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PRO: Schutz mit strikten Auflagen

von Eric Frey

In Steven Spielbergs Science-Fiction-Thriller Minority Report werden Verbrecher verhaftet und weggesperrt, noch bevor sie die Tat begangen haben – eine albtraumhafte Vision, die sich kaum jemand wünscht. Aber auch eine liberale Gesellschaft muss sich mit der Frage herumschlagen, wie man mit Menschen umgeht, deren Ideologie sie zur ständigen Gefahr für andere macht.

Eine Verwahrungshaft nur aufgrund einer Gesinnung ist mit dem Rechtsstaat unvereinbar. Aber angesichts der Erfahrungen mit politischem Terror von islamistischer und rechtsextremer Seite in Europa reicht es nicht immer aus, zu warten, bis ein Attentäter tatsächlich zuschlägt. Wo das Risiko offensichtlich ist, muss der Staat seine Bürger proaktiv schützen.

Die geplante Ausweitung des Maßnahmenvollzugs auf rückfällige Extremisten erscheint wie ein vernünftiger Kompromiss zwischen diesen beiden Geboten. Die Schwelle zweier rechtskräftiger Haftstrafen ist hoch genug, dass es nur Einzelfälle betreffen kann. Entscheidend ist, dass in der Zeit der Verwahrung ein wirksames Deradikalisierungsprogramm läuft und der Freiheitsentzug regelmäßig überprüft wird. Beides ist am ehesten von einer grünen Justizministerin zu erwarten.

Zahlreiche Augen müssen darauf achten, dass mit dieser Maßnahme kein Schindluder betrieben wird. Aber wenn es so gelingt, Terroranschläge zu verhindern und Menschenleben zu retten, dann ist es den Versuch wert. (Eric Frey, 27.5.2021)

KONTRA: Anlasspolitik ohne Sinn

von Vanessa Gaigg

Ja, es hätte wohl schlimmer kommen können: Mit der Öffnung des Maßnahmenvollzugs für verurteilte Terroristen hat die Regierung nun eine Form der vielbeschworenen Sicherungshaft gefunden, die offenbar zumindest verfassungsrechtlich kompatibel sein dürfte.

Das heißt aber nicht automatisch, dass das Vorhaben sinnvoll ist. Das bisher de facto tote Recht im Bereich der "gefährlichen Rückfallstäter" wird reaktiviert und verschärft. Damit soll wohl signalisiert werden, dass man nicht davor zurückscheut, nach dem Terroranschlag hart durchzugreifen. Dabei hätte der Attentäter schon mit den bereits existierenden Gesetzen in Untersuchungshaft genommen und somit aus dem Verkehr gezogen werden können. Dafür hätten die Sicherheitsbehörden aber ihre Arbeit richtig erledigen müssen.

Doch die neue Regelung könnte sogar nicht bloß überflüssig, sondern sogar kontraproduktiv sein: Richter und Bewährungshelfer warnen davor, dass Bemühungen um Deradikalisierung ins Leere gehen könnten, wenn nicht absehbar ist, wann sich die Gefängnistore wieder öffnen. Weder kann also das System Maßnahmenvollzug mit großen Erfolgen punkten, noch legt der Terroranschlag die Einführung eines neuen Haftbestands nahe. Übrig bleibt also Anlasspolitik zur Pflege eines Law-and-Order-Images. Doch dafür sind Verschärfungen im Bereich des Freiheitsentzugs zu heikel. (Vanessa Gaigg, 27.5.2021)