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80 Millionen Klavierspielanfänger gibt es pro Jahr weltweit, die Hälfte davon lebt in China, wo Leistungsdenken großgeschrieben wird.

Foto: Picturedesk.com / AP / Kathy Willens

Man muss nicht unbedingt Noten lesen können, um ein Instrument zu spielen. In der Volksmusik des Alpenraums wie in vielen anderen Kulturen wurde zumindest in früheren Zeiten das Musikspielen oft ohne Notierungen von Generation zu Generation weitergegeben. Selbst manchen Stars – etwa Elvis Presley – wird nachgesagt, niemals Notenlesen gelernt zu haben. Mit ein bisschen Talent ist Gesang oder ein Musikinstrument durchaus durch Hören und Nachspielen zu erlernen.

Mit der Nutzung neuer digitaler Werkzeuge, die beim Erlernen eines Instruments helfen, tritt das Dogma, dass mit einem Instrument unbedingt auch das Notenlesen erlernt werden muss, erneut etwas in den Hintergrund. Die Apps zeigen vor, was man zu tun hat, kontrollieren via Mikrofon gleichzeitig das Ergebnis und geben Feedback, Ratschläge und Korrekturen.

Spielerischer Ansatz

In diese Richtung geht auch das Start-up Wunderkind aus Niederösterreich. Gründer Mario Aiwasian und sein Team entwickeln eine Klavierspiel-Lern-App, die verspricht, die musikalischen Fähigkeiten intuitiv wie eine Sprache zu vermitteln. Das Lernen soll zum Spiel auf Tablet oder Smartphone werden, die Klaviertasten zum Eingabegerät.

"Ein Kind erlernt seine Muttersprache, ohne lesen oder schreiben zu können. Dasselbe ist auch für Musik möglich", sagt Aiwasian bei einer vom Land Niederösterreich organisierten Online-Präsentation. Das Land unterstützt das in Gründung befindliche Start-up durch seine Förderagenturen Tecnet und Accent.

Aiwasian hebt hervor, dass sein spielerischer Ansatz wissenschaftlich gut untermauert ist. Im Start-up arbeitet man mit Klavierpädagogen des Mozarteum Salzburg sowie mit deutschen und britischen Gehirnforschern und Musikpsychologen zusammen. Zudem konnte der Gründer mit der Lang Lang Foundation in New York einen Kooperationspartner mit klingendem Namen gewinnen, der helfen soll, das Produkt zu promoten.

Junge Zielgruppe

Ein großer Markt für die Anwendung sei jedenfalls vorhanden. "80 Millionen Menschen fangen jedes Jahr mit dem Klavierspielen an. Die Hälfte davon allein in China", rechnet Aiwasian vor. Gerade in China, wo vielen Eltern das Klavierspielen als eine Art Leistungssport gilt, werden die Kinder schon sehr früh ans Klavier gesetzt.

Die Spielszenarien sollen – auch entsprechend einer jungen Zielgruppe – besonders einfach zugänglich gehalten sein. "Um Luftballons, die auf eine am Bildschirm abgebildete Tastatur fallen, abzuschießen oder zu retten, müssen die Klaviertasten in der richtigen Reihenfolge, der richtigen Anschlagstärke und in der richtigen Länge gedrückt werden", umreißt der Gründer das Konzept.

Was anfangs per E-Piano funktioniert, soll in Zukunft auch auf akustische Klaviere ausgeweitet werden, wobei der "Spielerfolg" via Mikrofon und entsprechende Auswertungsalgorithmen kontrolliert wird. Lehrende in Musikschulen sollen selbst eigene Aufgaben für ihre Schüler erstellen können.

Zudem arbeite man an einer Anwendung für Augmented-Reality-Brillen, die die Klaviertasten selbst mit hüpfenden Farbpunkten überlagert. Vorstellbar wäre auch eine Übertragung des Konzepts auf weitere Instrumente.

Großes Potenzial

Für Aiwasian steckt gerade in dem Muttersprache-Lern-Ansatz des Lernspiels das große Potenzial. Dass er den schon länger gehegten Plan dazu nun in die Praxis umsetzt, liegt auch an der Corona-Krise. "Wenn man als Klavierschüler oder -schülerin viel Zeit zu Hause verbringen muss, kann man genauso ein Spiel gut gebrauchen", sagt der Gründer, der damit bereits sein zweites Start-up auf den Weg bringt.

Denn nachdem sich Aiwasian bereits bei Bösendorfer mit der Verbindung aus Klavierspiel und neuen Technologien beschäftigt hatte, gründete er mit Alpha Pianos eine eigene Instrumentenschmiede. Sie setzt auf moderne Sensortechnik, damit sich E-Pianos beim Spielen wie die großen mechanischen Pendants anfühlen. Die Firma wurde mittlerweile von einem norwegischen Unternehmen übernommen, wobei ein Standort in Niederösterreich aber erhalten blieb. (Alois Pumhösel, 3.6.2021)