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Einen Rücktritt von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Falle einer Anklage: Dafür sieht eine aktuelle Umfrage eine Mehrheit.

Foto: AP / Geron

Wien – Eine Mehrheit von 58 Prozent wären bei einer möglichen Anklage wegen Falschaussage im U-Ausschuss für den Rücktritt von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Das hat eine Gallup-Umfrage ergeben. Minister Gernot Blümel (ÖVP) halten 65 Prozent – wegen Nichtbefolgung des VfGH-Urteils – demnach sofort für rücktrittsreif. Nüchtern fiel das Urteil zur Rücktrittskultur aus: 66 Prozent der 1.000 Befragten sehen keine Bereitschaft bei Politikern, in Verantwortung für Missstände und aus Achtung vor der Demokratie zurückzutreten. Kurz wird eine mögliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss vorgeworfen. Er selbst bestreitet das, es gilt die Unschuldsvermutung.

Eine relative Mehrheit, wenn auch mit 47 Prozent etwas kleiner, für den Rücktritt von Kurz im Fall einer Anklage hatte am Wochenende auch eine Umfrage von Unique Research für das "profil" ergeben. Laut einer vom ÖVP-Klub-Medium "Zur Sache" präsentierten Online-Umfrage von Demox Research hielten nur 38 Prozent von ebenfalls 1.000 Befragten den Amtsverzicht bei einem möglichen Strafantrag für geboten.

Die ÖVP-Wähler "halten ihrer Partei bei fast allen Fragen die Stange", berichtete Gallup-Chefin Andrea Fronaschütz in einer Pressemitteilung zu der Onlinebefragungen vom 18. bis 20. Mai mit einem Sample von 1.000. Aber immerhin sahen auch 62 Prozent von ihnen eine Falschaussage vor einem U-Ausschuss generell als Rücktrittsgrund. Wähler anderer Parteien hielten in diesem Fall einen Politiker zu deutlich über 80 Prozent für rücktrittsreif.

Tolerante ÖVP-Wähler

Sollte Kurz verurteilt werden, hielten 81 Prozent der Befragten den Amtsverzicht für geboten – wobei Gallup darauf verwies, dass positive Eigenschaften des Kanzlers z.B. hinsichtlich Vertrauens, Entscheidungen, Durchsetzungsstärke, Ausstrahlung, etc. im Jahresvergleich deutlich schlechter bewertet würden.

Was die ÖVP-Wähler betrifft, so waren sie auch in der Frage deutlich toleranter, warum es in Österreich keine Rücktrittskultur gebe. 40 Prozent von ihnen sahen die fehlende politische Moral als Grund, 52 Prozent meinten, die Einsicht in das Fehlverhalten fehle.

Von den Wählern anderer Parteien kam hier laut Fronaschütz deutlich mehr Zustimmung: Über alle Parteien hinweg wurde die Uneinsichtigkeit (66 Prozent) als wichtigster Grund für den Verbleib im Amt trotz offensichtlicher Verfehlungen erachtet – gefolgt von Machthunger (65 Prozent), Missachtung der Regeln (59 Prozent) und fehlender politischer Moral (58 Prozent). Nur wenige gingen davon aus, dass rücktrittsreife Politiker aus Pflichtgefühl gegenüber den Wählern (12 Prozent) bzw. der eigenen Partei und der Politik (16 Prozent) im Amt verbleiben.

Gründe für den Rücktritt

Wann Politiker aus Sicht der Bürger rücktrittsreif sind, ergab die Umfrage ziemlich klar: Neben schlechter gesundheitlicher Verfassung (92 Prozent) und Burnout (86 Prozent) wurden in erster Linie diverse Verfehlungen in der Amtsführung, Vorteilsnahme bzw. Korruption und Bereicherung, persönliches Fehlverhalten und eine politisch inkorrekte Sprache als "sehr/eher starker Rücktrittsgrund" empfunden.

Konsequenzen erwartet werden nicht nur etwa bei Veruntreuung staatlicher Gelder (96 Prozent) oder Steuerhinterziehung (92 Prozent), sondern auch bei gerade – rund um den ibiza-U-Ausschuss – breit diskutierten Versäumnissen in der Amtsführung: Die Missachtung der Verfassung ist für 91 Prozent der Befragten ein ausreichender Grund zurückzutreten, die Weitergabe von vertraulichen Informationen für 87 Prozent, vor einem parlamentarischen Ausschuss die Unwahrheit zu sagen für 83 Prozent, Respektlosigkeit gegenüber der Republik für 85 Prozent – und Verhindern von Ermittlungen von knapp 88 Prozent. (APA, red, 26.5.2021)