. In Wien schlug man "nach einer Standortanalyse" im Februar auf 178 Quadratmetern auf: "Wir haben festgestellt, dass wir in Wien viele Kunden haben", erklärt Arnold die Beweggründe, einen Shop in der österreichischen Bundeshauptstadt zu eröffnen.

"Nike SB Dunk Low Grateful Dead Bears Opti Yellow"
Foto: The Place

Die Zielgruppe ist mit den Jahren breiter und größer geworden: Zu Beginn habe sich die Kundschaft zwischen 14 und 22 Jahren bewegt, heute zwischen elf und 40. Auch der Anteil der weiblichen Kundschaft hat zugenommen, Arnold schätzt ihn mittlerweile auf mindestens 50 Prozent.

Im Sneaker-Mainstream

Diese Veränderungen mögen damit zu tun haben, dass limitierte Sneaker und Streetwear geschlechterübergreifend im Mainstream angekommen sind. "In den USA ist Reselling seit Ewigkeiten ein Thema, die Social-Media-Kanäle haben diese Entwicklung beschleunigt", meint Aleks Kamberovic. Kanye Wests Präsentation des Adidas Yeezy 2015 sei ein wichtiger Impulsgeber für den europäischen Markt gewesen.

"Adidas Yeezy Foam RNNR Sand"
Foto: Hypeneedz

Sneaker sind nicht nur längst im Museum gelandet (wie derzeit in der Londoner Ausstellung "Sneakers Unboxed: Studio to Street"), sie erfahren auch Wertsteigerungen wie Designerhandtaschen: Erst Ende April machte die Versteigerung eines Sneakers des Rappers Schlagzeilen: Für rund 1,5 Millionen Euro hatte das Auktionshaus Sotheby’s den Prototyp des "Nike Air Yeezy 1" versteigert. West hatte ihn mit Mark Smith, dem Kreativchef von Nike, entworfen und 2008 während der Grammys getragen.

Damit ist der "Nike Air Yeezy 1" der teuerste Sneaker, der jemals unter den Hammer kam. Dass die Preise für limitierte Modelle stetig steigen, sei eben das Besondere an diesem Business, meint auch Fabian Arnold: "Bei uns gab es noch keinen Fall, bei dem der Sneaker nach drei bis fünf Jahren den Einkaufspreis unterschritten hat."

Und die Marken? Sie lebten davon, dass über Verknappung ein Hype um ihre Produkte geschaffen werde, sonst würden sie ja mehr produzieren. Für einen 22-Jährigen klingt das ganz schön abgeklärt. (Anne Feldkamp, RONDO, 30.5.2021)