In Bolton im Nordwesten Englands trat die "indische" Coronavirusmutation, die zu Sorge Anlass gibt, Im Mai gehäuft auf.

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Wien/London – Die ursprünglich in Indien festgestellte Coronavariante B.1.617.2 breitet sich trotz niedriger Inzidenzen in Großbritannien aus; ihr Anteil an den Infektionszahlen wird größer. Nun hat Österreich erneut ein Landeverbot für Flugzeuge aus dem Vereinigten Königreich verhängt. Zudem wurde das Land auf die Virusvariantengebiete-Liste gesetzt. Die Einreise ist damit wie aus Brasilien, Indien und Südafrika nur eingeschränkt möglich.

In Österreich wurden per Sequenzierung bereits einzelne Fälle dieser Mutation – einer von insgesamt drei "indischen" Coronavirus-Mutationen – festgestellt. Wie viele Infektionen mit B.1.617.2 es hierzulande bisher genau gibt, ist laut dem Molekularbiologen Ulrich Elling unbekannt. Es gebe bis dato kein diesbezügliches Screeningprogramm via PCR-Tests.

Um die Hälfte infektiöser

Britische Forscher schätzen, dass sich B.1.617.2 um 50 Prozent schneller verbreitet als die vorherrschende Variante B.1.1.7. Schon diese war um 30 bis 40 Prozent infektiöser als der Ursprungsvirus. Im Mai wurde B.1.617.2 daher von britischen Gesundheitsbehörden, der Weltgesundheitsorganisation als "Variant of Concern" (VOC) eingestuft, die EU-Gesundheitsbehörde ECDC zog am Dienstag nach.

Als VOC gelten auch die nachgewiesenermaßen infektiöseren und aggressiveren Varianten B.1.1.7 (die "britische"), B.1.351 (die "südafrikanische") und P.1 (die "brasilianische" Variante).

Warnung vor unerwarteten Virus-Veränderungen

Von den drei indischen Varianten, abgekürzt B.1.617.1, .2 und .3, hat B.1.167.2 wohl das geringste Potenzial, die Immunantwort von Geimpften oder Genesenen zu umgehen. Wieso gerade sie es ist, die sich in England nun so schnell vermehrt, verstehen die Forscher noch nicht. Man sollte das jedoch als "Alarmsignal deuten, dass die Virusevolution unerwartete und unerwünschte Veränderungen bringen kann", sagt Elling. Nun gelte es, die Verbreitung von B.1.617.2 in Österreich zu verhindern.

Allerdings umgeht B.1.617.2 die Immunantwort nicht völlig. Neuesten Daten der britischen Behörde Public Health England (PHE) zufolge dürften die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Astra Zeneca jedenfalls eine relativ hohe Schutzwirkung gegen die Varianten aufweisen.

Impfungen wirken schwächer, aber doch

Das mRNA-Vakzin von Biontech/Pfizer wirke zwei Wochen nach der zweiten Dosis zu 88 Prozent gegen eine Erkrankung durch B.1.617.2., verglichen mit 93 Prozent bei der "britischen" Variante. Bei Astra Zeneca liegt der Effekt bei 60 Prozent, verglichen mit 66 Prozent bei B.1.1.7.

Laut Elling sind noch etliche weitere Mutationen des Coronavirus zu erwarten. Der Erreger habe so lange die Chance, sich zu seinem Vorteil an seinen Wirt, den Menschen, anzupassen, als es keine ausreichenden weltweiten Maßnahmen zur Infektionseindämmung gibt. Abschotten allein, wie man es in Europa derzeit versuche, werde nicht helfen, es gelte dringend, die Covid-19-Impfung global auszurollen. (Irene Brickner, Julia Palmai, 26.5.2021)