Am 27. Mai läuft in den USA beim Streamingdienst HBO Max das "Friends"-Spezial mit Courteney Cox, Jennifer Aniston, Lisa Kudrow (u. v. l.), Matthew Perry, Matt LeBlanc und David Schwimmer (o. v. l.).

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236 Folgen, zehn Staffeln von 1994 bis 2004: Die Sitcom "Friends" war ein Straßenfeger. In Österreich ist das von HBO finanzierte Revival ab Donnerstag bei Sky zu sehen.

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Sechs Typen, zehn Jahre, 236 Folgen. Den Rachel-Haircut, Milchkaffee in lustigen Tassen, chinesisches Take-away und einen ewigen Ohrwurm – das alles und noch viel mehr hat die Sitcom Friends in unser Leben gebracht, ob wir das nun wollten oder nicht. Jetzt gibt’s die von Fans heißersehnte Reunion: 17 Jahre nach dem Grande Finale in der ikonischen Manhattaner Dachwohnung kommt es tatsächlich zum TV-Wiedersehen – natürlich mit den obligatorischen drei G: frisch g’waschn, g’kampelt und g’sackelt.

Und das auch noch ohne einen der größten Fallstricke, die aufgewärmte Lieblingsserien oft übersehen: Friends: The Reunion (ab 27. 5. in der Originalfassung auf Sky) ist keine Weitererzählung der Story, kein "Was wäre, wenn …", kein "Was wurde eigentlich aus …".

Die Figuren Rachel, Ross, Chandler, Phoebe, Monica und Joey sind sicher in der Safety-Zone ihrer Vergangenheit geblieben. Stattdessen sehen wir, an den Originalschauplätzen im legendären Studio 24, die Hauptdarsteller als "themselves" – beim gemeinsamen Schmähführen, Nostalgischsein, beim Aufwärmen alter G’schichtln. Das machen sie teils allein, mit Fans oder damaligen Stargästen wie David Beckham, Justin Bieber, Lady Gaga, Cindy Crawford, Elliott Gould, Tom Selleck, den Korea-Pop-Megastars von BTS und, ja, wirklich!, der Menschenrechtsaktivistin Malala Yousafzai. Aber hey, warum nicht, auch weltbewegende junge Menschen haben Guilty Pleasures.

Freunde fürs Leben

Stellt sich die Frage: Haben wir das wirklich gebraucht? Matt LeBlanc mit Stiernacken und Wohlstandswamperl, Jennifer Aniston mit Klatschpresse-Hintergrund, Matthew Perry mit schütterem Haupthaar, Lisa Kudrow in unkaputtbarer Überschwänglichkeit, David Schwimmer mit dem Charme eines alternden Mathelehrers und Courteney Cox mit ewig gleichem "Du siehst aus, als hättest du einen Kleiderbügel verschluckt"-Lächeln?

Sagen wir so: Ja, wir haben’s gebraucht, mindestens so sehr wie die zehn Staffeln davor. Denn, um Wolferl Ambros zu paraphrasieren: Nicht alles, was an Wert hat, muss auch an Sinn ham.

HBO Max

Jedes Lebensalter hat sein dominierendes Popkulturgenre, das sich zwar mit dem Medienwandel ändert, aber grundsätzlich gilt immer noch: Als Kind ist das Zeichentrick, als Teenager die Popmusik und als Twen dann die Lieblings-TV-Serien. Für jede dieser Phasen gilt: Nie wieder kann was nachkommen, was auch nur ansatzweise so gut ist wie damals. Ist auch verständlich: Kaum etwas in uns ist so stark wie die Sehnsucht nach unserem jüngeren Ich, als wir, noch unbelastet und unzynisch, prägende Erfahrungen zum ersten Mal machen durften. Viel Nostalgie erklärt sich daraus, und nicht aus der tatsächlichen Genialität des Gehörten oder Gesehenen.

Die erste Sitcom für Twens

Aber Friends nimmt hier doch eine Sonderstellung ein. Zwar gibt es das TV-Sitcom-Genre (also die situationsbedingte Komödie im Gegensatz zur charakter- oder storybasierenden Komödie) in den USA schon seit den 1950ern und schwappte in den 1960ern und 1970ern auch nach Europa – siehe Bezaubernde Jeannie, The Brady Bunch etc. Später folgten dann weitere Meilensteine wie Alf, Roseanne, Die Nanny, Eine schrecklich nette Familie, Hör mal, wer da hämmert etc. – bis heute fixe Bezugspunkte der Fernsehgeschichte.

Friends allerdings hob das Genre auf eine neue Ebene: Es war die erste große Sitcom, die nicht familiäre Probleme aufs Korn nahm, sondern die Lebenswelt junger Erwachsener, die lernen, sich in der großen Welt zurechtzufinden. In den Worten von Serienmiterfinderin Marta Kauffman: "Es geht um die Zeit im Leben, in der deine Freunde deine Familie sind." Oder in denen von Phoebe Buffay aka Lisa Kudrow: "Welcome to the real world. It sucks, but you’re gonna love it." ("Willkommen in der Realität. Sie ist besch…eiden, aber du wirst sie lieben.")

I’ll Be There For You

Aber halt, das ist natürlich nur ein Trick. Die Realität von Friends ist von der Realität des echten Lebens etwa so weit entfernt wie … nun ja, sechs vorgeblich vermögenslose Mittzwanziger mit Na-ja-Jobs und Traumfigur, die in geräumigen Dachwohnungen in Greenwich Village leben und dabei ständig aussehen wie frisch aus der Maske. Und einander, egal was auch passieren mag, ohne Haken unheimlich gern haben.

In Wahrheit geht es in der Sitcom um einen Haufen privilegierter, reichlich schmähbefreiter Neurotiker, die ständig im gleichen Beisl abhängen, untereinander querkopulieren, nur dank Mieterschutz ein Dach über dem Kopf, aber trotzdem das politische Bewusstsein einer Wegschnecke haben und keine höheren Ziele verfolgen als zu heiraten und Kinder zu kriegen. Also … fast solche wie wir, halt ohne Ottakringer und Spritzwein. Es ist dem genialen Framing der Serienautoren und -autorinnen zu verdanken, dass wir nicht einmal merken, warum genau diese Friends uns eigentlich so vertraut sind.

Beziehungsweise waren. Sehr viel, was um die Jahrtausendwende gerade noch als normal durchging, wäre heute so nicht mehr möglich. Und das nicht wegen einer dahergeredeten Cancel-Culture, sondern im Gegenteil, weil sich der Fokus der Mainstreamunterhaltung enorm erweitert hat. In den Friends sehen wir, wie in einer Zeitkapsel konserviert, die Welt aus dem Blickwinkel einer jungen, urbanen, weißen Schicht. Eine – dank ihrer Privilegien unreflektierte – Position, die sich heute niemand mehr leisten kann und will, der etwas auf sich und seine Inhalte hält – und dem es bei so mancher sexistischen, homophoben oder ähnlich danebenen Pointe in den alten Friends-Folgen mittlerweile berechtigterweise die Zehennägel aufstellt.

Es liegt an uns

"Ich wünschte, ich hätte damals schon gewusst, was ich heute weiß", sagt dazu Marta Kauffman, die derzeit an der letzten Staffel der ebenfalls von ihr erdachten Serie Grace and Frankie mit Jane Fonda und Lily Tomlin arbeitet. "Ich hätte vieles anders gemacht." Das sei auch einer der Gründe gewesen, war um sie sich so lange gegen ein Revival gesträubt habe. Noch vor wenigen Jahren verkündete sie in Interviews, "eine Fortsetzung würde für mich überhaupt keinen Sinn ergeben".

Dass sie sich nun doch von Netflix, wo Friends seit Jahren läuft und nach wie vor eine der beliebtesten Serien im Angebot ist, für die Co-Regie der ab 27. Mai bei Sky ausgestrahlten Reunion hat verpflichten lassen, hat viele Gründe. Ein Großteil davon wird wohl mit Dollarzeichen versehen sein. Aber es ist auch eine Verbeugung vor den Fans, die, trotz allen Fehlern, "ihre" Friends noch immer genauso lieben wie damals – wahre Freundschaft endet halt nie. Zumindest im Fernsehen. Und manche Weisheiten aus Friends haben tatsächlich Bestand: "Wenn jemand zu dir sagt: ,Es liegt nicht an dir, es liegt an mir!‘, dann liegt es garantiert an dir. Und wenn es heißt: ,Ich finde, wir sollten uns auch mit anderen treffen!‘, dann heißt das: ,Hahaha, das mach ich doch schon längst!‘" (Gini Brenner, 26.5.2021)