Roman Protassewitsch wurde in Minsk aus einem Flugzeug heraus verhaftet.

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In Österreich erinnert man sich noch gut an die nächtliche Überraschungsvisite des bolivianischen Präsidenten Evo Morales im Juli 2013. Dessen Flugzeug musste, aus Russland kommend, in Wien landen. Frankreich, Portugal, Spanien und Italien hatten auf Wunsch der USA ihre Überflugsrechte verweigert, denn an Bord wurde US-Whisteblower Edward Snowden vermutet. Falschmeldung: Snowden lebt auch heute noch in Russland.

Am Sonntag hingegen ging den belarussischen Behörden in Folge einer erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk ein gesuchter "Terrorist" ins Netz: Landsmann Roman Protassewitsch. Der 26-jährige Blogger war mit dem EU-Direktflug 4978 des Anbieters Ryanair von Athen nach Vilnius unterwegs, als die Maschine nach Minsk umgeleitet und in der belarussischen Hauptstadt zur Landung gezwungen wurde – offiziell wegen einer Bombendrohung.

Schon früh in Dissidentenkreisen

Tatsächlich dürften es aber die belarussischen Behörden gezielt auf Protassewitsch abgesehen haben. Der Mitbegründer und ehemalige Chefredakteur des Kanals "Nexta" – angesiedelt bei Telegram, einem Messenger-Sevice ähnlich jenem von WhatsApp – war Machthaber Alexander Lukaschenko schon lange ein Dorn im Auge. Denn auf sein Konto, so lautet die offizielle Minsker Lesart, sei ein wichtiger Teil der Organisation der Oppositionsarbeit in Belarus gegangen. Polizeibekannt wurde Protassewitsch zirka 2010. So berichtet unter anderem die New York Times, dass sich der Teenager schon früh in Dissidentenkreisen bewegt habe. Als gesichert gilt die Information, dass Protassewitsch zu einem Team von Bloggern gehörte, die im russischen Facebook-Pendant VKontakte (VK) eine Gruppe betrieben, die sich in Gegnerschaft zu Lukaschenko positionierte. 2012 wurde die Gruppe von den russischen Behörden gehackt und aufgelöst.

In Minsk studierte Protassewitsch Journalistik, flog aber wegen oppositioneller Aktivitäten alsbald von der staatlichen Universität. In der Folge arbeitete er für mehrere proeuropäisch-belarussische Medien – so berichtete er im März 2019 über ein Treffen von Bundeskanzler Sebasian Kurz mit dessen Amtskollegen in Minsk.

2020 wurden Protassewitsch, der schon im Exil in Polen lebte, und "Nexta"-Mitstreiter Sciapan Pucila wegen "Organisation von Massenunruhen" auf die belarussische Terrorliste gesetzt. Nach seiner Festnahme in Minsk droht dem Publizisten nun im schlimmsten Fall die Todesstrafe. (Gianluca Wallisch, 24.5.2021)