Die berühmte Schweizerhaus-Stelze im Wandel der Geschichte.

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Beim ersten Gastgartenbesuch nach dem Ende des Lockdowns konnte man nachvollziehen, wie sich Bergsteiger fühlen, wenn sie in irgendeiner Nordwand biwakieren müssen. Sie hoffen, dass sie sich dort nicht den Arsch abfrieren. Zumindest regnete es nicht immer. Die Sache mit den Gastro-Öffnungen und dem diskutierten Fallen der Maskenpflicht lässt es bei gleichbleibendem Lockerungstempo zwar wahrscheinlich werden, dass das Schweizerhaus in Wien demnächst zur FKK-Zone umgewidmet wird. Angesichts des glatten Übergangs vom Winter zum Herbst mag dort aber nicht so recht Stimmung beim Stelzenbampfen aufkommen; wehmütige Erinnerungen dafür schon.

Früher zur selben Jahreszeit kehrte man zu Mittag nach einem harten Tag an der Uni schwitzend im Schweizerhaus für einen oder sieben Durstlöscher ein, um gemeinsam mit einem Studienkollegen zu erforschen, ob eine Viererstelze mit Beilagen vielleicht doch keine so gute Idee war. Im Gegensatz dazu wäre man zu zweit nämlich erst mit einer Haxen für fünf Personen satt geworden. Dass Reden nach dem Essen überbewertet wird, müssen wir an dieser Stelle nicht weiter diskutieren.

Es wurde Wasser serviert!

Wahrscheinlich sprechen wir aber ohnehin von einer untergegangenen Ära. Immerhin sieht man auf aktuellen Fotos zum großen Entsetzen jahrzehntelanger Stammgäste, wie unserer Regierungsspitze vorige Woche im Schweizerhaus Wasser serviert wurde. Wasser! Freunde, man kann nicht alles auf die Witterung schieben. Ein schön gezapftes Budweiser hat auch bei einer Kaltfront seine Berechtigung, nein, sein Anrecht!

Wie meinte schon der bayerische Philosoph Fredl Fesl in den 1970er-Jahren so treffend: "Der Mensch ist bei Gewitter leise, das Bier, das trinkt er literweise." Schlechtes Wetter gibt es nicht! Es gibt nur eine falsche Einstellung gegenüber Bier! Brechen wir also eine Lanze für die frostige Freiluftgastronomie und schließen mit dem Gedicht von Gerhard Polt, einem anderen großen Bayern: "Der Maikäfer dreht um den Tisch eine Runde / Du weißt nicht das Jahr, Du kennst nicht die Stunde / Die Kastanie im Biergarten blüht, freue Dich, Du bist auf erdbebensicherem Gebiet." (Christian Schachinger, 27.5.2021)