Grant in der Regierung: Gesundheitsminister Mückstein und Bundeskanzler Kurz (Hintergrund) kamen sich erstmals gehörig in die Quere.

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Am Ende stand ein süffisanter Lacher des Bundeskanzlers. "Manchmal lösen sich Themen in der Innenpolitik innerhalb von wenigen Tagen ganz alleine auf", sagte Sebastian Kurz gut gelaunt am Rande des jüngsten EU-Gipfels: "Ich bin froh und zufrieden. Es sind jetzt alle der Meinung, dass Öffnungen sinnvoll sind."

Das "Thema", von dem Kurz sprach, hatte die Bundesregierung tagelang in Atem gehalten. Gestritten haben ÖVP und Grüne darüber, ob, wann und nach welchem Prozedere die Corona-Regeln weiter gelockert werden sollen. Wer den Krach ausgelöst hat? Daran scheiden sich die koalitionären Geister.

Fakt ist: Am Mittwoch vergangener Woche hat die Regierungsspitze vereinbart, am Freitag, dem 28. Mai, mit Experten und Landeshauptleuten über weitere Öffnungsschritte zu beraten. Doch zwei Tage später, am Freitag vor Pfingsten, lieferte Kurz jenen Auftritt in Tirol, der zum Stein des Anstoßes wurde. Er könne die Zusage machen, "dass die Sicherheitsstandards, die wir jetzt noch haben, gesenkt werden können", verkündete der ÖVP-Chef. Im Visier habe er "Abstandsregelungen, Quadratmeterbeschränkungen und Sperrstunden".

Völlig harmlos seien die Aussagen gewesen, heißt es dazu aus dem Kanzleramt: Man habe sich nie gedacht, dass ein Auftritt wie dieser derartige Wellen schlagen könnte. Kurz habe nichts anderes getan, als auf Fragen Antworten zu geben, dabei aber keinerlei Details ausgeplaudert, sondern auf nächste Woche vertröstet. Dass die Corona-Regeln weiter gelockert werden, sei ja schon damals kein Geheimnis gewesen: Angesichts sinkender Infektionszahlen und fortschreitender Impfung liege das auf der Hand.

Via Twitter Luft gemacht

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sah das ganz anders – und hielt mit seinem Ärger nicht hinterm Berg. Via Twitter beklagte sich der Grünen-Politiker darüber, dass sich Kurz nicht an das vereinbarte Prozedere – Entscheidung erst nach Beratung am Freitag – halte: Statt die Menschen "mit unkonkreten Ankündigungen" zu verunsichern, müssten Fakten zählen.

Tatsächlich sprach sich Mückstein dabei, wie er seither mehrfach beteuert hat, nicht gegen Lockerungen aus. Doch eine gewisse Skepsis ließ sich aus seinen Zeilen herauslesen. Es gelte, das Infektionsgeschehen in Verbindung mit getroffenen Maßnahmen sehr genau zu beobachten, schrieb er: "Mit mir gibt es keine Luftschlösser."

Eine "komplette Überreaktion" sei der Tweet gewesen, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers. Zum Konter rückten aber andere aus. ÖVP-Klubchef August Wöginger richtete Mückstein via Medien Unfreundlichkeiten aus, für die Grünen trat deren Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner zur Verteidigung an. Die Chefetage der kleinen Koalitionspartei schwieg hingegen.

Als Bremser dagestanden

Mückstein blieb erst einmal bei seiner Linie – bis Kurz am Abend des Pfingstmontags nachlegte. Beim EU-Gipfel verkündete dieser, dass die nächsten Lockerungen am 17. Juni erfolgen würden. Der Gesundheitsminister sah sich dadurch in eine unangenehme Situation gedrängt: Wenn er nun weiterhin bis Freitag abblocke, so die Befürchtung, würde er am Ende fälschlicherweise als einer dastehen, der gegen Lockerungen sei. Genau diese Punze hat ihm die ÖVP ja bereits umzuhängen versucht – siehe Wögingers Behauptung, dass Mückstein die Leute im Sommer zum Maskentragen im Freien verdonnern wolle.

Tatsächlich habe aber Mückstein selbst am vergangenen Donnerstag dem Kanzleramt jene Lockerungsvorschläge unterbreitet, die sich Kurz dann zu eigen gemacht habe, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Also habe man sich entschieden, schließlich doch bereits vor Freitag die geplanten Öffnungen zu bestätigen.

Wer hat’s erfunden?

Auch da lautet die türkise Version anders. Es stimme nicht, dass die Lockerungspläne von Mückstein stammten. Vielmehr habe das Kanzleramt die Vorschläge am Mittwoch letzter Woche dem Gesundheitsministerium geschickt, das diese dann am Donnerstag mit eigenen Empfehlungen retourniert habe.

Wo auch immer die Urheberschaft liegt: Am Montagabend entsorgte Mückstein schließlich seine bisherige Botschaft, um in der ZiB 2 im ORF selbst die Lockerungen anzukündigen – noch dazu mit Höchsttempo: Laut dem Minister kann bereits ab 10. Juni gelockert werden. Gerald John, 26.5.2021)