Last in, first out – mit diesem Prinzip haben in der Pandemie viele junge Menschen zu kämpfen. Ein Migrationshintergrund verschärft die Situation.

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Dass er trotz seines österreichischen Schulabschlusses bei Bewerbungsgesprächen häufig nach seinem Deutschlevel gefragt wurde, hat Mustafa M. schon gewundert. Der heute 22-jährige Syrer kam 2016 nach Österreich und besuchte eine Tourismusschule in Oberwart. Er spricht mit Akzent, aber gut verständlich und grammatikalisch richtig. Die Pandemie hat ihn innerhalb weniger Wochen zwei Jobs gekostet. Zuerst habe er bei einem Finanzberater gearbeitet, dann als Rezeptionist.

Kein Einzelschicksal. Vielen jungen Menschen ging es Corona-bedingt so, ein Migrationshintergrund verschärft die Situation aber noch einmal. "Menschen mit kürzerer Beschäftigungszeit werden schneller gekündigt, das Last-in-first-out-Prinzip wird hier gut verdeutlicht", sagt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der WU Wien am Mittwoch bei einem Pressegespräch. "Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten vermehrt in Gastronomie und Tourismus, deshalb traf sie die Pandemie besonders stark."

Neue Krise, alter Effekt

Die Erwerbsquote sei bei ausländischen Staatsbürgern (in Österreich geboren, aber andere Staatsbürgerschaft, Anm.) doppelt so stark gesunken wie bei Österreichern. Bei Menschen, die nicht in Österreich zur Welt kamen, aber hier arbeiten, sei der Rückgang sogar fast dreimal so stark gewesen. Überdies spricht die WU-Forscherin von einem zurückgekehrten, aber altbekannten Effekt: In Krisenzeiten nehme die Diskriminierung zu trotz großer Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften am Arbeitsmarkt.

Etwa 33 Prozent der Beschäftigten in der Lebensmittelbranche seien ausländische Staatsbürger, am Bau 30 Prozent. Das sei eine klare Überrepräsentation, da der Anteil an der gesamten Bevölkerung sich nur auf 17 Prozent belaufe. Auch vor Corona wäre der Arbeitsmarkt aber schon stark nach Herkunft und Geschlecht segregiert gewesen.

Wirtschaftliche Bildung als Integrationsmaßnahme

Diskriminiert fühlte sich Mustafa M. nie, wie er meint, ganz leicht ist ihm der kulturelle Start im Syrien so fremden Österreich aber nicht gefallen. Deswegen arbeitet er ehrenamtlich unter anderem bei The Connection. Der Wiener Verein unterstützt junge Menschen mit Fluchthintergrund bei dem Aufbau eines geregelten Lebens in Österreich. Dafür kooperiert The Connection seit 2018 mit dem Erste Financial Life Park (Flip), einer Finanzbildungseinrichtung der Erste Group.

Über die Initiative "Geld im Griff" werden Migranten bei Themen wie finanzieller Verantwortung, Wohnungs- oder Jobsuche begleitet. Drei Bände gibt es von den Unterrichtsmaterialien bisher, in denen Jugendliche anhand von Beispielen aus dem Alltag auf die Praxis vorbereitet werden. Die jüngst erschienenen Lernunterlagen zur Arbeitssuche gewinnen vor allem im Rahmen der Pandemie massiv an Bedeutung, heißt es beim Pressegespräch.

Bedarf an Orientierungswissen

Orientierungswissen etwa über Wohnungssuche oder Behördengänge ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Integration. Der Bedarf an wirtschaftlichem Orientierungswissen dürfte in Österreich überall groß sein. "Die Lernunterlagen wurden ursprünglich für Menschen mit Migrationshintergrund entwickelt, mittlerweile sind sie aber in unterschiedlichsten Schulen und Institutionen im ganzen Land im Einsatz", sagt Flip-Leiter Philip List. Vor allem bei der Planung von Kosten würden junge Menschen Unterstützung brauchen. "Wir erklären ihnen verschiedene Gruppen von Fixkosten, zum Beispiel für Wohnung oder Handyverträge. Das führt zu Überraschungen, wie wenig überbleibt", sagt List. (Andreas Danzer, 27.5.2021)