Unser Frühling war bis jetzt zwar einer der kühlsten seit Jahrzehnten. Doch seine Begleiterscheinungen wie erhöhte UV-Strahlung helfen beim Eindämmen der Infektionszahlen.

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Egal ob in Österreich oder Deutschland: Expertinnen und Experten in beiden Ländern warnten früh vor einer dritten Welle im Frühjahr. Hauptgrund für die pessimistischen Prognosen war die höhere Infektiosität der "britischen" Variante B.1.1.7, die sich ab Jahresbeginn in Europa durchzusetzen begann. Wie wir heute wissen, kam es auch in Österreich nicht ganz so schlimm wie befürchtet. Zwar erreichten die Auslastungen bei den Intensivbetten in Ostösterreich die höchsten Werte seit Beginn der Pandemie, doch eine Verschlimmerung der Situation konnte dank eines harten Lockdowns vermieden werden.

Nicht so ganz einfach erklärbar ist allerdings, warum der Höhepunkt bei den Infektionszahlen bereits am 26. März erreicht wurde, obwohl der Lockdown in Ostösterreich erst am 1. April begann und dessen Wirkungen eigentlich erst mit rund einer Woche Zeitverzögerung spürbar werden. Woran also lag es, dass die Infektionszahlen schon früher zurückgingen? Warum fiel die dritte Welle bei uns schwächer aus als befürchtet? Und warum sinken die Zahlen jetzt so schnell?

Zusammenspiel mehrerer Faktoren

Wie immer dürften bei den erfreulichen Entwicklungen gleich mehrere Faktoren zusammengekommen sein, die in ihrer jeweiligen Einzelwirkung freilich nicht ganz einfach zu gewichten sind, wie auch Fachleute eingestehen. Dass die Infektionszahlen in dieser Pandemie wiederholt unmittelbar vor den Lockdowns zurückgingen, sehen Expertinnen und Experten natürlich nicht als Beweis für die Überflüssigkeit dieser Maßnahme.

Sie verweisen vielmehr darauf, dass ihr meist eine warnende mediale Berichterstattung vorausging. Das war auch bei uns im März so. DER STANDARD und andere Medien berichteten bereits spätestens ab 16. März von einer drohenden Überlastung bei den Intensivbetten in Ostösterreich. Und wie man weiß, führen solche Berichte bei nicht wenigen zu einer Veränderung des Verhaltens.

Daneben spielten noch drei weitere Faktoren im Laufe der letzten Wochen eine wichtige Rolle: Österreich setzte und setzt nach wie vor stark auf das Testen, das mit dazu beitrug, dass der Anstieg der Fälle von Mitte Februar bis Ende März eher linear als exponentiell ausfiel. Zudem nahm die Zahl der durch Impfungen immunisierten Personen langsam, aber beständig zu. Sind die positiven Folgen des Impfens bei den Risikogruppen bereits recht gut quantifizierbar, bleibt der dritte Faktor nach wie vor so etwas wie die große Unbekannte: nämlich die Saisonalität.

Schwer berechenbare Saisonalität

Zwar herrscht in der Wissenschaftswelt Konsens darüber, dass bei der Verbreitung von Sars-CoV-2 wie auch bei anderen Atemwegserkrankungen jahreszeitliche Unterschiede eine wichtige Rolle spielen (siehe die am Ende des Texts angeführten Studien). Doch auch hier gilt, dass es erstens wieder mehrere Subfaktoren gibt und dass zweitens Saisonalität nicht alles erklären kann: Denn in so gut wie allen Ländern der Erde wurde eine Verbreitung von Sars-CoV-2 unabhängig von der Jahreszeit oder der Temperatur beobachtet.

Offensichtlich ist aber, dass Coronaviren in kalter Umgebung länger überleben. Gut belegt ist auch, dass ihnen UV-Strahlung schadet – und die nimmt in unseren Breiten im Laufe des Frühlings stark zu. Ebenfalls ansteigend ist mit mehr Sonne der Vitamin-D-Spiegel, der auch Einflüsse auf Coronavireninfektionen haben dürfte. Wichtig sind aber vor allem zwei indirekte Faktoren: Ist’s draußen kalt, halten wir uns fast nur drinnen auf, wo auch fast alle Virusübertragungen geschehen. Zudem führt die trockene kalte Luft im Herbst und Winter zu Erkältungen und gereizten Schleimhäuten. Und diese sind die idealen Eingangspforten für Sars-CoV-2.

Das alles trägt dazu bei, dass in unseren Breiten die Infektionszahlen gerade stark zurückgehen. Die Saisonalität zeigt sich umgekehrt auf der Südhalbkugel. In etlichen Ländern im südlichen Afrika wird ein zum Teil dramatischer Anstieg der Infektionszahlen vermeldet. Und jene sieben Länder mit den aktuell meisten Covid-19-Toten in Relation zur Bevölkerungsgröße liegen allesamt in Südamerika, angeführt von Uruguay. Dort hat der Herbst längst begonnen. (Klaus Taschwer, 27.5.2021)