"Zurück zu den Wurzeln", könnte man das Vorhaben der Signa in Berlin nennen. Das historische Karstadt-Gebäude am Hermannplatz im Stadtteil Kreuzberg soll saniert werden – und zwar im Stile des Kaufhauses vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Überraschend ist das, weil die Signa zunächst vorhatte, das Bestandsgebäude abzureißen und eine komplett neue Immobilie zu bauen.

Generell steht das Gesamtprojekt unter Kritik. Demnach seien die Bauvorhaben der Signa Teil eines Karstadt-Deals mit dem Berliner Bausenat, um drohende Schließungen der bestehenden Kaufhäuser zu verhindern. Elf Berliner Warenhäuser gibt es, es sollten sechs geschlossen werden, durch die geplanten Umbauten versprach Karstadt stattdessen nur zwei zu schließen.

So soll der neue Karstadt am Berliner Hermannplatz aussehen
Foto: Signa Real Estate

Von einem "schlechten Deal" war lange unter Kritikern die Rede. Und auch Anwohner protestierten bei der Verkündung im vergangenen August. Sie befürchten durch die Aufwertung steigende Mieten und eine damit einhergehende Verdrängung der bisherigen Bevölkerung.

"Das Problem ist auch die Ausstrahlung, die so ein Gebäude hat", sagte eine besorgte Anwohnerin vergangenes Jahr in einer öffentlichen Diskussionsrunde über die Ängste im Bezirk. Auch in Kreuzberg und Neukölln (das direkt nebenan liegt) würden immer mehr Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen verwandelt.

Der Wechsel von Abriss und Neubau zu Sanierung dürfte diese Ängste nicht aus der Welt geschafft haben. Denn der Plan der Signa in Berlin ist immer noch, aus dem aktuell eher in Grau gehaltenen Altkaufhaus einen Handelstempel zu machen. Darüber hinaus will man der Gentrifizierung mit Flächen zur gemeinwohlorientierten Nutzung (rund 3600 Quadratmeter) und der Erschließung von bezahlbarem Wohnraum (3000 bis 5000 Quadratmeter) entgegenwirken. Dafür hat die Signa im September 2020 eine Absichtserklärung mit dem kommunalen Wohnungsbauunternehmen Degewo abgeschlossen.

Der Rohbau bleibt bestehen, der Rest wird runderneuert – samt Dachausbau in Holzbauweise
Foto: Signa Real Estate

Im Segment der Bestandssanierungen dürfte es nun ein Leuchtturmprojekt werden. Das bestehende Haus wird entkernt, das Stahlbeton-Rohbauskelett saniert. Um die Fläche zu vergrößern, kommt eine Aufstockung in Holzbauweise obendrauf. Das Design für die Außenfassade orientiert sich, wie bereits erwähnt, an dem Kaufhaus vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, mit den zwei ikonischen Türmen und einer Ziegelfassade.

"Der Erhalt des Rohbaus fügt sich positiv in das Gesamtkonzept ein. Eine im Grunde altmeisterliche Herangehensweise – der Erhalt und die Ergänzung von Bestand – entpuppt sich als hochmodern und gesellschaftlich relevant", erklärt der Architekt Sir David Chipperfield, der für die Planung zuständig ist.

Die Signa sagt, mit dem Wechsel zur Sanierung auch die umweltfreundlichere Alternative gewählt zu haben: "Im Vergleich zu einem Abriss und einem konventionellen Stahlbeton-Neubau können wir allein in der Bauphase bis zu 70 Prozent CO2-Emissionen einsparen", sagte Thibault Chavanat, Projektleiter bei der Signa, im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz.

Foto: Signa Real Estate

Die kürzlich zurückgetretene deutsche Bundesfamilienministerin und Vorsitzende der SPD Berlin, Franziska Giffey – zum Zeitpunkt der Pressekonferenz war sie noch Regierungsmitglied –, war voller Euphorie über das geplante Projekt. Die Stadt müsse jetzt schnell handeln, das Vorhaben verdiene die volle Unterstützung der Politik. "Es ist wichtig, ein Kaufhaus zu haben und nicht nur alles online zu kaufen", sagte sie und verteidigte damit indirekt auch den Deal zwischen Karstadt und dem Bausenat.

Die Umsetzung soll rund vier Jahre dauern. Für die Bauphase würde man sich nach Alternativflächen umschauen, um den Handel trotz Umbaus weiter zu betreiben, hieß es von der Signa. Versprechen wollte man aber keine machen. (Thorben Pollerhof, 3.06.2021)