Anwalt Michael Rami und die ehemalige Oe24.tv-Moderatorin Raphaela Scharf am Mittwoch bei Gericht.

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Wien – Wolfgang Fellner, Herausgeber der Tageszeitung "Österreich" und Mastermind der zugehörigen Mediengruppe, hat wesentliche Teile seiner Klage auf Unterlassung gegen seine Ex-Mitarbeiterin Raphaela Scharf am Mittwoch zurückgezogen. Er legte am Mittwoch zudem eine Erklärung von Führungskräften seiner Gruppe vor, es habe seit Gründung der Mediengruppe keine Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegeben.

Zu Beginn der Verhandlung vor dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht brachten Fellners Anwälte die Klagseinschränkung vor: Somit klagt er Scharf nicht mehr wegen ihrer Behauptungen, er habe sie sexuell belästigt, sondern nur noch wegen des Vorwurfs, er habe sie bei einem Fotoshooting im Mai 2019 begrapscht. Das bestreitet Fellner vehement und sieht darin eine "Racheaktion" Scharfs.

Stylistin als "Kronzeugin" Fellners

Scharfs Anwalt Michael Rami – er vertritt auch ihren heutigen Arbeitgeber, die "Krone" – sieht darin einen "Riesenerfolg". Fellner wird von Georg Zanger und Kristina Venturini vertreten. Venturini wertete den Schritt ihres Mandanten lediglich als "Präzisierung", derzeit wolle man wegen der anderen Vorwürfe, die Scharf gegen Fellner erhebt, gegen Scharf aber nicht gesondert vorgehen. Prinzipiell sei die Verhandlung aber ein Erfolg für Fellner gewesen.

Fellners Anwältin, Kristina Venturini, wertete den Prozesstag als Erfolg und wirft Scharf vor, die #MeToo-Bewegung zu missbrauchen.
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Scharf betreibe einen "Missbrauch der #MeToo-Debatte", man müsse sich schützend vor die wahren Opfer von sexuellem Missbrauch stellen, sagte Venturini. Dabei verwies sie auf eine Stylistin, die beim Fotoshooting dabei war und am Mittwoch bezeugte, nichts von dem Vorfall gesehen zu haben. Sei habe während des gesamten Shootings Fellner und Scharf genau beobachtet und keinen Grapscher wahrgenommen. Deshalb sei die Frau eine "Kronzeugin". Bislang konnte im Verfahren niemand die mutmaßliche Belästigung durch Begrapschen bezeugen.

Keine Fragen zu Wagner

Die Klagseinschränkung hatte unmittelbare Folgen für die Verhandlung am Mittwoch. So wurde Zeugin Katia Wagner nur innerhalb weniger Minuten befragt. Sie soll ebenfalls von Fellner sexuell belästigt worden sein und somit aus Sicht von Scharf die Glaubwürdigkeit Fellners infrage stellen. Der Richtersenat ließ allerdings eine Frage zu Wagners Erfahrungen mit Fellner in Hinblick auf sexuelle Belästigung nicht zu. Rami rügte dies als Verfahrensmangel.

DER STANDARD berichtete am Dienstag über die Vorwürfe Wagners gegen Fellner. Sie erstellte ein Gedächtnisprotokoll darüber, wie Fellner mit ihr im Jahr 2015 umgegangen sein soll. So soll er unter anderem während eines Abendessens in einem Restaurant Wagner gefragt haben, ob er ihr Kleid aufzippen könne. Fellner bestreitet diese Aussagen vehement und sagt, diese seien "frei erfunden".

Erklärung der Führungskräfte

Scharf will die Glaubwürdigkeit Fellners mit weiteren mutmaßlichen Fällen der sexuellen Belästigung infrage stellen. Bislang bestreitet Fellner, je eine Frau sexuell belästigt zu haben. Am Mittwoch legte er Erklärungen von Betriebsräten, Chefredakteuren, Programmdirektoren und Geschäftsführern vor, die bezeugen sollen, dass es in seinen Unternehmen seit Gründung der Mediengruppe Österreich keine Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegeben haben soll.

Eine Programmdirektorin erwähnt in ihrer Erklärung, die von Fellner vorgelegt wurde, aber sehr wohl eine zweite Beschwerde wegen sexueller Belästigung: Eine Ex-Moderatorin, die bereits als Zeugin geladen war und mutmaßliche Berührungen am Po von Fellner als "Spaß" bezeichnet hatte, DER STANDARD berichtete.

Streit über Artikel in "Österreich"

Auch der Medienbericht in der Tageszeitung "Österreich" zur Causa wurde von Rami vor Gericht thematisiert. Er will mehrere "irreführende Aussagen" in den Artikeln entdeckt haben, weshalb er eine Gegendarstellung von der Mediengruppe Österreich begehrt. Allzu lange waren diese Berichte aber nicht Thema, Fellner unterbrach mehrmals und wies darauf hin, dass Rami der "Krone"-Anwalt sei. Die Vorsitzende Richterin dazu: "Wenn wir Tageszeitungen für glaubwürdig halten, wären wir arm."

Auch warf Fellner in seiner heutigen Zeugenaussage dem Ex-Betriebsrat seines Unternehmens eine Falschaussage vor Gericht vor. Dieser gab bei einer Verhandlung Ende Februar an, in seiner Zeit mehrere Beschwerden in dieser Sache erhalten zu haben. Der Ex-Betriebsrat befand sich in dieser Zeit in einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit Fellner, die sich derzeit im Vergleichsstadium befindet.

Anzeige aus dem Jahr 2016

Ebenso Thema während des Prozesses waren strafrechtliche Ermittlungen gegen Fellner aus dem Jahr 2016, die eingestellt wurden. Eine Frau zeigte Fellner damals an: Er habe sie in Paris sexuell bedrängt und belästigt, DER STANDARD berichtete. Fellner bestritt damals jedwede Belästigung und erstattete Gegenanzeige wegen Verleumdung. Beide Ermittlungsverfahren wurden mangels Beweisen eingestellt.

Fellner sprach am Mittwoch von einer "Sex-Falle", die ihm gestellt worden war. Seine Redaktion habe aber mittlerweile mutmaßliche Auftraggeber ausfindig gemacht. Am Mittwoch erklärte er vor Gericht, dass es zu keinen Küssen gekommen sei. In seinem eigenen Schriftsatz von damals sind allerdings gegenseitige Küsse erwähnt. Er habe dies bei einer polizeilichen Einvernahme berichtigt, sagte Fellner am Mittwoch. In jenem Einvernahmeprotokoll, das dem STANDARD vorliegt, ist eine solche Berichtigung nicht vermerkt. Vor Gericht konnte sich Fellner am Mittwoch nicht mehr erinnern, ob dies damals die einzige Einvernahme war.

Raphaela Scharf und Anwalt Michael Rami vor dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht. Rami vermutet, dass Fellner mit der Klagseinschränkung einer Diskussion über weitere mutmaßliche Belästigungen ausweichen wolle.
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Dieser Fall wurde kurz im Gerichtssaal thematisiert, da Fellner selbst dazu Stellung nahm. Fellners Verteidigung wollte die Befragung dazu wegen der selbst vorgebrachten Klagseinschränkung mehrmals unterbrechen. Die Vorsitzende Richterin verwies darauf, dass es der Kläger war, der darauf ausführlich Bezug genommen habe. "Das war nicht meine Idee", sagte sie.

Anwalt Rami sprach nach dem Prozess davon, dass Fellner mit seinem Schritt der Klagseinschränkung offenbar der Diskussion ausweichen wolle, was in den Wochen vor dem Fotoshooting passiert sein soll. Er sprach auch von weiteren Opfern, die sich bei ihm gemeldet haben sollen. Die Befragung Fellners konnte am Mittwoch nicht abgeschlossen werden, der Prozess wurde daher auf Anfang Oktober vertagt. (Laurin Lorenz, 26.5.2021)