Widrige Winde im Ärmelkanal brachten die Bewohner des traditionsreichen Marinestützpunkts Portsmouth um ein farbenfrohes Spektakel. So musste die britische Armada rund um den nagelneuen Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth am Pfingstwochenende schon vorzeitig in der Abenddämmerung ablegen.

Königin Elizabeth II verabschiedete am Wochenende die Besatzung des nach ihr benannten Flugzeugträgers.
Foto: EPA/Unaisi Luke/Royal Navy

Zuvor hatte das umgerechnet 3,7 Milliarden Euro teure Flaggschiff der Royal Navy noch königlichen Besuch erhalten: Die 95-jährige Namensgeberin gab der Besatzung unter dem Kommandanten der Flottengruppe, Stephen Moorhouse, persönlich ihre guten Wünsche auf den Weg.

Ziel der auf acht Monate angelegten Jungfernfahrt des Flottenverbands über 26.000 Seemeilen (mehr als 48.000 Kilometer) ist der indopazifische Raum. Als Zweck betont London die Festigung von Freundschaft und Handelsbeziehungen mit Indien, Südkorea und Japan.

Unausgesprochen geht es um die neue Außen- und Verteidigungspolitik des Königreichs nach dem Brexit – und um die "strategische Herausforderung", die Chinas neuerdings aggressives Auftreten in Südostasien darstellt.

Popcorn-Automat für die Besatzung

An Bord des 65.000-Tonnen-Giganten befindet sich neben Kampfflugzeugen und Hubschraubern auch ein Popcorn-Automat. Für dessen Output dürften sich vorwiegend die 250 US-Marines interessieren. Die Anwesenheit der Eliteeinheit stellt ebenso ein Zeichen transatlantischen Kooperationswillens dar wie die Teilnahme von Piloten und Wartungspersonal von zehn USAF-Jets vom Typ F-35B und des Begleitzerstörers USS The Sullivans. Zum Verband gehört neben sechs Schiffen und einem U-Boot der Royal Navy auch die niederländische Fregatte HNLMS Evertsen.

Man werde "selbstbewusst, aber nicht konfrontativ" auftreten, heißt es in der Regierung. Von Freund und Feind genau beäugt werden dürfte vor allem das Verhalten des Konvois im Südchinesischen Meer, von dessen Gewässern China weite Teile als Hoheitsgebiet für sich beansprucht. Wie bei entsprechenden Durchfahrten der US-Marine geht es auch für die Royal Navy darum, den internationalen Anspruch auf Navigationsfreiheit zu unterstreichen.

Heikle Seeroute

Dazu dürfte auch das Passieren der 180 Kilometer breiten Taiwanstraße zwischen dem demokratischen Inselstaat und der kommunistischen Diktatur auf dem Festland gehören. Freilich wird in London nicht bestätigt, dass und wann dies geplant ist. Dazu halte die hohe See "zu viele Unwägbarkeiten" bereit, heißt es diplomatisch.

Man freue sich auf "einen bedeutenden strategischen Moment", sagt Angus Lapsley vom Verteidigungsministerium. Mit dem modernsten Flugzeugträger der Welt wolle das Königreich sein Engagement für die europäische Sicherheit und insbesondere die Nato unter Beweis stellen, aber auch neue Handelsbeziehungen knüpfen. Demonstrativ waren für eine Unterrichtung der Auslandspresse dieser Tage aber auch Vertreter des Foreign Office und des Außenhandelsministeriums geladen – Ausdruck der besseren Integration von Außen- und Verteidigungspolitik, die von der konservativen Regierung unter Premier Boris Johnson angestrebt wird.

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Im südenglischen Hafen Portsmouth legte die britische Armada ab.
Foto: Steve Parsons/PA via AP

Erst kürzlich veröffentlichte der Regierungschef eine 114-seitige "integrierte Beurteilung" (integrated review), in der sich Großbritannien nach dem Brexit ehrgeizige Ziele setzt. "Wir wollen die internationale Ordnung erhalten, in der offene Gesellschaften und Freihandel gedeihen können", sagt Johnson. Demokratie und freie Märkte, basierend auf Meinungsfreiheit, seien dafür die beste Voraussetzung.

Das Papier stelle "auf intelligente Weise das Vereinigte Königreich als Mittelmacht vor", analysiert Robin Niblett vom Londoner Thinktank Chatham House. Es unterstreicht den globalen Anspruch der sechstgrößten Industrienation der Welt und des permanenten Mitglieds im UN-Sicherheitsrat. In diesem Jahr führt die Insel zudem den Vorsitz in der G7-Runde westlicher Industrienationen und fungiert im November als Gastgeber der UN-Klimakonferenz in Glasgow.

London geht auf Distanz zu Peking

Unter dem Eindruck der systematischen Unterdrückung der uigurischen Minderheit sowie der Gleichschaltung Hongkongs demonstriert London, dazu von Washington ermutigt, seit vergangenem Jahr deutliche Distanz zum kommunistischen Regime in Peking. Eine Konfrontation mit China, gar die Deklarierung eines neuen Kalten Krieges, hat Johnson mit Blick auf die wichtigen Handelsbeziehungen und Klimaschutzverhandlungen ausdrücklich vermieden, was ihm Falken im eigenen Lager übelnehmen. "Wenn man freundlich ist, lässt sich von einer Politik der strategischen Mehrdeutigkeit sprechen", führt der frühere nationale Sicherheitsberater Lord Peter Ricketts aus. Oder handelt es sich doch eher um Unentschlossenheit?

Den 3.700 Angehörigen der Streitkräfte stehen jedenfalls abwechslungsreiche und abenteuerliche Monate bevor. Immer wieder sollen einzelne Mitglieder des Verbands ausschwärmen, schließlich wollten nicht alle Nationen entlang des Weges gleich den ganzen Konvoi beherbergen, heißt es im Verteidigungsministerium. Vom Mittelmeer aus soll beispielsweise lediglich eine Fregatte oder ein Zerstörer das Schwarze Meer ansteuern, um bei den Nato-Verbündeten Bulgarien, Rumänien und Türkei sowie dem befreundeten Georgien Flagge zu zeigen. Die vier wichtigsten Hafenbesuche sind in Indien, Singapur, Südkorea und Japan geplant. (Sebastian Borger, 25.5.2021)