Protest und Solidiaritätswelle nach Posting eines "Kurier"-Redakteurs über Regenbogenfahne.

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Das Facebook-Posting eines leitenden "Kurier"-Redakteurs über die Regenbogen-Fahne als Kampfsymbol, die "nicht Zeichen der Toleranz" sei, hat massiven internen Protest des Redakteursausschusses sowie von offen schwul, lesbisch und bisexuell lebenden MItarbeitern und Mitarbeiterinnen ausgelöst und – laut mehreren Quellen – eine breite Solidarisierungswelle bis in die Geschäftsführung. Der Redakteur distanziert sich auf Anfrage von jeder Diskriminierung Homosexueller, Kritik aber müsse möglich sein.

"Meingott, Sobotka!"

"Meingott, Sobotka!", postete Rudolf Mitlöhner, stellvertretender Ressortleiter der "Kurier"-Innenpolitik, vorigen Montag auf Facebook. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ließ am vorigen Wochenende zum internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai die Regenbogenfahne vor dem Haupteingang des Parlaments am Wiener Josefsplatz "als Zeichen für Vielfalt" hissen.

"Im Gewand harmloser Menschenfreundlichkeit"

"Dafür brauchen wir einen christdemokratischen Nationalratspräsidenten", beklagte sich der Vize-Politikchef auf seinem Facebook-Account: "Auch er versteht offenbar nicht, dass die Regenbogenfahne nicht, wie immer behauptet, ein Zeichen der Toleranz, sondern – im Gegenteil – ein Kampfsymbol einer radikalen gesellschaftspolitischen Agenda ist, die wie vieles von ,links', im Gewand harmloser Menschenfreundlichkeit daher kommt. Solches und Ähnliches nicht zu durchschauen – das sind die wahren Schwächen heutiger bürgerlicher Politik, nicht irgendwelche Chat-Protokolle."

Ersucht, zu löschen

"Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon hat Mitlöhner "umgehend nach Bekanntwerden seines Posts ersucht, diesen Eintrag auf seiner privaten Facebookseite zu löschen", erklärt Salomon auf STANDARD-Anfrage zu Mitlöhners Eintrag. Diesem Ersuchen sei er sofort nachgekommen.

Rote Linie: Protest von Redakteurinnen, Redakteuren

Der Hinweis, den Eintrag zu löschen, begrüßten schwul, lesbisch und bisexuell lebende Redakteurinnen und Redakteure des Kurier in einem vom Redakteursausschuss intern versandten Appell aus diesem Anlass. Aber: "In Zukunft würden wir uns aber noch mehr Rückhalt wünschen und ein redaktionsweites Bekenntnis zu einem offenen, liberalen und diversen Arbeitsklima, in denen Homophobie, Rassismus, Sexismus und jede andere Art von Diskriminierung nicht toleriert werden."

Das Protestschreiben verweist auf rote Linien von Rassismus, Sexismus, Homophobie und jeder anderen Form der Diskriminierung, deren Überschreitung einen Angriff auf die höchstpersönliche Würde des Einzelnen bedeute. Dafür sollte im "Kurier"-Medienhaus kein Platz sein.

Zahlreiche Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und auch Führungskräfte solidarisierten sich nach STANDARD-Infos in der vorigen Woche, etwa auch mit der Regenbogenfahne auf ihren Profilbildern etwa im redaktionsinternen Kommunikationssystem.

"Selbstverständlich gegen jede Form der Diskriminierung"

Chefredakteurin Salomon reagierte auf die Protestnote mit dieser ebenfalls intern versandten Stellungnahme: "Die gesamte Chefredaktion ist selbstverständlich gegen jede Form der Diskriminierung und für Toleranz. Ich gehe davon aus, dass das bei jedem einzelnen Mitglied unseres Hauses der Fall ist. Daran gibt es auch in der täglichen Zusammenarbeit nicht den geringsten Zweifel."

"Muss auch möglich sein, Kritik zu üben"

DER STANDARD bat Mitlöhner am Pfingstwochenende um Stellungnahme. Er schreibt dazu:

"Ich distanziere mich natürlich ganz klar von jeder Art von Diskriminierung Homosexueller. Ich bin aber überzeugt, dass die LGBTQ-Bewegung eine Agenda verfolgt, die weit über das berechtigte Anliegen der Nichtdiskriminierung hinausgeht: das reicht weit in die Gesellschafts- und Familienpolitik hinein, betrifft Fragen der (Sexual-)Pädagogik und natürlich der gesamten Gender-Debatte. Daher sehe ich die Regenbogenfahne, welche für die LGBTQ-Szene steht, eben nicht einfach nur als Symbol von Toleranz und Vielfalt.

Man kann selbstverständlich deren Ziele teilen – aber es muss eben auch möglich sein, daran Kritik zu üben, ohne der 'Homophobie' geziehen zu werden. So wie man BLM kritisieren kann, ohne ein Rassist zu sein oder die Antifa ablehnen, ohne auch nur irgendetwas mit Faschismus am Hut zu haben.

Diese Sichtweise würde ich prinzipiell auch bei Spitzenpolitikern bürgerlicher Parteien wie der ÖVP vermuten und erwarten, habe sie aber in einer Stellungnahme von NR-Präsident Sobotka zum 'Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie' vermisst – was der unmittelbare Anlass für mein kritisches FB-Posting war. Ich habe das Posting aus beruflichen wie privaten Gründen mittlerweile gelöscht." (fid, 24.5.2021)