Belarus solle aus der Internationalen Luftfahrtorganisation ausgeschlossen werden, verlangte Swetlana Tichanowskaja als Reaktion auf die Minsker Flugzeugentführung. Lukaschenko habe gezeigt, dass er vor nichts zurückschrecke, um zum Ziel zu kommen, sagte die ehemalige Präsidentschaftskandidatin. Eine Feststellung, die bei all ihrer Richtigkeit auch die Hilflosigkeit der Opposition demonstriert.

Vor einem Jahr im Sommer 2020 bei der Wahl hat sich Tichanowskaja als Gegenmodell zum alternden Dauerpräsidenten präsentiert – durchaus erfolgreich, denn unabhängigen Wahlbeobachtern nach hat sie die Auszählung damals gewonnen. Ein freilich kurzlebiger Erfolg, da sich der 66-jährige Amtsinhaber trotzdem von der Wahlkommission mit seinen üblichen 80 Prozent zum Sieger der Abstimmung erklären ließ und ungerührt von Vorwürfen der Wahlmanipulation und Protesten der Opposition seine mittlerweile sechste Amtszeit antrat.

Oppositionschefin Swetlana Tichanowskaja musste ins Exil gehen.
Foto: EPA/Bresciani

Gehemmte Opposition

War der Gegensatz zu Lukaschenko im Auftreten und Charakter während des Wahlkampfs ein Plus erweist es sich inzwischen als immer größeres Minus der gesamten Opposition. Denn im Vergleich zur Kompromisslosigkeit und Härte des belarussischen Tyrannen wirkt die Opposition entschlusslos und gehemmt.

Tichanowskaja ließ sich – massiv vom Geheimdienst unter Druck gesetzt – bereits kurze Zeit nach der Wahl ins Ausland abschieben, was von der Obrigkeit natürlich ausgenutzt wurde, um sie als ausländische Agentin zu diskreditieren. Seither agiert sie von Litauen aus, ohne allerdings größere Wirkung zu erzielen.

Exil oder Haft

Der Ehrlichkeit halber muss gesagt werden: Eine echte Wahl hatte weder Tichanowskaja noch einer der anderen Oppositionsführer. Sie alle sind inzwischen entweder im Ausland oder im Gefängnis. Tichanowskajas eigener Ehemann Sergej, der eigentlich Lukaschenko herausfordern sollte, sitzt seit über einem Jahr in Haft. Ebenfalls noch vor der Wahl nahm der KGB mit Viktor Babariko einen anderen Herausforderer des Schnauzbarts aus dem Rennen und steckte den Chef der Belgazprombank mit Betrugs- und Geldwäschevorwürfen weg.

Dessen Stabschefin Maria Kolesnikowa war nach der Wahl und der Flucht Tichanowskajas lange Zeit das eigentliche Zugpferd der Opposition. Da sie sich gegen ihre Abschiebung wehrte, sperrte der KGB sie im Herbst ebenfalls ein. Seither schotten die Silowiki sie hermetisch von der Öffentlichkeit ab.

Begrenzter Einfluss

Waleri Zepkalo, ein langjähriger Vertrauter Lukaschenkos, der sich schließlich mit ihm überwarf und ebenfalls gegen ihn antreten wollte, floh hingegen rechtzeitig. In der Heimat droht ihm ebenso eine Haftstrafe wie dem früheren Kulturminister Pawel Latuschko. Doch im Ausland ist ihr Einfluss begrenzt.

Lange Zeit war daher der Kanal Nexta eins der wichtigsten Instrumente der Opposition. Darüber stimmte sie di Protestaktionen ab, darüber veröffentlichte sie Recherchen über Folter, Misshandlungen und außergerichtliche Tötungen der Sicherheitsorgane, darüber auch publizierte sie jüngste ihre Enthüllungen zum Luxusleben des sich so gern hemdsärmelig und volksnah gebenden Lukaschenko.

Symbolischer Erfolg für Lukaschenko

Der Schlag gegen Roman Protassewitsch, den ehemaligen Nexta-Chefredakteur, ist daher zumindest symbolisch ein großer Erfolg für Lukaschenko, zeigt er doch, dass niemand vor ihm sicher ist – selbst diejenigen Oppositionellen, die aus dem Ausland gegen ihn agitieren.

Protassewitsch habe "nichts gutes zu erwarten", prognostiziert der ehemalige russische Geheimdienstgeneral Alexander Michailow. Er könne von Glück sagen, wenn "ihm nur ein Paragraph zur Last gelegt wird und ihm nicht noch zehn obendrauf geschraubt werden, wie Aufrufe zu gewalttätigen Umstürzen und Provokationen", sagte er. (André Ballin, 24.5.2021)