Frisch bis forsch und sehr begehrt: Patricia Nolz (Rosina).

Foto: WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Mord, Totschlag und Suizid haben kurz Pause, am Sonntagvormittag in der Staatsoper: Alles so schön bunt hier! Warum? Man gibt einen neu geschaffenen Barbier für Kinder. Gerade erst dem lähmenden Lockdown entronnen, sollen die kleinen Engelchen und Teufelchen auch schon wieder an traditionelle Kulturtechniken herangeführt werden – so sie es denn wirklich wollen. Strebte der sendungsbewusste Langzeitsouverän der Staatsoper, Ioan Holender, in diesen Belangen naturgemäß himmelwärts (und ließ auf der Dachterrasse ein Kinderopernzelt errichten), so lockte sein leiserer Nachfolger Dominique Meyer den Nachwuchs in den nahen Untergrund, ins Souterrain des Theaters in der Walfischgasse.

Bei Bogdan Roščićist die Kinderoper in dieser und auch in der nächsten Spielzeit ganz aufs große Haus abonniert. Die mozartische "Wanderoper" Die Entführung aus dem Zauberreich musste kurz vor dem November-Lockdown auf unbestimmte Zeit verschoben werden, beim Barbier für Kinder ging sich immerhin eine Serie aus. Alexander Krampe hat dafür eine (deutschsprachige) Fassung der Rossini-Oper erstellt, in der Bartolos Diener Ambrogio als Erzähler durch das Melodramma buffo führt. Der optisch erfreulich an Grandpa Munster erinnernde Andy Hallwaxx tut dies mit Schwung und Marcel-Prawy-Gedenklispeln.

Knallfarbengesättigte Ausstattung

In der knall- und primärfarbengesättigten Ausstattung von Luigi Perego tummelt sich vor dem eisernen Vorhang das Personal. Almaviva (Hiroshi Amako) jagt zusammen mit dem listigen Figaro (Michael Arivony) Rosina (Patricia Nolz) und ihrem rosenbestückten Rock nach – zum Missfallen ihres geldgeilen Vormunds Doktor Bartolo (Wolfgang Bankl). Alle spielen toll (Regie: Grischa Asagaroff) und singen fast noch toller: Amako hat einen drallen und doch goldglänzenden Tenor, Arivonys Bariton hört sich ebenfalls gefällig an, Nolz’ Vokalgebaren kann als frisch bis forsch beschrieben werden: drei vielversprechende Mitglieder des Opernstudios, die wohl auf eine Zukunft im Ensemble hoffen können. Dieses stützen Wolfgang Bankl und Ileana Tonca ja schon länger, Letztere glänzt hier mit perlenfeinem Sopran als Berta.

Das Bühnenorchester der Staatsoper könnte unter der Leitung von Markus Henn in der Ouvertüre in Sachen Spritzigkeit und Nuancenreichtum noch zulegen, aber das tut es sicher noch. Ob sich die Kleinen in zehn bis fünfzehn Jahren an dieses Kuriosum Oper gewöhnt haben werden? Der Kartenverkauf in den Jahren 2031 bis 2036 wird es zeigen. (Stefan Ender, 26.5.2021)